9.2/10

Black Mirror Episodenguide (Staffel 1-6) (inkl. Zusammenfassung)

DAS NACHSCHLAGEWERK FÜR ALLE ‘BM’-FOLGEN

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Genres: Drama, Science Fiction, Startdatum: 04.12.2011

Interessante Fakten für…

  • Spannende Fakten für “Vor dem Watch” werden aktuell für dich vorbereitet. Schau gerne später nochmal hier rein!

Black Mirror gehört zu den besten Serien unserer Zeit. Jede Folge erzählt eine abgeschlossene Zukunftsvision über Technologie und Gesellschaft, die uns ordentlich auf die Finger haut. Was die einzelnen Folgen aus Staffel 1-6 bedeuten und wie wir sie bewerten, erfahrt ihr in unserem ausführlichen ‘Black Mirror’-Episodenguide. Viel Spaß mit unserer Zusammenfassung!

Dieser Artikel wurde in Ko-Produktion durch folgende Autoren erstellt:

1×01: ‘Der Wille des Volkes’

Originaltitel: ‘The National Anthem’

Gesellschaftliche Themen: Sensationsgier, Voyeurismus, Populismus, Demokratie
Technologische Themen: Social Media

Darum geht’s:

Die englische Prinzessin wurde entführt. Kurze Zeit später richtet sich ein Erpresservideo an den britischen Premierminister Michael Callow (Rory Kinnear), das sich rasch auf YouTube verbreitet. Die Prinzessin werde nur freigelassen, wenn Callow ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einem Schwein habe. Im Fernsehen. Live. Weltweit.

Interpretation und Moral:

Die Debüt-Folge der Serie ist gleichzeitig eine der untypischen Black Mirror-Geschichten: Im Gegensatz zu anderen Folgen steht hier keine Zukunftstechnologie im Mittelpunkt. Stattdessen bedient sich die Folge einer bitterbösen Gesellschaftskritik.

“Der Wille des Volkes” ist das Herz einer gesunden Demokratie. Doch über Presse und Soziale Medien kann die öffentliche Meinung schamhaft ausgenutzt und manipuliert werden. Der Premierminister muss sich bedingungslos dem Willen des Volkes beugen. Dabei ist das Volk selbst der Nährboden der Erpressung, denn ohne das Wissen der Öffentlichkeit wäre die Forderung haltlos. Letztendlich will die Öffentlichkeit genau das sehen, was der Erpresser verlangt, denn sie ist sensationsgeil.

Der Twist: Die Prinzessin wird schon eine halbe Stunde vor dem Geschlechtsakt freigelassen, im Herzen Londons – doch keiner entdeckt sie, da ganz Großbritannien gebannt vor dem Bildschirm hockt. Das Ziel des Erpressers war also nicht, den Premierminister zu demütigen, sondern das ganze Volk als Versuchskaninchen für ein soziales Experiment zu nutzen.

Bewertung:

Der Wille des Volkes ist eine unglaublich schwarze Gesellschaftssatire, die nur knapp über 40 Minuten Zeit braucht, um den Zuschauer komplett zu brechen. Die Folge fesselt ab der ersten Minute und gehört immer noch zu den aufwühlendsten und abstoßendsten Black Mirror-Episoden aller Zeiten.

1×02: ‘Das Leben als Spiel’

Originaltitel: ‘Fifteen Million Merits’

Gesellschaftliche Themen: Kapitalismus, Sensationsgier, Entfremdung
Technologische Themen: Digitalisierung

Darum geht’s:

In dieser Zukunftsvision müssen Bürger virtuelles Geld durch “Radfahren” verdienen. Aus der komplett digitalisierten Welt gibt es kein Entkommen – es sei denn, man schafft es in eine Casting-Show. Bing (Daniel Kaluuya: Get Out) will dem Gesangstalent Abi (Jessica Brown Findlay) dabei helfen, das teure Eintrittsticket bezahlen zu können. Doch die Casting-Show erweist sich als eine Falle…

Interpretation und Moral:

Das Leben als Spiel zeigt eine digitalisierte Welt der Entfremdung. Die Medien sind Teil des politischen Systems, das als Kapitalismus-Satire angesehen werden kann: Ein Ticket für die Castingshow muss teuer verdient werden, ansonsten gibt es aus dem hierarchischen System kein Entkommen. Um Werbung nicht sehen zu müssen, muss gezahlt werden – wobei man das heute ja schon muss. Oberschicht (Die Jury), Mittelschicht (Die Radfahrer) und Unterschicht (Die Putzkräfte in Gelb) sind in ihren Rängen gefangen. Jeder, der nicht gut genug für das System ist, wird degradiert und zur fettleibigen Putzkraft, die nicht mehr Radfahren darf. Das System entwürdigt diese schwächere Gruppe zur Unterhaltung (RTL2?) und selbst Pornografie ist in den Medien nun eine Selbstverständlichkeit.

Hauptcharakter Bing, der aus diesem System ausbrechen will und eine Wutrede vor laufender Kamera hält, wird letztendlich auch Teil des Systems, indem er extra Sendezeit-Slots für seine inszenierten Wutreden bekommt. Bing und Abi sind im Rang aufgestiegen. Ändern tut sich jedoch nur kaum etwas.

Bewertung:

Das Leben als Spiel gehört zwar nicht zu den spannendsten Black Mirror-Episoden, zeigt allerdings ein unglaublich starkes Worldbuilding. Die heftigen Seitenhiebe gegen die aktuelle Konsumgesellschaft tun ordentlich weh und regen zur Selbstreflexion an.

1×03: ‘Das transparente Ich’

Originaltitel: ‘The Entire History of You’

Gesellschaftliche Themen: Privatheit, Paranoia, Realitätsflucht
Technologische Themen: Videoüberwachung, Mikrochips, Kontaktlinsen-Display

Darum geht’s:

In naher Zukunft besitzen Menschen einen implantierten Chip, der sämtliche Erinnerungen aufzeichnen und per Knopfdruck aufrufen und erneut abspielen kann. Liam (Toby Kebbell: Kong Skull Island, Sieben Minuten nach Mitternacht) ist von dem Gedanken besessen, dass seine Frau Fi (Jodie Whittaker) eine Affäre hat. Als er seine Erinnerungen nach belastenden Hinweisen durchstöbert entfesselt er einen katastrophalen Ehestreit…

Interpretation und Moral:

Wenn selbst Erinnerungen nicht mehr privat sind, entsteht daraus eine Überwachungsgesellschaft, die statt Transparenz nur noch mehr Paranoia schürt. Zwar haben wir aktuell noch keine implantierten Erinnerungsspeicher, doch sind Handys und Social Media Accounts beinahe äquivalente Privatsphäre-Lecks, die es uns schwer machen, Geheimnisse zu wahren.

In Das transparente Ich besitzen Gesellschaft und Staat das perfekte Überwachungswerkzeug, das potentiell jedes Verbrechen aufdecken kann. Das hört sich verlockend an, denn Terroristen und Co. können auf diese Weise schnell identifiziert werden, wie es z.B. die Szene am Flughafen zeigt. Doch das Motto “Schuldig, bis du dich als unschuldig beweist” muss somit für jeden gelten. Der nächste Stammtisch-Spruch “Solange du nichts zu verbergen hast!” ist also nicht weit entfernt. Doch Das transparente Ich beweist, dass jeder was zu verbergen hat – auch wenn es nur um private Angelegenheiten geht.

Sind wir wirklich immer zur Ehrlichkeit verpflichtet? Müssen selbst unsere engsten Mitmenschen wirklich alles über uns wissen? Wollen wir wirklich alles wissen?Liam erkauft sich die Wahrheit zu einem hohen Preis: Er zerstört seine Beziehung und ruiniert seine Karriere. Das war es wohl kaum wert.

Bewertung:

Das transparente Ich ist eine grandiose Eskalations-Folge, die in einer kleinen Katastrophe mündet. Toby Kebbell als paranoider Ehemann, der von Minute zu Minute wahnsinniger wird, ist herausragend. Die Folge fühlt sich durch den engen Fokus “kleiner” an als andere Folgen, doch genau das macht sie so intensiv.

2×01: ‘Wiedergänger’

Originaltitel: ‘Be Right Back’

Gesellschaftliche Themen: Liebe, Trauer, Unsterblichkeit
Technologische Themen: Social Media, Künstliche Intelligenz, Robotik

Darum geht’s:

Martha (Hayley Atwell) und Ash (Domhnall Gleeson: Star Wars: Die letzten Jedi) sind ein glückliches Pärchen, bis Ash eines Tages tödlich verunglückt. Voller Trauer, meldet sich Martha für einen besonderen Service an, der Ash anhand seiner Social-Media-Daten wiederauferstehen lässt – als originalgetreuen Roboter.

Interpretation und Moral:

Das Konzept von humanoiden Robotern ist keine Science Fiction mehr. Die Androiden des Unternehmens Hanson Robotics haben menschliche Gesten und lernen Tag für Tag, das Verhalten der Menschen zu simulieren. Dabei werden sie mit Massen an Daten aus dem Internet gefüttert. So lässt dich beispielsweise dieses Interview mit Roboter “Sophia” bereits heute erschaudern.

In Wiedergänger geht es um den Missbrauch dieser Technologie, indem Trauer und Verlust mit technologischen Kopien der Verstorbenen kompensiert werden sollen. Der verstorbene Ash kann anhand all seiner Internetdaten, Chatverläufe und Social-Media-Posts komplett simuliert werden. Dennoch ist er nur eine Simulation. Martha fällt auf diesen technologischen Zaubertrick vorerst rein. Makaber wird es, als der Service ein “Upgrade” anbietet und Martha einen lebensechten Roboter sendet, der Ash perfekt imitiert. Zu diesem Zeitpunkt erkennt Martha, dass die Simulation besonders in kleinen Details versagt und es immer offensichtlicher wird, dass der Roboter nur eine rudimentäre Simulation ihres Geliebten ist.

