7.3/10

Kritik: Das Imperium

WENN ZWEI SICH STREITEN…

Genres: Science Fiction, Startdatum: 21.11.2024

Interessante Fakten für…

  • Die Schauspielerin Adèle Haenel sollte ursprünglich am Projekt mitwirken, verwarf sich jedoch mit Regisseur Dumont und warf dem Drehbuch Sexismus und Rassismus. Sie stieg aus dem Projekt aus und beendete im Mai 2023 ihre Schauspielkarriere.
  • Der Film gewann den Silbernen Bären (Preis der Jury) bei der Berlinale 2024.

Eine Weltraumoper, die den Namen verdient: Dieser Film bietet ein Findelkind, verfeindete Königreiche, eine Dreiecksbeziehung und mehr. Und Lichtschwert-Ritter im Citroën – ernsthaft jetzt?

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Menschen sonnen sich am Strand, Fischkutter fahren aus, an der französischen Atlantikküste lebt Jony (Brandon Vlieghe) ein unscheinbares Leben. Doch Jony ist ein Außerirdischer, Abgesandter vom Volk der “Zéros” (0er), welche die Unterwerfung der Erde vorbereiten. Jony beschützt das Baby des Imperators, welches den Untergang bringen wird. Die “Uns” (1er) versuchen das Baby zu töten und die Erde von den 0ern zu befreien. Im beschaulichen Hinterland kämpfen Jane (Anamaria Vartolomei) und ihre Verbündeten 1er gegen Jony und bereiten sich auf die finale Schlacht vor. Doch die Außerirdischen entdecken auch die Vorzüge und Sinnlichkeiten menschlichen Lebens.

Schlachtfeld des Schicksals

Der Frieden der Côte d’Opale täuscht. Dunkerque ist nicht weit, ebenso die Normandie. Namen, die Historiker:innen und Filmfans gleichermaßen aufmerken lassen. Und wieder wird die französische Atlantikküste zum Schlachtfeld des Schicksals. Das Imperium der 0er strebt nach der Unterwerfung der Menschheit. Nun mag es geschmacklos-banal erscheinen, ausgerechnet an diesem historischen Ort eine SciFi-Schlacht zu erzählen. Doch der Konflikt zwischen 1ern und 0ern ist wenig martialisch und Krieg an sich nicht der Kern der Erzählung.

Regisseur/Drehbuchautor Bruno Dumont lockt uns zunächst auf eine falsche Fährte und beginnt den Film bei den Bewohnern des harmonischen Dorfes. Sie werden zu unseren Bezugsfiguren. Als der Frieden von außen gestört wird, sind unsere Sympathien klar bei Jony und Line. Doch im Verlauf des Films erfahren wir, dass sie eben keine normalen Dörfler, sondern 0er sind, galaktische Invasoren mit dem Plan, die Menschheit zu korrumpieren. Sind “die Anderen”, entgegen aller menschlichen und filmischen Gewohnheiten, letztlich doch die “Guten”? Dumont lädt seine 1er und 0er mit einer Vielzahl von Symbolen auf, ohne sie jedoch zu überzeichnen. Die 1er stehen für Tugend, ihr Raumschiff gleicht eher Notre-Dame als der Enterprise. Die 0er repräsentieren das Schlechte im Menschen. In ihrem fliegenden Prunkschloss geben sie sich frivoler Unterhaltung und Remixes klassischer Musik hin.

Vom Leben als Mensch

Die Bösen haben leichtes Spiel die Menschen zu unterwerfen, denn diese lieben Laster, Unterhaltung und den eigenen Untergang. Politisch wird der Film nicht, doch er fordert mit seinen Allegorien Interpretationen heraus. Als der Imperator der 0er zu einem geheimen Frontbesuch auf die Erde hinabsteigt, wählt er als menschliche Hülle einen alten, weißen Bauern. Die Königin der 1er, Kämpferin für das Gute, manifestiert sich auf Erden als Kümmerin: Sie schlüpft in den Körper der Kleinstadtbürgermeisterin und begrüßt alle mit Handschlag und offenem Ohr.

Doch wo sich alle Außerirdischen einig sind: Mensch zu sein ist ein Abenteuer. Dem Film gelingt es, diese Erfahrung ohne Kitsch und durchaus provokant zu erzählen. Denn Jony, halbstarker Fischer und Vorhut der intergalaktischen 0er-Armee, hat vor allem an einem menschlichen Lebensinhalt Gefallen gefunden: “vögeln”. Er ist ein vulgärer Macho, der sich, einem Kolonialherren gleich, dem ungezügelten Genuss hingibt und es genießt, scheinbar primitiv-triebhaft zu leben. Auch Jane, die Vorkämpferin der guten 1er, lernt was es bedeutet ein Mensch zu sein, einen Körper zu haben, sich in ein Arschloch wie Jony zu verlieben. Doch es kommt nicht zum Romea&Julia-Plot. Auch im irdischen Körper bleiben sie unveränderliche 0er und 1er. Die Seiten zu wechseln und zwischen Gut und Böse wählen, das vermag allein der Mensch.

Ist das jetzt SciFi?

Trotz der klaren ernsten Ambitionen und der wirklich beeindruckenden CGI ist eine gewisse Albernheit allein durch die Prämisse (UFOs in Nordfrankreich) unvermeidbar. Während Märchen und Fantasy erwiesenermaßen sehr kompatibel mit Alltagsszenen sind, fällt es schwer, sich Laserschwerter und Baguettes zusammenzudenken.

Doch gerade in dieser scheinbaren Unvereinbarkeit von Science-Fiction und Routine liegt die Faszination des Films. SciFi wird häufig mit Weltraum und Zukunft in Verbindung gebracht. Das Genre erforscht Welten, die unserer fern und fremd sind. Das Imperium lässt Invasoren auf die uns bekannte Welt los und macht durch sie sichtbar, was den Menschen eigentlich ausmacht.

Fazit

7.3/10
Ordentlich
Community-Rating:
Handlung 7/10
Visuelle Umsetzung 8/10
Tiefgang 7.5/10
Atmosphäre 7/10
Charaktere 7/10
Details:
Regisseur: Bruno Dumont,
FSK: 12 Filmlänge: 110 Min.
Besetzung: Anamaria Vartolomei, Brandon Vlieghe, Camille Cottin, Fabrice Luchini, Lyna Khoudri,

Unser Film ist keine Parodie!” ließ Bruno Dumont die Presse wissen. Ganz ernst ist er jedoch auch nicht, wie soll das auch gehen, wenn Raumschiffe und Fischkutter die Wege kreuzen? Doch diese Kontraste werden von starker Regie zusammengeführt und der Film bannt vom ersten Moment an. Es ist faszinierend, lustig, bewegend und empörend, wie die intergalaktischen Kolonialisten das Menschsein erforschen und um die Zukunft der Erde streiten. Eingebettet in Effekte auf Höhe der Zeit und magnetisches Schauspiel bereitet Das Imperium SciFi-Unterhaltung der anderen Art.

Artikel vom 2. Dezember 2024

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