Kritik: Scream
WILLKOMMEN IN DER META-ÄRA
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Im beschaulichen Städtchen Woodsboro ist seit der vergangenen Mordserie kaum Ruhe eingekehrt, als wieder ein Killer mit der berühmten Maske Teenager ermordet. Sam (Melissa Barerra) und ihre Schwester wollen sich nicht ergeben und ziehen aus, um den Unbekannten zu stoppen, unterstützt von ehemaligen Opfern der immer wiederkehrenden Ghostface-Killer.
In der Eröffnungsszene antwortet Tara noch recht freundlich auf die Fragen des anonymen Anrufers. Schließlich hat sie keinen Schimmer, dass ein waschechter Killer am anderen Ende der Leitung spricht. „Was ist dein liebster Horrorfilm?“ will er wissen. „Der Babadook. Denn es ist kein platter Slasher-Horror, sondern eine intelligente tiefe Geschichte über eine Mutter-Kind-Beziehung.“ Offensichtlich enttäuscht über diese Antwort entgegnet die Stimme: „Ist das nicht etwas… hochtrabend?“
An dieser Stelle spricht nicht einfach der Killer am Telefon, es ist der Regisseur selbst, der Drehbuchautor, die Stimme all jener Slasher-Fans, die aus der Zeit gefallen sind. „Elevated Horror“ ist nicht ihr Ding und sie machen keinen Hehl daraus, dass eine Lücke zwischen ihnen und der „Horror Generation Z“ klafft.
Die Scream-Reihe war stets in diesem Paradox verwurzelt: Im Steinbruch eines toten Genres zu arbeiten und aus den schönsten Fundstücken seine Eckpfeiler zu bauen. Im nun ersten Film ohne Schöpfer Wes Craven könnte das in die Hose gehen, doch die Zügel sind fest in der Hand von Fans, die Cravens Mission verstehen: Horror ist manchmal am besten, wenn er direkt von vorne kommt.
Allen Beteiligten macht es sichtlich Spaß wieder an Bord zu sein. Dewey (David Arquette) ist eine überzeugend gescheiterte Existenz, Sidney (Neve Campbell) spielt eine Tough Mum, ohne zu übertreiben und Courteney Cox, nun, sie liest ihre Zeilen und schauspielert tapfer gegen das Botox an.
Etwas Vorwissen ist nötig, um den Film vollends zu genießen. Zahlreiche Selbstreferenzen können zünden, aber auch als Blindgänger verpuffen, immerhin liegen 25 Jahre zwischen Original und diesem Sequel. Die Rückkehr an Originalschauplätze schafft Gänsehaut für alle Eingeweihten, der Rest begnügt sich mit erläuternden Dialogen.
Doch die Scream-Reihe hat sich nie auf dem eigenen Kult ausgeruht, ihre Stärken liegen anderswo und eben diese werden zur Freude aller Fans ausgespielt: Auch der fünfte Teil ist bissig, zynisch und selbstironisch. Der liebevoll-kritische Blick auf die neue Horror-Generation durchzieht den Film, fast mit einer wehmütigen Nostalgie an einfachere Zeiten, als es für ein lustvolles Kreischen im Kinosaal nicht mehr brauchte als einen maskierten Täter mit Messer. Als Routiniers jongliert die Crew mit Genre-Klischees und Erwartungen, die dann gebrochen werden. Dieses Spiel von „genau das Gegenteil von dem, was man erwartet“ kann ermüden, hält sich jedoch in Grenzen.
Die Fans der Reihe werden zufrieden den Saal verlassen, die Generation der Nachgeborenen bekommt ein hochwertiges Erlebnis aus einer totgeglaubten Ära. Die verstrichenen 25 Jahre seit Beginn der Reihe machen sich vor allem im Level der Gewalt bemerkbar, hier wurde die Schraube fast unerträglich angezogen. Die FSK-16-Freigabe ist nahezu unglaublich, die Skala hat sich in den 2000ern stark nach oben geöffnet.
Das prägnanteste Charakteristikum der Reihe ist ihr gutes Gespür für den Zeitgeist des Horrorfilms. Teil 1 räumt das totgeglaubten Slasher-Genre auf, Teil 2 nimmt das schwere Thema „Sequel“ auf die leichte Schulter, Teil 3 nimmt sich als Sandwich-Kind einer erfolgreichen Reihe selbst nicht ernst, Teil 4 bindet die omnipräsenten Sozialen Medien ein ohne total peinlich zu wirken.
Teil 5 erschafft nun einen eigenen selbstironischen Schutzrahmen um ein heißes Eisen anzufassen – nein, nicht Political Correctness, das wäre zu naheliegend. Scream erzählt von toxischer Fankultur. Ergebene Filmfreaks, die aggressiv verlangen, dass eine Filmreihe so oder so weiterzugehen hat, dass alles Moderne fernbleiben muss, dass die Figuren so bleiben, wie sie eigentlich nie waren. Moderne, toxische Fans nutzen den langen Arm des Internets um Druck auszuüben und verlangen quasi, das Skript nach ihren Wünschen umzuschreiben. Scream enttarnt diese vermeintliche Fanliebe als der Wahnsinn, der sie ist. Verehrung, die an die Bedingung geknüpft ist, dass alles so weitergeht, wie es einer ominösen „Community“ nach weiterzugehen hat – dies ist das Wespennest in das der Film stochert.
Ehrlich und unterhaltsam nimmt sich der Film viel Raum für Lektionen über die „Post-Sequel-Ära“ des Kinos. Fortsetzungen und Reboots haben ihr Plateau erreicht, Fans sind ermüdet. Die Zukunft gehört dem selbstironischen Film, der sich selbst referenziert, alte Fans und Neulinge gleichsam abholt, bekannte Tropen mit modernen Stilmitteln verheiratet. Der Trend ist nicht zu übersehen, siehe Matrix Resurrection. Dass sich die Teenager von Woodsboro selbst in einem solchen „Requel“ bzw. „Legacyquel“ („Die Fans sind sich noch nicht einig, wie sie es nennen“) befinden, bemerken sie erst, als die Altstars des Originals in ihrem Wohnzimmer sitzen.
Seit The Cabin in the Woods gab es wohl keinen Meta-Horrorfilm mehr, der sich derart hyperaktiv seinem Thema annimmt und dabei auch nicht scheut, die Symptome eines kränkelnden Genres zu benennen. Fans werden mit dem fünften Teil der Reihe viel Spaß haben, alle anderen wundern sich vielleicht über das Funkeln in den Augen der Sitznachbar:innen. Der bissige Kommentar über Fankultur und das Querverweis-Feuerwerk sind beste Unterhaltung. Zartbesaitete sollten dennoch vorsichtig sein, denn von einer Komödie ist dieser Film weit entfernt.
Artikel vom 16. Januar 2022
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