Auch für uns wird es eine Herausforderung sein, die nötige Distanz vor lebensechten Robotern zu wahren, da es in unserer Natur liegt, menschliches Verhalten auch menschlich zu behandeln.

Bewertung:

Wiedergänger gehört zu den ruhigsten, emotionalsten und schaurigsten Black Mirror-Folgen, die im Gegensatz zu anderen Folgen schon beinahe subtil und leise wirkt. Domhnall Gleesons Besetzung ist eine hervorragende Wahl.

2×02: ‘Böse neue Welt’

Originaltitel: ‘White Bear’

Gesellschaftliche Themen: Gerechtigkeit, Strafe, Schaulust
Technologische Themen: Neurowissenschaften

Darum geht’s:

Eine Frau (Lenora Crichlow) wacht in einem Reihenhaus auf und hat ihr komplettes Gedächtnis verloren. Die Welt ist nicht mehr dieselbe: Anscheinend wurden viele Bürger zu willenlosen Schaulustigen gemacht, und filmen die Hauptdarstellerin ununterbrochen mit ihren Handys. Eine Gruppe von Unversehrten macht sich auf den Weg zu einem Kraftwerk, um das Signal, das angeblich für die Gehirnwäsche verantwortlich ist, abzuschalten. Doch die Protagonistin hat die wahren Umstände ihrer Situation noch nicht begriffen…

Interpretation und Moral:

Wenn in den Nachrichten über Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder berichtet wird, dann wünschen wir uns Gerechtigkeit. Doch wo müssen wir die Grenze zwischen rechtmäßiger Bestrafung und unethischen Rachegelüsten ziehen? Kommentare wie “Schneidet ihm die Eier ab!” und “Ich bin für Folter!” scheinen für erschreckend viele Menschen bei schwerwiegenden Verbrechen gerechtfertigt und angebracht zu sein.

Black Mirror führt diesen Gedanken weiter und präsentiert die Idee eines “Gerechtigkeit-Parks”, in dem Schaulustige und Sadisten gegen Bezahlung Teil einer grausamen Foltermethode werden. Die “Attraktion” des Parks ist unteranderem eine Mittäterin, die sich am Mord eines kleinen Mädchens mitschuldig gemacht hat. Die Strafe dafür ist, dass die Delinquentin jeden Tag von Neuem Teil eines makaberen Rollenspiels wird. Jeden Abend werden ihre Erinnerungen gelöscht, sodass am nächsten Morgen alles von vorne beginnen kann.

Die Parkbesucher rechtfertigen ihre perversen Rachegelüste, ohne einzugestehen, dass ihre Moral ebenso verwerflich ist wie die der Protagonistin, die tatenlos einem Mord zusah. Dabei legt uns die Story-Struktur eine Falle: Wir wissen bis zum Ende der Folge nicht, dass die Protagonistin eine Straftäterin ist, weshalb wir uns mit ihr identifizieren. Der große Plot Twist schubst uns schließlich aus der Komfortzone unserer eigenen Moralvorstellung, die besagt, dass man mit Schwerverbrechern kein Erbarmen haben darf.

Bewertung:

Böse Neue Welt ist eine der bösesten Folgen der Serie, kann damit aber nicht über die ein oder andere Schwäche hinwegtäuschen. Der große Twist wirkt konstruiert, auch wenn die dahinterstehende Idee provokant ist. Letztendlich lebt die Folge durch ihr letztes Drittel, da der Plot vor der Auflösung als irrelevant und falsch abgefertigt wird. Man merkt, dass Autor Charlie Brooker das Ende spontan umgeschrieben hat – die dargestellte Dystopie sollte nämlich eigentlich “echt” sein und kein Rollenspiel. Nichtsdestotrotz ist Böse Neue Welt eine traumatisierende Anekdote, die zum Nachdenken anregt.

2×03: ‘Waldo’

Originaltitel: ‘The Waldo Moment’

Gesellschaftliche Themen: Politik, Populismus, Satire, Meinungsfreiheit vs. Rufmord
Technologische Themen: Digitalisierung

Darum geht’s:

Jamie (Daniel Rigby) ist Comedian und Synchronsprecher der Cartoon-Figur “Waldo” – ein perverser, blauer Teddybär, der gerne mal frei Schnauze spricht. Als Waldo eines Tages die Politiker des aktuellen Wahlkampfes angreift, wird er selbst Protagonist ebenjenes Wahlkampfes. Die Bevölkerung liebt Waldo und seine satirischen Äußerungen zum Politikgeschehen. Urplötzlich wird Jamie mit seiner Cartoon-Figur selbst zum Kandidaten…

Interpretation und Moral:

Die Folge Waldo wurde von zeitgenössischen Zuschauern und Kritikern gerne verpönt und als Tiefpunkt der Serie bezeichnet. Die Idee sei blödsinnig und unwahrscheinlich. Heute, in Zeiten von Trump und Brexit, sieht das ganz anders aus. Tatsächlich war Waldo einfach nur seiner Zeit voraus.

Autor Charlie Brooker zeigt, wie Demokratie durch Desinteresse, Populismus und blinden Protest ausgehebelt werden kann. Keiner interessiert sich für die politischen Ziele von Waldo, solange er die anderen Politiker beschimpft und die Bevölkerung unterhält. Das sind krasse Parallelen zur Debatte um US-Präsident Trump.

Im Gegensatz zu anderen Politikern besitzt Waldo eine “digitale Maske”, die die Person hinter der Figur verschleiert. Das ist als Symbol für das heuchlerische Auftreten von Politikern während des Wahlkampfes zu verstehen, das darauf abzielt, den Gegner in der Öffentlichkeit zu “demaskieren”. Während Waldo seine Gegner immer wieder diffamiert, gelingt es der Opposition nicht, Waldo selbst zu diffamieren, da seine öffentliche Maske zu undurchdringbar und abstrakt ist. Ein ähnliches Phänomen zeigte sich im US-Wahlkampf 2016: Trump schien beinahe immun gegen die unerbittliche Kritik zu sein, da sein Auftreten so obszön und naiv war, dass sämtliche Demaskierungs- und Diffamierungsversuche an Angriffsfläche verloren. Dagegen wirkt ein halbwegs anständig auftretender Politiker heuchlerisch und falsch.

Bewertung:

Waldo ist auf Erzählebene die schwächste Black Mirror-Folge, da es dem Skript an Spannung und Intensität fehlt. Allerdings ist die Moral der Geschichte über die Zeit gereift, weshalb nun ausgerechnet Waldo zu den relevantesten Folgen der Serie gehört.

2×04: ‘Weiße Weihnachten’

Originaltitel: ‘White Christmas’

Gesellschaftliche Themen: Entfremdung, Sklaverei, Obsession
Technologische Themen: Künstliche Intelligenz, Social Media, Augmented Reality

Darum geht’s:

Matt (Jon Hamm: Baby Driver, Mad Men) und Potter (Rafe Spall) leben in einer kleinen Hütte, mitten im Nirgendwo. Da die Kommunikation zwischen den Beiden eher spartanisch ist, sprechen sie an Weihnachten endlich über das Leben… und über ihre dunkelsten Geheimnisse.

Interpretation und Moral:

Weiße Weihnachten besteht aus drei Akten. Im ersten Akt geht es um Matts Dating-Service, der für einen seiner Schüler katastrophal endet. Unwissentlich verkuppelt der “Date-Doktor” seinen Schützling mit einer selbstmörderischen Schizophrenen, die ihn während des One-Night-Stands zum Doppel-Suizid zwingt. Obwohl Matt seine Schüler über Sprachkontakt und die sogenannten “Z-Eyes” beobachtet und sie mit Informationen zu Gesprächspartnern aus dem Social Web füttert, kann Matt während des Suizids nur tatenlos zusehen. Durch die Komplettüberwachung erhoffen sich die Schüler eine “sichere” Dating-Erfahrung, doch stattdessen werden sie in Situationen geschubst, die sie nicht kontrollieren können – und keine Technologie kann sie vor der Lebensgefahr retten.

Akt Zwei zeigt Matts früheren Beruf als “Cookie-Trainer”. Cookies sind erweiterte Formen der gegenwärtigen Internet-Cookies, welche sämtliche Informationen über unsere Vorlieben und Kaufintentionen beherbergen. Doch was, wenn Cookies in Zukunft so hoch entwickelt sind, dass sie praktisch als unser eigener Klon agieren? Könnte es sein, dass ich selbst zum Computercode werde, sobald ich eine Kopie von mir erstelle? Hätte dieser Klon ein Bewusstsein und somit Anspruch auf Menschenrechte? Nicht in Black Mirror – Cookies werden unsere persönlichen Arbeitssklaven. Ein makaberer Gedanke.

Im dritten Akt erzählt Potter über seine verlorene Liebe, die ihn nach einer Schwangerschaft aus dem Leben “geblockt” hat. Diese Funktion erinnert an das Blocken aus den Sozialen Medien. In Weiße Weihnachten ist die Technologie in das echte Leben übertragen, indem man Menschen per Augmented Reality über die “Z-Eyes” komplett zensieren kann. Diese Kommunikationshürde führt zu gefährlichen Missverständnissen, die weder effektiv bei Trennungen, noch gegen Stalking sind. Potter ist besessen von dem Gedanken, dass seine Ex-Freundin sein Kind großzieht, bis er Jahre später erfährt, dass das Kind aus einer heimlichen Affäre entstanden ist.

Weiße Weihnachten zeigt in seinen drei Geschichten aber auch ein übergeordnetes Thema. Alle Charaktere setzen falsche Hoffnungen in Technologien: Der Date-Schüler erhofft sich ein sicheres Date-Tutorial, das jedoch tödlich endet. Die Kundin des Cookie-Programms erhofft sich eine Assistenz im Alltag, versklavt sich letztendlich aber selbst. Potters Ex-Freundin erhofft sich durch den “Block” einen Kontaktabbruch, doch macht Potter stattdessen zum Stalker und Mörder ihres Vaters. Matt erhofft sich durch das Verhör von Potters Cookie einen guten Deal mit der Polizei, wird aber letztendlich von der kompletten Gesellschaft geblockt.

Bewertung:

Weiße Weihnachten zeigt besser als jede andere Black Mirror-Folge, wie die Gesellschaft aufgrund falscher Hoffnungen Technologie missbrauchen kann. Die drei Geschichten werden kongenial in einer 70-minütigen Mindfuck-Episode verbunden, die genug Stoff für einen Kinofilm liefert. Hier kommen alle Qualitäten der Serie zusammen. Intensiver, gruseliger und verstörender kann es nicht mehr werden.

3×01: ‘Abgestürzt’

Originaltitel: ‘Nosedive’

Gesellschaftliche Themen: Selbstdarstellung, “Like”-Gier, Sozialer Status, virtuelle Doppelleben
Technologische Themen: Macht von Social Media, Bewertungskultur

Darum geht’s:

Lacie (Bryce Dallas Howard) lebt in einer Welt, in der Bewertungen längst nicht mehr nur auf Google getätigt werden, sondern in der sich Menschen nach jeder Begegnung mit 1 bis 5 Sternen bewerten können. Aus diesen Bewertungen errechnet sich der soziale Gesamtwert eines Menschen, der großen Einfluss auf das alltägliche Leben nimmt. Lacie tut alles für eine höhere Bewertung – aber das Schicksal hat etwas anderes vor…

Interpretation und Moral:

Abgestürzt ist eine der Black Mirror-Folgen, mit denen sich der Zuschauer schnell identifizieren kann. Letztlich wird das trügerische und längst bekannte Konzept “Du bist nur so viel wert, wie deine Facebook-Likes” in die Realität übertragen und spielt gekonnt aus, wie sich die Menschen in ihrer Unsicherheit in die Knechtschaft eines Bewertungssystems begeben.

Von Authentizität kann man hier längst nicht mehr sprechen – ebenfalls ein Aspekt, dem der Zuschauer im Hinblick auf unsere heile Instagram-Welt sehr bekannt vorkommen dürfte. Egal, was hinter den Kulissen passiert, Hauptsache, mein Leben wirkt perfekt und ich bekomme gebührend Likes dafür. Dass dieses Konzept einem irgendwann um die Ohren fliegt, dürfte den meisten insgeheim bewusst sein. In Abgestürzt wird eben dieses Szenario ausgespielt – und trifft voll ins Schwarze. Am Ende bleibt die Erkenntnis: wahre Freiheit gibt es nur dann, wenn man sich loslöst von der Bewertung anderer Menschen.

Übrigens gilt diese Folge, wie bereits Waldo, als eine wahrhaft “prophetische”: erst jüngst wurde bekanntgegeben, dass China landesweit ein soziales Punktesystem einführen wird. Je nach staatlich erfasstem Punktestatus bekommen Arbeiter zum Beispiel eine Beförderung – oder sie wird ihnen verwehrt. Der nächste Schritt der Digitalüberwachung wird somit salonfähig!

Bewertung:

Abgestürzt ist wahrlich schwer zu ertragen. Das liegt teilweise an dem unerträglich gekünstelten Verhalten der Figuren, aber auch daran, dass wir uns mit der Thematik nur allzu gut identifizieren können. Die Tatsache, dass diese Folge mittlerweile fast Realität geworden ist, macht die Angelegenheit umso schauriger.

3×02: ‘Erlebnishunger’

Originaltitel: ‘Playtest’

Gesellschaftliche Themen:Eskapismus, Risikohunger
Technologische Themen:Gaming, angewandte Neurowissenschaften

Darum geht’s:

Cooper (Wyatt Russell) flüchtet von Zuhause. Seitdem sein Vater nach einer Alzheimer-Erkrankung gestorben ist, meidet er den Kontakt zu seiner Mutter und unternimmt stattdessen eine Weltreise. Als ihm in London das Geld ausgeht, schreibt er sich als Testperson für eine neue Generation von Computerspielen ein: Spiele, die Zugriff auf seine Gedanken haben. Cooper hat keine Ahnung, auf welchen Horrortrip er sich einlässt…

Interpretation und Moral:

Erlebnishunger ist eine komplizierte Folge und wird oft falsch interpretiert – denn der gesamte Plot, den wir nach Beginn des Spieletests sehen, existiert nur in Coopers Kopf. Tatsächlich geht es also weder um Augmented Reality Gaming, noch um Spiele, die unsere größten Ängste anpeilen: Es geht um die Erforschung des Unterbewusstseins. Wir erfahren nie, was Cooper eigentlich hätte testen sollen.

Stattdessen lässt das zu testende Implantat alle Synapsen des Gehirns auflodern, wodurch Cooper in wenigen Sekunden einen vielschichtigen und tagelangen Traumzustand erlebt – etwa wie in Inception von Christopher Nolan. Dabei wird der Traum mit Erinnerungen und Eindrücken gefüttert, die Cooper im Kurz- und Langzeitgedächtnis, sowie im Unterbewusstsein abgespeichert hat. Er träumt von einem Spieletest, weil er sich zuvor als Videospieltester eingetragen hat, träumt von Personen, denen er kurz zuvor begegnet ist und konfrontiert (sich selbst) mit seinen größten Ängsten. Wer kann schon besser wissen, wie man uns die Furcht lehren kann, als wir selbst? Aus welchen Details der Albtraum von Cooper gebastelt ist, lässt sich vor allem aus den ersten 20 Minuten der Folge ableiten.

Obwohl wir den Protagonist als Adrenalinjunkie kennenlernen, bereut er den “Spieletest” sehr schnell. Wird es auch für uns irgendwann einen Zeitpunkt geben, ab dem Medien, vor allem Horror-Spiele, zu intensiv werden? Wir versprechen uns von der Flucht in Videospiele einen Adrenalinkick (z.B. mit VR-Brille), doch wann hört der Spaß auf? Schließlich ist echte Angst kein Gefühl, das wir gerne erleben. Noch setzen Computerspiele auf “Ängste” wie Zombies, Geister und Aliens und nicht auf unsere tiefsitzenden und besonders persönlichen Ängste. Coopers größte Angst ist der Kontakt zu seiner Mutter, vor der er ununterbrochen flüchtet. Letztendlich wird er mit ihr konfrontiert. Der Test endet mit Coopers Tod, der von den Testern beiläufig dokumentiert wird – ein letztes Statement, wie gefährlich angewandte Neurowissenschaften sein können.

Bewertung:

Die “Horror-Folge” Erlebnishunger ist weniger unheimlich als aufwühlend. Der letzte Twist ist einerseits intelligent und überraschend, doch andererseits zerstört er das zuvor aufgebaute Setting und gibt der ganzen Folge eine neue Prämisse (ähnlich wie in Böse Neue Welt). Damit gehört Erlebnishunger zwar nicht zu den elegantesten Folgen der Serie, lebt aber vor allem durch den intensiv spielenden Hauptcharakter.

3×03: ‘Mach, was wir sagen’

Originaltitel: ‘Shut Up and Dance’

Gesellschaftliche Themen: Erpressung, Angst vor gesellschaftlichem Ausschluss, brisante Geheimnisse
Technologische Themen: Hacking, Cyberkriminalität

Darum geht’s:

Dumm gelaufen für Kenny (Alex Lawther: The End of the F***ing World): als sich der Teenie heimlich vor einem Porno selbstbefriedigt, nehmen ihn unbekannte Hacker mit seiner Webcam auf. Die Erpressungsnachricht folgt auf dem Fuße. Wenn Kenny nicht tut, was die Erpresser sagen, wird das Video geleakt. Doch die Forderungen werden mit jedem Mal heftiger…

Interpretation und Moral:

Was für ein Albtraum! Wie würden wir damit umgehen, wenn private, intime Momente einfach so ins Netz gestellt würden? Mach, was wir sagen startet mit absolutem Kontrollverlust, nur um Stück für Stück die Schlinge noch mehr zuzuziehen. Die Angst aller Protagonisten ist förmlich spürbar. Klar, wer will schon, dass die intimsten Geheimnisse an die Öffentlichkeit geraten?

Doch Black Mirror geht hier sogar noch einen Schritt weiter. Während man anfangs noch mit Kenny und den anderen Erpressten mitfiebert, weil man sich gut in ihre Rolle hineinversetzen kann und den Verlust der Kontrolle am eigenen Leib spürt, nimmt die Geschichte einen großen Turn. Denn schlussendlich wird offenbart, dass alle Erpressten wesentlich mehr Dreck am Stecken haben, als sie bereit waren zuzugeben. Allen voran unsere Hauptfigur Kenny: denn die Videos, die sich der Jungspund reingezogen hat, waren eben nicht einfach nur normale Pornos. So leidet der Zuschauer bis zum Ende im kontrollleeren Raum mit, nur um in der letzten Szene eine Klatsche zu bekommen. Am Ende bleibt die bewusst provokante Frage: hat nicht jeder das bekommen, was er verdient hat?

Bewertung:

Was noch mit viel Identifikationsfläche anfängt, entwickelt sich rasant zu einem echten Horrortrip, bei dem man selbst nicht mehr weiß, was man denn nun fühlen soll. Mach, was wir sagen ist durchgängig spannend, denn die Folge behandelt ein sehr greifbares Thema. Jedem von uns könnte so etwas widerfahren – fraglich ist nur, ob wir alle so viel zu verbergen haben wie Kenny und Co. …

3×04: ‘San Junipero’

Originaltitel: ‘San Junipero’

Gesellschaftliche Themen: Alternde Gesellschaft, Sterbehilfe, Homosexualität, Unsterblichkeit
Technologische Themen: Virtuelle Welten, Virtuelle Kopie

Darum geht’s:

In der Kleinstadtidylle San Junipero verlieben sich in den 1980ern die zwei junge Frauen Yorkie (Mackenzie Davis) und Kelly (Gugu Mbatha-Raw) ineinander. Die Idylle währt jedoch nicht lange, denn bei San Junipero handelt es sich lediglich um eine virtuelle Projektion, die Senioren als Erholungsort und Erinnerungsstütze an ihre Jugend dienen soll.

Interpretation und Moral:

Ganz im Gegenteil zu den meisten Folgen der nahezu ausnahmslos dystopischen Serie, ist die Moral von Yorkies Geschichte weitaus positiver.

Der Konzern TCKR ermöglicht es Senioren in eine virtuelle Welt einzutauchen, die sich nahezu so anfühlt wie die Realität – nur eben ohne die Last des Alters. Das Abtauchen in die Vergangenheit soll zum Beispiel Demenzkranken helfen. Tatsächlich gibt es schon heutzutage einen ähnlichen Ansatz in der Demenztherapie. Zum Einsatz kommt dabei Musik, die mit dem Ziel eingesetzt wird, alte Erinnerungen und Fähigkeiten aus der Versenkung hervorzulocken. San Junipero geht jedoch noch weiter: Wer stirbt, kann seine virtuelle Kopie in die Kleinstadtidylle transferieren lassen – für immer.

Das bemerkenswerte an San Junperio ist, dass die Folge mit einem ungewohnten Happy End endet. Die vorgestellte Technologie wird sogar überwiegend positiv dargestellt. Schließlich wird es Menschen, die noch nicht loslassen wollen, möglich „weiterzuleben“. Wenn sie dem (virtuellen) Leben dann doch überdrüssig werden, ist es an ihnen ihren Abgang zu bestimmen.

Dennoch kommen auch Gegenargumente zur Sprache. Fraglich ist beispielsweise, ob es mit Moral und Religion vereinbar ist, dem Tod zu entfliehen. Zudem darf das Risiko nicht vergessen werden, das damit einhergeht, wenn die virtuelle Kopie eines Menschens in die Hände eines Konzerns gerät. Wie schrecklich das ausgehen kann, zeigen die Folgen Weiße Weihnachten und Black Museum.

Bewertung:

San Junipero ist eine der emotionalsten Black Mirror-Folgen überhaupt. Die tragisch-intime Lebensgeschichte von Yorkie, die bereits seit ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr querschnittsgelähmt ist, ist nicht nur elegant geschrieben, sondern auch besonders bewegend inszeniert, was der Folge 2017 unter anderem zwei Emmy Awards bescherte.

3×05: ‘Männer aus Stahl’

Originaltitel: ‘Men Against Fire’

Gesellschaftliche Themen: Genozid, Kriegsführung, Feindbilder
Technologische Themen: Augmented Reality, Neurowissenschaften

Darum geht’s:

In einer dystopischen Welt kämpft das Militär gegen Zombies, die sogenannten “Roaches”. Die Soldaten werden durch Gehirn-Implantate mit Spezialfähigkeiten ausgerüstet und mit schönen Träumen belohnt, solange sie möglichst viele Roaches töten. Als das Implantat von Soldat Stripe (Malachi Kirby) beschädigt wird, nimmt er die Welt mit ganz anderen Augen wahr…

Interpretation und Moral:

Was motiviert einen Soldaten dazu, Menschen zu töten? Patriotismus, Familie, Bezahlung – doch vor allem die Dämonisierung des Feindes. Men Against Fire ist nach dem gleichnamigen Buch von Kriegsberichterstatter S.L.A. Marshall benannt, der behauptete, dass 75% aller U.S.-Truppen im Zweiten Weltkrieg nie ihre Waffe abgefeuert hätten. Um diesem Verhalten entgegenzuwirken, schlug er in seinem Buch ein intensiveres Training für Soldaten vor, um sie für den direkten Kampf zu motivieren.

Black Mirror denkt dieses Konzept weiter und präsentiert eine Augmented-Reality-Software, die den Feind eines Soldaten als abscheuliches Monster degradiert. Aller Menschlichkeit beraubt und als monströs dargestellt, können sich Soldaten nun für das Töten Unschuldiger rechtfertigen. Nicht nur veranschaulicht diese technologische Metapher die Psychologie, mit welcher Soldaten in den Krieg geschickt werden, sie zeigt auch das Grundkonzept jedes einzelnen Genozid, der in den letzten Jahrhunderten begangen wurde. Die “Roaches” müssen als Sündenbock für die Gesellschaft herhalten, die aufgrund schlechter Gene als minderwertiger Anteil der Menschheit angesehen werden.

In Männer aus Stahl erfolgt die Dämonisierung des Sündenbocks nicht nur durch rhetorische Manipulation, sondern durch die Manipulation der subjektiven Realität mithilfe von Technologie. Sobald Soldat Stripe mit der “Wahrheit” konfrontiert wird und die menschliche Seite des Sündenbocks kennenlernt, kann er dies nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Um seine Schuld zu vergessen, lässt er sich ein neues Implantat einsetzen und seine Erinnerungen löschen. Diese Verleugnung von Fakten wird als kognitive Dissonanz bezeichnet – ein unangenehmer Gefühlszustand, der nicht mit dem Selbst vereinbar ist und deswegen ignoriert wird. Diese krankhafte Selbstgerechtigkeit wird insbesondere bei Kriegsverbrechern beobachtet. Umso gefährlicher also, wenn diese Technologie ausgerechnet vom Militär für die Desensibilisierung von Soldaten verwendet wird.

Bewertung:

Männer aus Stahl sieht verdammt gut aus und hat eine interessante Prämisse. Allerdings gibt die Folge ihren großen Plot Twist schon viel zu früh preis, wodurch keine echte Spannung aufkommen will. Bis auf Michael Kelly bleibt der Cast eher blass, die letzten zehn Minuten fahren dennoch zu einem emotionalen Höhepunkt auf.

3×06: ‘Von allen gehasst’

Originaltitel: ‘Hated in the Nation’

Gesellschaftliche Themen: Macht von Social Media,Cyberbullying, Hass- und Rachekultur
Technologische Themen: Hacking, Drohnen, künstlicher Ersatz von Bienen aufgrund Insektensterben

Darum geht’s:

Die abgeklärte Polizistin Karin Parke (Kelly Macdonald) ermittelt in einem Fall, bei dem eine Autorin umgebracht wurde, kurz nachdem sie sich mit einem heftigen Onlineartikel unbeliebt gemacht hat. Schnell kommt heraus, dass Internetnutzer unter dem Hashtag #deathto online abstimmen können, wer als nächstes stirbt. Doch wer ist jetzt der eigentliche Mörder? Und was sind seine wahren Intentionen?

Interpretation und Moral:

Die in Spielfilmlänge erzählte Folge Von allen gehasst greift gleich mehrere Themen auf, die unheimlich relevant sind. Einerseits wird unsere heute schon gut ersichtliche Online-Hasskultur auf die Spitze getrieben. Hier geschieht nicht nur Cyberbullying, sondern regelrechtes Cyberkilling! In der Anonymität seines Onlineprofiles ist es eben einfach, Leute zu kritisieren. Black Mirror treibt den digital vorherrschenden Argwohn auf die Spitze, bei dem im Schlussakt eben jene Hater zum Ziel eines gigantischen Massenmordes werden. So konsequent war bisher kaum eine Folge!

Dieses Thema wird zusätzlich in einer Zukunftsvision platziert, für die man sich auch Gedanken zu unserer Umwelt gemacht hat. Denn hier wurden die ausgestorbenen Bienenvölker durch kleine Roboterbienen ersetzt, die nun künstlich die Blüten bestäuben. Was anfangs noch wie eine etwas überspitzte Dystopie klingt, ist letztlich gar nicht so weit hergeholt: eine Langzeitstudie hat belegt, dass mittlerweile 75% weniger Insekten in Deutschland leben. Forscher vermuten, dass viele Bienenvölker bis 2040 komplett ausgestorben sind. In China summt in manchen Obstanbaugebieten keine Biene mehr. Stattdessen werden die Blüten in kräftezehrender Arbeit von Menschen per Hand bestäubt. Hut ab vor den Machern dieser Folge, die gleich mehrere Dystopien vereint haben.

Bewertung:

Von allen gehasst verbindet mehrere Zukunftsszenarien stimmig zu einem spannenden Krimi. Während der Aspekt des Hasskultur im Netz in seiner Aktualität drastisch und mit aller gewaltigen Konsequenz behandelt wird, ist es zudem auch der unaufdringlich kritische Kommentar zum Insektensterben, der die Folge so herausragend macht.

4×01: ‘USS Callister’

Originaltitel: ‘USS Callister’

Gesellschaftliche Themen: Machtmissbrauch, Mobbing, Eskapismus
Technologische Themen: Gaming, Virtual Reality, DNA-Klone

Darum geht’s:

Ein genialer Programmierer (Jesse Plemons: Bridge of Spies, Breaking Bad) eines immersiven Science-Fiction-Computerspiels wird auf der Arbeit gemobbt. Darum flüchtet er täglich in seine eigene modifizierte Spielewelt, in der er der allmächtige Captain des Raumschiffs “USS Callister” ist. Die Besatzung besteht aus virtuellen DNA-Klonen seiner Arbeitskollegen, die Tag für Tag von ihrem Captain tyrannisiert werden…

Die Moral:

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Mobbing und Realitätsflucht durch Computerspiele? Schließlich kann man in virtuellen Welten konsequenzlos seine Fantasien ausleben. Doch sobald Gaming so echt und immersiv wird, dass es praktisch keinen Unterschied mehr zur Realität gibt, bröckelt auch die Moral. Robert nutzt das mit virtuellen Klonen angereicherte Spiel aus, um seine Machtfantasien auszuleben. Besonders verstörend ist, dass dieser Sadismus im Rahmen einer unschuldigen „Nerd-Fantasie“ stattfindet. Im Gegensatz zur Folge Erlebnishunger, die sich zwar auch um das Gaming dreht, aber etwas ganz anderes sagen möchte, ist USS Callister ein besorgter Blick in Richtung Videospiele und Eskapismus.

Bewertung:

USS Callister ist die wohl unterhaltsamste, lustigste und “größte” Folge der Serie. Effekte und visuelle Umsetzung sind beeindruckend und einem J. J. Abrams (Star Wars: Das Erwachen der Macht) absolut ebenbürtig. Dennoch schafft es die Folge nicht ganz in den Black Mirror-Himmel, da die Idee eines genetischen Klons, der sämtliche Erinnerungen des Originals besitzt, arg unrealistisch und mehr wie ein Plot-Device wirkt. Aber vielleicht gibt es ja doch Erinnerungen in unserer DNA. Assassin’s Creed, anyone?

4×02: ‘Arkangel’

Originaltitel: ‘Arkangel’

Gesellschaftliche Themen: Erziehung, Elterliche Begleitung, Gewalt, Kontrolle
Technologische Themen: Augmented Reality, Zensur, Geo-Fencing

Darum geht’s:

Als die kleine Sara beim Spielen kurzzeitig verloren geht, beschließt ihre Mutter (Rosemarie DeWitt), Testpersonen des Arkangel-Programms zu werden. Sara bekommt einen Chip implantiert, der sie rund um die Uhr lokalisiert, überwacht und vor expliziten Eindrücken schützt. Doch als Sara älter wird, stellt Arkangel ein immer größeres Problem dar…

Interpretation und Moral:

Die moderne Welt scheint für Kinder immer gefährlicher zu werden – so sehen das zumindest die Eltern. Tatsächlich sind Apps, mit denen sich der Standort des eigenen Kindes ganz schnell ermitteln lässt, keine Besonderheit mehr. Das klingt an sich auch vernünftig. Aber wie bei Black Mirror üblich, wird der Spieß umgedreht: Durch die strikte elterliche Überwachung und die anhaltende Zensur von Gewalt, fehlt es Sara an Erfahrung und Vernunft – sie wird umso neugieriger für verbotene Dinge. Letztendlich erreicht die Mutter genau das Gegenteil von dem, was sie sich eigentlich durch ihren Kontrollwahn erhoffte: Sie verliert ihre Tochter, die sich mit wortwörtlicher Gewalt aus der mütterlichen Überwachung befreit. Besonders böse: Sara bemerkt nicht, dass sie ihrer Mutter den Kopf einschlägt, da der Arkangel-Chip den Anblick der Tat zensiert.

Bewertung:

Arkangel ist eine ruhige, aber klassische Black Mirror-Folge mit einem frischen Indie-Film-Vibe. Dementsprechend ist die Intensität der Geschichte nicht ganz so hoch, wie man es von anderen Folgen gewöhnt ist, doch die Aussage ist präzise und wird hervorragend von Jodie Fosters lebendiger Regie getragen.

4×03: ‘Krokodil’

Originaltitel: ‘Crocodile’

Gesellschaftliche Themen: Mord, Egomanie, Überwachung, Privatheit
Technologische Themen: Kognitions- und Neurowissenschaften, Autonomes Fahren

Darum geht’s:

Mia (Andrea Riseborough) ist unfreiwilliger Zeuge eines Straßenunfalls. Anwältin Shazia (Kiran Sonia Sawar) will den Unfallhergang rekonstruieren, indem sie auf die Erinnerungen aller Augenzeugen zugreift. Doch Mia hat viele böse Gedanken zu verbergen, die keinesfalls auf einem Bildschirm visualisiert werden dürfen…

Interpretation und Moral:

Neurowissenschaftler stehen kurz davor, Gedankenströme von Lebewesen nachzuvollziehen. Auch wenn es für die komplette Visualisierung von Erinnerungen noch viel Zeit brauchen wird, ist die Vorstellung beängstigend. “Die Gedanken sind frei” wird zu einer hohlen Phrase. Sollte man wirklich in den Köpfen anderer Personen herumwühlen dürfen? Ermittlerin Shavia wurde genau das zum Verhängnis, indem sie die Geheimnisse einer Psychopathin entdeckte.

Einerseits ist es ein verlockender Gedanke, Verbrechen mit der Rekonstruktion von Erinnerungen aufzuklären, doch andererseits ist er auch der alleinige Grund für Mias Amoklauf, sämtliche potentiellen Zeugen umzubringen. Kann eine umfassende Überwachung wirklich Verbrechen verhindern? Black Mirror sagt: Nein.

Bewertung:

Krokodil Ist Black Mirror in Reinform. Das kühle Island-Setting und die düstere Geschichte machen diese Folge zu einem unangenehmen Ritt, der in ein verstörendes Blutbad mündet. Der finale Plot Twist (Ein Meerschweinchen wird Augenzeuge von Mias Mord) ist so absurd, dass man trotz der heftigen Thematik laut auflachen muss. Es ist eben doch Satire.

4×04: ‘Hang the DJ’

Originaltitel: ‘Hang the DJ’

Gesellschaftliche Themen: Partnersuche, Beziehung, Idealismus
Technologische Themen: Dating-Apps, Virtuelle Intelligenz, Algorithmen

Darum geht’s:

Frank (Joe Cole) und Amy (Georgina Campbell) werden von einem Dating-Programm zusammengebracht, das in der Gesellschaft ein obligatorischer Teil der Partnersuche geworden ist. Doch die Beiden dürfen nur 24 Stunden miteinander verbringen, bevor das Programm neue Partner vorschlägt. Auf diese Weise soll letztendlich der “perfekte Partner” gefunden werden…

Interpretation und Moral:

Partnervermittlungen haben tatsächlich Erfolg. Nach Studien lernt jeder dritte Singlebörsen-User seinen festen Partner über das Internet kennen. Doch wann sind Singlebörsen überhaupt notwendig geworden? Es scheint so, als würden wir heutzutage utopische Anforderungen an die Partnerwahl haben. Der Markt ist übersättigt und dennoch (oder gerade deswegen) unattraktiv: Keiner ist perfekt und keiner gut genug für die große Liebe – ein anderer könnte ja noch besser sein.

Hang the DJ ist eine der wenigen Black Mirror-Episoden, die tatsächlich mit einem Fünkchen Hoffnung in die Zukunft schaut: Kann uns tatsächlich der ganze lästige Findungsprozess erspart werden? Wird uns eine App irgendwann sagen, mit welchem Partner wir zu 99,8 Prozent bis ans Lebensende glücklich werden könnten?

Bewertung:

Hang the DJ ist die positivste Black Mirror-Folge mit einem euphorischen Happy End. Die Idee, dass Liebe als Wahrscheinlichkeit für eine gemeinsame Rebellionen gegen das System “operationalisiert” wird, ist schon beinahe romantisch. Frank und Amy haben eine ähnlich tolle Chemie wie Yorkie und Kelly aus San Junipero.

4×05: ‘Metallkopf’

Originaltitel: ‘Metalhead’

Gesellschaftliche Themen: Post-Apokalypse, Systemversagen
Technologische Themen: Künstliche Intelligenz, Kampfroboter

Darum geht’s:

In einer postapokalyptischen Welt bricht eine Gruppe von Überlebenden in ein Lagerhaus ein. Dort aktivieren sie aus Versehen einen Killer-Roboter, der sie unerbittlich jagt…

Interpretation und Moral:

Im Gegensatz zu anderen Black Mirror-Folgen, wird in Metalhead die Ausgangssituation kaum erklärt. Wir wissen lediglich, dass sämtliches Leben von der Erde getilgt wurde. Es liegt nahe, dass die Killer-Roboter etwas damit zu tun haben könnten. Diese erinnern stark an die vierbeinigen, stolpernden Prototypen der Boston Dynamics. Doch was hält das Militär zukünftig davon ab, diese Roboter mit Waffen zu versehen? Und was passiert, wenn ein Systemfehler dazu führt, dass die Künstliche Intelligenz von ihren “moralischen Ketten” befreit wird? Die Metapher eines losgelassenen Jagdhundes ist deshalb mehr als treffend.

Bewertung:

Metallkopf hat die dünnste Story aller Black Mirror-Folgen. Einen großen Twist gibt es nicht. Dennoch ist der 40 minütige Schwarz-Weiß-Film hochspannender Science-Fiction-Horror à la Alien und Terminator – und gerade durch seine nackte, erbarmungslose Einfachheit besonders schockierend.

4×06: ‘Black Museum’

Originaltitel: ‘Black Museum’

Gesellschaftliche Themen: Justiz, Sadismus, Menschenrechte
Technologische Themen: Virtuelle Intelligenz, Neurowissenschaften

Darum geht’s:

Als Nish (Letitia Wright) auf einem Highway der Sprit ausgeht, entdeckt sie neben einer Tankstelle das “Black Museum”. Hier werden Gegenstände und Tatwaffen ausgestellt, die Teil eines Verbrechens waren. Besitzer Rolo Hayes (Douglas Hodge) gibt Nish eine Spezialführung und erzählt drei düstere Anekdoten…

Interpretation und Moral:

Black Museum ist die erste Black Mirror-Folge, die deutliche Verbindungen zu anderen Folgen herstellt. Es gibt also doch ein übergreifendes Universum! Im Mittelpunkt steht dabei das Medtech-Unternehmen TCKR, das wir bereits in San Junipero kennengelernt haben. TCKR-Krankenhäuser bieten kostenlose Gesundheitsversorgung an, wenn man im Gegenzug neue Technologien an sich testen lässt. Dabei umgeht das Unternehmen sämtliche Menschenrechte.

Die Folge spielt dabei immer wieder mit der Doppelmoral: Das Erstellen eines Stofftiers mit dem Bewusstsein eines Menschen wurde aus ethischen Gründen verboten, doch löschen darf man das Bewusstsein nun auch nicht mehr. Ein Arzt fühlt sich mit einem Rezeptor in den Schmerz seiner Patienten ein und verkommt dabei zum notgeilen Schmerz-Junkie. Selbst “legale” Konzepte aus vorherigen Black Mirror-Folgen (z.B. White Bear) werden im Black Museum nun als illegale Verbrechen an der Menschheit ausgestellt. Gleichzeitig ist das Museum eine Pilgerstätte für Sadisten, die selbst den Hebel eines virtuellen Elektrischen Stuhls betätigen dürfen. Diese Doppelmoral ist auch Teil unserer Geschichte: Menschen erklären Dinge der Vergangenheit für illegal und begehen gleichzeitig ganz andere Verbrechen. Die Grenze der Rechtmäßigkeit ziehen wir in Wahrheit oft so, wie es uns selbst am besten passt.

Bewertung:

Black Museum ist die Zwillings-Episode zu White Christmas und die indirekte Fortsetzung von San Junipero. Die kleinen Anekdoten fließen zusammen in ein übergreifendes Story-Konstrukt, das an Ideen und Twists beinahe aus allen Nähten platzt. Gekrönt wird die Folge mit einem charismatischen Douglas Hodge als Rolo Haynes.

Special: ‘Black Mirror: Bandersnatch’

Originaltitel: ‘Bandersnatch’

Gesellschaftliche Themen: Freedom of Choice, Realitätsverlust, Eskapismus
Technologische Themen: Gaming, Interactive Storytelling

Bandersnatch hat uns so gepackt, das wir gleich einen Podcast dazu aufgenommen haben. Euch gefällt der Podcast? Lasst ein Abo da!

Darum geht’s:

Stefan (Fionn Whitehead) ist ein ambitionierter Hobby-Programmierer in den 80er-Jahren, der den Fantasy-Roman “Bandersnatch” als interaktives Videospiel umsetzen will. Ein Videospielentwickler unterstützt ihn bei der Umsetzung. Doch je mehr sich Stefan auf das Projekt einlässt, desto mehr entgleitet ihm der Sinn für Realität. Schon bald glaubt er, ebenfalls nur eine Spielfigur zu sein …

Interpretation und Moral:

Das Special Bandersnatch sorgt dafür, uns Zuschauern den Sinn für Realität und eigenen Willen zu rauben. Wir leben in einer Konsumgesellschaft, die sich in fiktive Geschichten interaktiver Medien flüchtet. Wir tauchen ab in falsche Realitäten und handeln dabei mutmaßlich aus freiem Willen. Doch wie sehr sind wir selbst nur ein PAC-Man unseres eigenen Spiels?

Bandersnatchs kongeniales Erzählkonzept verwischt die Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Dabei spielt der Film mit einer Vielzahl von Metaebenen. Während nämlich Protagonist Stefan den Sinn für Realität verliert, verlieren wir Zuschauer ihn auch. Fiktion und Realität scheinen sogar miteinander zu kommunizieren (siehe PC-Chat-Szene).

Der Film präsentiert sich als interaktives Erlebnis mit freier Handlungswahl. Doch sind wir wirklich am Steuer? Wir steuern zwar den Protagonisten des Films, schmeißen ihn in groteske Situationen und fühlen uns wie Gott; Doch sind wir auch nur Spielfiguren von Netflix, das uns durch die verschiedenen Entscheidungsoptionen des Films jagt? Letztendlich sehen wir ja auch nur das, was Netflix uns sehen lassen möchte.

Um die Metaebenen nochmals zusammenzufassen:

  1. Stefan programmiert ein interaktives Spiel und steuert dessen Handlung
  2. Stefan fühlt sich selbst als Teil eines interaktiven Films und wird gesteuert
  3. Wir selbst sind es, die Stefan durch den interaktiven Film steuern
  4. Netflix steuert uns als Spieler ihres Spiels

Verwirrt? Macht nichts, wir auch. Um dich noch mehr zu verwirren, haben wir etwas ganz besonderes für dich:

Spiel unsere INTERAKTIVE KRITIK zur interaktiven Folge ‘Bandersnatch’!

Bewertung:

Mit Bandersnatch hievt sich Black Mirror auf das nächste Level. Dieses Avantgarde-Projekt des interaktiven Storytellings wird die Serie endgültig zu einem der wichtigsten Titel der Popkultur machen. Wie gut oder schlecht Bandersnatch wirklich ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wirklich vergleichbare Werke gibt es nämlich nicht. Wie Black Mirror diesen “Mindfuck” noch überbieten möchte, bleibt abzuwarten.

5×01: ‘Striking Vipers’

Originaltitel: ‘Striking Vipers’

Gesellschaftliche Themen: Entfremdung aufgrund von Computerspielen, Homosexualität, mangelnde Kommunikation
Technologische Themen: Virtual Reality, Simulationen, Gaming

Darum geht’s:

In die Beziehung des einst quirligen Pärchens Danny (Anthony Mackie, Avengers: Endgame) und Theo (Nicole Beharie) hat sich einiges an Passivität und Leerlauf eingeschlichen. Unfähig, über seine Gefühle zu reden, flüchtet Danny in seine Gaming-Welt. Als sein alter Kumpel Karl (Yahya Abdul-Mateen II, Aquaman) mit einem neuen VR-Game um die Ecke kommt, spitzen sich die Beziehungsprobleme zu. Denn in der virtuellen Welt ist mittlerweile alles möglich…

Interpretation und Moral:

In Striking Vipers ist der Grundkonflikt nicht im technologischen Fortschritt zu suchen, sondern bei den Figuren selbst. Das macht die Auftaktfolge zur 5. Staffel zwar alltagsnäher, jedoch nicht allzu innovativ. Letztlich werden einige Themen vermischt, die für sich jedoch kaum vernünftig aufgelöst werden. Einerseits das Gaming selbst, das stellvertretend für jegliche Fluchtorte von Menschen steht, die sich aus Konflikten ziehen möchten. Dann die Virtual Reality, die auf ein wortwörtlich spürbares (und damit natürlich sexualisiertes) Level erweitert wird – und unverhofft einen Raum zu vom Alltag losgelöster Kommunikation bietet. Und ähnlich wie in der großartigen Folge San Junipero geht es auch ums Thema Homosexualität. Wobei dies weder der Hauptfokus ist, noch mit annähernd genügend Fingerspitzengefühl behandelt wird.

Die Realität kann einer Fantasiewelt – vor allem, wenn sie so unfassbar realistisch wird – nicht standhalten. Je länger sich die Protagonisten dort aufhalten, desto mehr zerbrechen die Beziehungen im echten Leben – sogar zwischen Danny und Karl selbst. Writer Charlie Brooker denkt das Konsumverhalten in Zeiten von Virtual Pornography einen Schritt weiter und macht so auch auf die körperliche Entfremdung aufgrund virtueller Räume aufmerksam – doch weder ist dieser Stoff sonderlich neu, noch bekommen die zwischenmenschlichen Konflikte in Striking Vipers genügend Raum, um wirklich ans Herz zu gehen. Zudem erlaubt sich Brooker ein durchaus fragwürdiges Ende, über das je nach Interpretation zumindest diskutiert werden darf: Wie sieht eine moderne Romanze eigentlich aus?

Bewertung:

Striking Vipers ist eine solide gespielte, optisch stark produzierte Folge, die jedoch zu viele Themen nicht konsequent zu Ende erzählt. Das Auseinanderleben der Protagonisten durch virtuelle Räume ist zwar nachvollziehbar, aber für eine Black Mirror Folge nicht gerade revolutionär. Das Ende der Folge ist diskussionswürdig, doch ärgerlicher ist viel mehr, dass der Zuschauer mit angedeuteten Charakterentwicklungen zurückgelassen wird, die den Hauptkonflikt gehörig verwässern. In Ordnung, aber holprig.

5×02: ‘Smithereens’

Originaltitel: ‘Smithereens’

Gesellschaftliche Themen: Suchtverhalten, Apathie, Schuld
Technologische Themen: Social Media, Smartphones, Datenspionage

Darum geht’s:

Chris (Andrew Scott) arbeitet als Taxifahrer in London. Doch sein eigentlicher Plan ist es, einen hochrangigen Mitarbeiter des Technologieunternehmens “Smithereens” aufzugabeln und zu kidnappen. Die Entführung gerät langsam aber sicher aus Kontrolle und zieht die Aufmerksamkeit von Polizei und sozialen Medien auf sich. Was ist Chris’ Motiv?

Interpretation und Moral:

Weltweit werden 1.6 Millionen Autounfälle im Jahr durch Handys am Steuer verursacht. Aus purer Langeweile und penetranter Gewohnheit tauschen tausende von Menschen ihre Likes gegen ihr Leben ein. Social Media macht süchtig und das Klingeln für neue Notifications triggert uns zu absoluter Gehorsamkeit. Selbst ich schaue regelmäßig auf mein Smartphone, während ich diesen Text hier zu Ende schreiben möchte. Dieses Suchtverhalten wurde für Protagonisten Chris zum Verhängnis, der seine Frau in den Tod fuhr, weil er gerade einen Kommentar unter einem Hundefoto checken wollte.

Sein darauffolgender Rückzug aus allen sozialen Medien führte dazu, dass er sich von der Gesellschaft entfremdete und sie von ihm. In Selbsthilfegruppen sucht Chris nach Erlösung von seiner Schuld. Zwar erkennt er seine Eigenverantwortung für den Unfall, doch sieht er eine Teilschuld bei den sozialen Medien selbst; genauer gesagt, beim CEO des Unternehmens Smithereens.

Um überhaupt das Gehör von Billy Bauer zu finden, sieht Chris sich dazu gezwungen, einen Mitarbeiter als Druckmittel zu entführen. Ironischerweise ist damit der Gott der sozialen Netzwerke von allen Menschen am schwersten erreichbar. Während seine Mitarbeiter innerhalb weniger Minuten alles über Chris herausfinden können und damit sogar das FBI abhängen, hat Bauer selbst genug vom Social-Media-Wahnsinn und bestätigt letztendlich auch Chris’ Kritik am System. Jede Idee, jeder technologische Fortschritt wird schamlos als Geschäftsmodell verbraucht, ohne Sinn für Verantwortung.

Durch diese Gehirnwäsche werden wir zu teilnahmslosen Smartphone-Zombies, die Push-Benachrichtigungen über Unfalltote beiläufig wegwischen, während wir gerade selbst am Steuer sitzen.

Bewertung:

Smithereens hat Andrew Scott und katapultiert sich damit aus dem Mittelmaß der selbst gesetzten Black Mirror-Standards. Der britische Schauspieler, vielen bekannt als Moriarty aus Sherlock Holmes, liefert eine unglaublich intensive Performance ab, die als beste Schauspielleistung der gesamten Serie gehandhabt werden darf. Scott hat für jede Situation ein anderes Gesicht und zerreißt seine Figur dabei in etlich viele Facetten. Ob die Folge deswegen Smithereens (Dt.: Splitter) heißt oder doch wegen des vermeintlich finalen Kopfschusses lässt sich aufgrund des offenen Endes nicht sagen. Dieses wirkt etwas gezwungen und die Story allgemein etwas dünn. Dennoch ist dieses Geiseldrama, trotz einiger Parallelen zu Der Wille des Volkes, die einzige Folge aus Staffel 5, die den Biss älterer Folgen der Serie besitzt.

5×03: ‘Rachel, Jack und Ashley Too’

Originaltitel: ‘Rachel, Jack and Ashley Too’

Gesellschaftliche Themen: Gier, Musikbranche, Stars als Unterhaltungsprodukt, Fankult
Technologische Themen: Künstliche Intelligenz, Künstliche Musik

Darum geht’s:

Rachel (Angourie Rice) ist der wohl größte Fan der Pop-Sängerin Ashley O (Miley Cyrus). Zum Geburtstag bekommt sie Ashley Too, eine der Sängerin nachempfundene sprechende Puppe, geschenkt, was Rachels rebellischer Schwester Jack (Madison Davenport) zusehends Kopfschmerzen bereitet. Währenddessen scheint Ashley der Druck der Musikbranche immer mehr Probleme zu bereiten…

Interpretation und Moral:

Rachel, Jack und Ashley Too tischt gleich mit zwei Themen auf, die heute wohl relevanter sind, als je zuvor. Auf der einen Seite präsentiert die Folge dem Publikum mit Ashley Too eine unscheinbare Puppe, die wie ein echter Mensch auf Rachel und Jack reagiert. Sie steht stellvertreten für all die Alexas, Siris und Cortanas dieser Welt und regt das Publikum zum Nachdenken an: Wieso ist die Menschheit scheinbar so heiß darauf, sich mit Robotern anstatt mit echten Menschen zu unterhalten? Da es sich bei Ashley Too um Merchandise handelt, wird ebenfalls die Frage aufgeworfen, warum wir uns lieber in Pseudo-Freundschaften mit Medienpersönlichkeiten flüchten, anstatt uns mit echten Freunden zu befassen. Wie verändert sich unser Sozialverhalten, weil wir für echte, bedeutende Begegnungen miteinander einen Ersatz über die Black Mirror in unserer Hand haben? Leider werden die beiden, sehr interessanten Ansätze innerhalb der Folge nicht weiter erforscht.

Auf der anderen Seite geht es in der finalen Episode der fünften Staffel Black Mirror um ein in der heutigen Medienlandschaft überall zu findendes Problem: Die zusehende Verformung von Menschen und Persönlichkeiten hin zu reinen, an die Masse angepassten Unterhaltungsprodukten. Dass Ashley mit YouTube-Videos ihre Karriere startete, bevor ihr die Kontrolle und Macht über ihre Kunst und schließlich auch über sich selbst immer mehr entzogen wird, zeigt, dass die Geschichte von Rachel, Jack und Ashley Too gar nicht so weit hergeholt ist. In Zeiten von YouTube, Influencern und Co. sollten wir uns öfter die Frage stellen, wie weit die Unterhaltungsindustrie Persönlichkeiten kreiert, um Geld zu verdienen und inwiefern das der Person des öffentlichen Lebens schadet.

Bewertung:

Rachel, Jack und Ashley Too macht dank der sehr interessanten Grundthematik neugierig, lässt aber aufgrund einiger schwacher Handlungsentwicklungen einiges an Potential auf dem Weg zum Abspann liegen. Miley Cyrus sticht, vielleicht gerade weil wir alle wissen, dass sie selbst mal ein Pop-Sternchen mit Perücke war, aus dem Cast heraus und beweist, dass sie nicht nur eine gute Sängerin, sondern auch eine talentierte Schauspielerin ist.

6×01: Joan Is Awful

Originaltitel: Joan Is Awful

Gesellschaftliche Themen: Persönlichkeitsrechte, Kreativität,
Technologische Themen: Streaming, Privatsphäre, Datenschutz, Kreativität, Künstliche Intelligenz

Darum geht’s:

Joan (Anny Murphy) hat eigentlich alles, was man sich so wünschen kann: Eine tolle Karriere, einen guten Job, ein wunderschönes Haus und ihren liebevollen Verlobten Krish (Avi Nash). Doch so richtig glücklich und erfüllt ist die erfolgreiche Managerin nicht, irgendwie fühlt sich ihr Leben nicht wie ihr Leben an.

Bei einem eigentlich gemütlichen Abend entdecken Joan und Krish auf dem Streamingdienst Streamberry die Serie ‚Joan Is Awful‘. Die Serie erzählt das Leben der echten Joan nahezu 1:1 nach – mit Selma Hayek in der Hauptrolle. Als die Serie Joans Leben ins Wanken bringt, macht sie sie sich auf die Suche nach Antworten und einem Weg, die Serie schnellstmöglich zu beenden.

Interpretation und Moral:

Die Geschichte von ‚Joan Is Awful‘ ist relativ simpel: Ein normaler Menschen fällt dank des Kleingedruckten einem profitgierigem Streamer zum Opfer. Die Botschaften, die Charlie Brooker mit dieser Episode mitgeben möchte, sind sehr offensichtlich: Die Erfüllung wartet nicht in der profitorientierten Fließbandproduktion von den immer gleich anmutenden kreativen Werken, sondern in der Welt fernab von TV, Streaming und Co. Und die Gefahr, die in Zeiten von KIs, Deepfakes, immer komplizierteren Geschäftsbedingungen und Co. für den Menschen, die Persönlichkeitsrechte und die Gesellschaft ausgeht, lässt sich noch gar nicht so richtig greifen. Ohne Zweifel zwei spannende und aktuelle Fragen, zu deren Antworten die erste Folge der sechsten Staffel wenig bis gar nichts Neues oder Interessantes beitragen kann.

Zudem drängt sich noch ein weiterer Gedanke auf: Lässt sich so eine Geschichte wirklich glaubhaft auf einer Plattform wie Netflix erzählen? Schließlich ist der Streamer eines der riesigen Medienunternehmen, dass zuletzt vor allem durch Massenkündigungen, dem reinen Fokus auf wirtschaftliche Faktoren, geschauten Minuten und Klicks, sowie der unfairen Behandlung sowie Vergütung von Kreativen Schlagzeilen machte.

Die Kritik an diesem Geschäftsmodell springt einem quasi direkt ins Gesicht, fühlt sich aber bei Netflix ein wenig Fehl am Platz, schon fast bitter-böse an.

Bewertung:

Dank eines guten Casts und vor allem dank des komödiantischen Talents von Anny Murphy kann ‚Joan is Awful‘ zumindest mit überdrehtem Schauspiel unterhalten. An die Tiefe, die ‚Black Mirror‘ einst (übrigens auch ‚leichtere‘ Episoden) auszeichnete, kommt der Auftakt der sechsten Staffel aber bei weitem nicht heran. Die Episode liefert zu wenig Neues, zu wenig Stoff zum Nachdenken und ist schlussendlich in der finalen Aussage kaum erhellend.

Obendrauf kommt dann noch die Tatsache, dass die Kritik an dem aktuellen Status der Film- und TV-Branche auf einer Plattform veröffentlicht wird, die maßgeblich zu diesem Wandel beigetragen hat. Ob das jetzt witzig-ironisch oder geschmacklos ist, muss jede:r selbst entscheiden.

6×02: Loch Henry

Originaltitel: Loch Henry

Gesellschaftliche Themen: Kehrseite von Erfolg, Leistungsgesellschaft, Sensationsgier, Faszination True-Crime
Technologische Themen: Streaming Anbieter

Darum geht’s

Die junge Filmstudentin Pia (Myha’la Herrold) besucht mit ihrem Freund und Kommilitonen Davis (Samuel Blenkin) seine Mutter (Monica Dolan) in einem verschlafenen, schottischen Städtchen. Nachdem sie erfährt, dass der Tourismus im Ort wegen eines Serienkillers namens Iain Adair eingebrochen ist, überredet sie ihn eine True-Crime Story über das Geschehene zu drehen.

Interpretation und Moral

Wir sehen junge Medienschaffende, die von einer glänzenden Zukunft im Dokumentationshimmel träumen. Selbst stehen sie noch am Anfang, würden aber alles tun, um sich selbst zu verwirklichen.

Der Weg zum Erfolg ist jedoch beschwerlich und fordert seine Opfer, wie der Protagonist Davis schließlich am eigenen Leib erfährt. Er hat sein Ziel erreicht, aber war der Preis es wert? 

Am Ende hat er der Welt eine Geschichte erzählt, die er selbst nicht verarbeitet hat. Alle feiern und sehen nur die Sensation, nicht aber die emotionalen Strapazen, die wahren Emotionen hinter diesen blutigen Fällen, die Familien der Opfer, die durch dieses Wiederaufgreifen und öffentlichen zur Schau Stellen retraumatisiert werden. True-Crime Geschichten sind echt und sind nicht dafür da, die Sensationsgier der Menschen zu befriedigen. Vielleicht sollte man anfangen, wieder sensibler mit diesen Themen umzugehen und die Menschen hinter der Story zu sehen.

Bewertung

Losgelöst von der Tatsache, dass es eine Black Mirror Episode war, kann sich die Folge sehen lassen. Der Spannungsbogen, die wunderschöne Szenerie und Charaktere tragen zu einer durchwegs unangenehmen Atmosphäre bei, die in einem schockierenden Plottwist endet, der einen nicht unberührt lässt.

Sieht man die Episode jedoch im Kontext von Black Mirror fehlt der Moment, in dem man am Ende sein eigenes Leben und Realität hinterfragt. Was die Macher:innen uns mit dieser Episode mitgeben wollten, außer spannende Momente und Unterhaltung, sowie einen Protagonisten, der einem einfach nur noch leidtut, weiß ich nicht. Hier fehlt mir leider die Black Mirror-Essenz.

06×03: Beyond The Sea

Originaltitel: Beyond The Sea

Gesellschaftliche Themen: Verlust, Rollentausch, Eifersucht, Entfremdung
Technologische Themen: Raumfahrt, Synthetisches Leben

Darum geht’s

1969: Zwei Astronauten begeben sich auf eine vier Jahre lange Reise durch das All. Um den Kontakt zu ihren Familien nicht zu verlieren, wechseln die Astronauten nach jedem verstrichenen Tag in ihre “Replikas” auf der Erde, synthetische Versionen ihrer Selbst, um am Leben Zuhause weiterhin teilhaben zu können.

Als eines Tages Astronaut David (Josh Hartnett) mit seinem Replika mitten in ein katastrophales Familiendrama gerät und sein synthetisches Selbst zerstört wird, bietet sein Kollege Cliff (Aaron Paul) ihm an, hin und wieder seinen eigenen Replika nutzen zu dürfen. Doch der Akt der Freundschaft tritt eine folgenschwere Fehde zwischen den beiden Männern los.

Interpretation und Moral

Beyond the Sea fokussiert sich – wie die meisten anderen Folgen der sechsten Staffel – weniger auf die Perversion moderner Technologie, sondern auf eine gesellschaftliche Allegorie. Was bedeutet es, in der Haut eines anderen zu stecken? Wie füllt man das Loch im Leben eines Menschen, die alles verloren hat?

Zwischen den beiden Protagonisten entsteht eine toxische Spannung; während Cliff zunächst aus reiner Nächstenliebe handelt und mit seinem Partner sein “Leben” teilt, entsteht schnell eine Eifersucht, die in beide Richtungen geht. Neid steht auf der einen Seite, Verlustangst auf der anderen. David hält Cliff für unwürdig, solch ein romantisches Familienleben zu haben und verwechselt die wachsende Distanz zwischen ihm und seiner Frau mit einer Ehekrise. Auf der anderen Seite sieht sich Cliff gezwungen, mit aggressiver Reviermarkierung seine Familie vor einem selbst eingeladenen Parasiten zu schützen. Doch was Cliff übersieht: Ein Mensch, der nichts mehr zu verlieren hat, ist gefährlich.

Die Allegorie lässt sich auf gesellschaftliche Schichten übertragen, deren Besitz und Lebensstandard in einem kompletten Ungleichgewicht stehen. Doch wie sich diese Spannung lösen lässt, will Beyond The Sea nicht beantworten. Wie die meisten Folgen von Black Mirror, zeichnet die Serie hier ein expressionistisches Gemälde einer vorhandenen IST-Situation.

Bewertung:

Beyond The Sea ist trotz einiger Längen und vorhersehbaren Wendungen eine packende Geschichte, die zu Black Mirrors filmischsten und gleichzeitig persönlichsten Episoden gehört. Aaron Paul und Josh Harnett in den Hauptrollen meistern ihre herausfordernden Rollen mit Bravour. So hat man beispielsweise zu jedem Zeitpunkt, wenn David in den Replika von Cliff schlüpft das Gefühl, einen anderen Charakter zu sehen. Zwar ist Beyond The Sea mit seiner Aussage nicht so treffsicher und zeitgenössisch wie die besten Episoden der Serie, doch sie bildet das klare Highlight der sechsten Staffel.

06×04: Mazey Day

Originaltitel: Mazey Day

Gesellschaftliche Themen: Sensationsgier, Leistungsgesellschaft, Entmenschlichung für Profit, Egoismus
Technologische Themen: Medienunternehmen

Darum geht’s

Mit einer Kamera bewaffnet lauert Bo (Zazie Beetz) Promis auf und macht ihnen Blitzlichtgewitter das Leben schwer. Als sie ihre Arbeit, trotz guter Bezahlung, moralisch nicht mehr vertreten kann, will sie aussteigen.

Als ihr jedoch 30k angeboten werden, für ein Bild der untergetauchten Mazey Day (Clara Rugaard), kann sie nicht widerstehen. Was sie auffindet, toppt alles, was sie je mit ihrer Linse aufgenommen hat.

Interpretation und Moral

Wie verdienen wir unser Geld? Für wen arbeiten wir? Was bedeutet mein Erfolg für das Leben einer anderen Person?

Paparazzis sind eigentlich nur eine ausführende Masse für ein kaputtes, menschenverachtendes System, das unter der schimmernden Fassade der Medien immer mehr durchscheint. Privatsphäre wird immer weniger. Man muss kein Promi sein, um das zu spüren. 

Die Protagonistin Bo gibt sich im Verlauf der Folge, ihrer Moral zu Trotz, immer mehr dem System hin, der Star Mazey Day geht immer mehr in diesem zu Bruch. Beide haben eine Schattenseite, aber auch eine mehr oder weniger nachvollziehbare Gründe für ihre Handlungen und beide sind auf ihre Art und Weise Opfer des kapitalistischen Systems, für das sie nichts weiter als Schachfiguren sind. 

Bewertung

Mazey Day ist eine sehr durchwachsene Folge. Das Paparazzi Thema wurde gut aufgenommen, Bo wurde sehr gut inszeniert und von Zazie Beetz gespielt. Auch in den Dialogen wurden Verweise auf Rassismus und Klassismus gekonnt eingebracht.

Doch zwei Entscheidungen kann und will ich auch nicht verstehen: die Zeit, in der die Folge spielt und die Auflösung.

An keinem Punkt ist hier eine Zukunftsvision zu sehen, die Handlung findet ohne ersichtlichen Grund in den 2000ern statt und anstelle von Sci-Fi finden sich hier willkürliche Fantasy Elemente. Es kann sein, dass ich die Episode nicht richtig verstanden habe, aber auch hier gibt mir die Folge kein Black Mirror-Feeling und auch keinen Anreiz, über die Folge hinaus noch Gedanken daran zu verschwenden. Enttäuschend.

06×05: Demon 79

Originaltitel: Demon 79

Gesellschaftliche Themen: Geisteskrankheit, Ohnmacht, Krieg
Technologische Themen:

Darum geht’s

Needa (Anjana Vasan) lebt ein normales Leben im England der 70er Jahre, bis sie ein Dämon in Gestalt ihres Lieblings-Musikers heimsucht. Sie wird dazu genötigt, drei Morde zu begehen, da ansonsten ein verheerender Atomkrieg ausbrechen wird.

Interpretation und Moral

Demon 79 fällt aus dem Raster. Als bisher einzige Episode der Serie, wird der Film unter dem Titel “Red Mirror” geführt. Damit distanziert sich Autor Charlie Brooker von der bisherigen Formel der Serie, technologische Themen mit böser Satire zu behandeln.

Stattdessen entpuppt sich Demon 79 als nostalgischer Horrorfilm mit britisch-schwarzem Humor. Protagonisten Needa scheint eine aktive Psychose zu durchleben, wobei die geistige Krankheit nie wirklich bestätigt oder ausgeschlossen wird. Allerdings erfüllt der Kontakt mit dem Dämon alle Kriterien des Krankheitsbildes: Befehlende Stimmen, Halluzinationen und eine verzerrte Wahrnehmung von Ursache und Wirkung.

So schafft es der Dämon Gaap, schrullig verkörpert von Paapa Essiedu, Needa einzureden, dass ihr Handeln oder Nicht-Handeln in direkter Korrelation mit einem drohenden Atomkrieg stünde. Das ist eine Referenz zu der tatsächlich existierenden “Atomangst” der 70er und 80er Jahre in Großbrittanien, da weltweite Spannungen zu eskalieren drohten. Ein Gefühl der Ohnmacht und der Machtlosigkeit hielt die Bevölkerung fest im Griff. Eben dieser Wunsch nach Kontrolle und Frieden, der jedoch nicht in der Macht des kleinen Bürgers stand, wird mit dem Thema der Schizophrenie aufgelöst. Es scheint nämlich keine Möglichkeit zu geben, auf dem Spielfeld der ganz Großen mitspielen zu können, weshalb die Verbindung zwischen dem eigenen Tun und einem Atomkrieg bloß als geisteskrank abgewertet werden kann.

Darüber hinaus stellt Demon 79 moralische Fragen, wie z.B. die Rechtfertigung zum Mord. Sollte einem das Töten leichter fallen, mit dem Hintergedanken, dass es das Opfer vielleicht verdient hätte? Die Antwort auf diese Frage wird mit der fortschreitenden Geschichte ins Absurde geführt und mit schwarzem Humor satirisch beantwortet.

Bewertung

Demon 79 ist auf den ersten Blick ein befremdliches Kapitel der Serie. Die Entscheidung, von der noch lange nicht verbrauchten Formel der Geschichten abzuweichen, erscheint fragwürdig. Doch für sich allein betrachtet ist Demon 79 ein nostalgischer und gleichermaßen unterhaltsamer Fiebertraum durch die Psyche eines kranken Individuums. Ob sich “Red Mirror” als Spin-Off zu “Black Mirror” behaupten kann, wage ich jedoch zu bezweifeln.

Fazit

9.2/10
Meisterwerk
Community-Rating: (6 Votes)
Handlung 9.5/10
Spannung 9/10
Visuelle Umsetzung 9/10
Tiefgang 9.5/10
Schauspieler 9/10
Details:

Artikel vom 18. Juni 2023

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