Kritik: Imperium (2016)
WENN DAS DUMBLEDORE WÜSSTE!
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Mehre Behälter mit radioaktivem Sprengstoff sind aus einer Forschungseinrichtung entwendet worden. Die FBI-Führung geht davon aus, dass islamistische Terroristen hinter der Tat stecken. Agentin Angela Zamparo (Toni Collette) sieht das anders: Sie verdächtigt die amerikanische Neonazi-Szene. Um mögliche Anschlagspläne aufzudecken braucht sie einen Undercover-Agenten. Der FBI-Neuling und Außenseiter Nate Foster (Daniel Radcliffe: Harry Potter, Swiss Army Man) scheint der Richtige für den Job zu sein.
Mit rasiertem Schädel, Nazi-Tattoo und Springerstiefeln stürzt sich der eifrige Neuling auf die gefährliche Mission. Ganz getreu der Message des Films:
„For evil to triumph, it only takes good men to do nothing“
‘Imperium’ zitiert den Philosophen Edmund Burke
Auf seiner Expedition ins Nazi-Land arbeitet er sich bis an die Spitze der Bewegung hoch und entdeckt erschreckende Machenschaften – muss aber stets fürchten, dass seine Tarnung auffliegt.
Noch nichts vom neuesten Radcliffe-Film gehört? Kein Wunder. In die deutschen Kinosäle hat es Imperium (2016)nicht geschafft. Warum das so ist? Ein öffentliches Statement dazu gibt es nicht, aber offenbar hat sich kein Filmverleih gefunden, der den brisanten Neonazi-Thriller veröffentlichen wollte. Stattdessen gibt es lediglich einen DVD-Release – pünktlich zur besinnlichen Weihnachtszeit: 9. Dezember 2016.
Besinnlich ist Imperium natürlich nicht. Brenzlig, brachial und brisant aber schon. Brutal, jedoch weniger – ganz anders, als es einen der packende Trailer glauben macht. Und da wären wir auch schon beim Problem des Films.
Imperium ist nicht der erste Film über die US-Neonazi-Szene. American History X ist sicher der prominenteste Vertreter der Thematik. Was der Thriller mit Edward Norton hat, und was Imperium fehlt, ist das Gefühl von Bedrohung und Brutalität. Regisseur Daniel Ragussis zeichnet in seinem Regie-Debut zwar das detaillierte Bild einer in verschiedene Gruppierungen zersplitterten Neonazi-Szene, die jeweils unterschiedlich abschreckende Ziele ansteuert, was er aber nicht zeigt, ist wie die Extremisten wirklich übergriffig werden. Tatsächlich wird vor allem – geredet.
Mit „Reden“ habe ich erst mal gar kein Problem. Ein stumpfer Auf-Die-Fresse-Nazi-Film wäre umso schlimmer. Schade ist jedoch, dass Imperium Potenzial verspielt. Es wird von großen Plänen nur geredet. Wirklich in die Tat umgesetzt wird erst mal nichts. Vermöbelt, ermordet oder sonst wie misshandelt wird quasi keiner, was die Bedrohung, die von den Nazi-Terroristen ausgeht, zu abstrakt, ja fast langweilig, wirken lässt. Ein schockierendes Ereignis zu Beginn der Handlung – bspw. eine Straftat, die Agent Foster als Loyalitätsbeweis zu vollziehen hat – hätte der Handlung mehr Druck und Drive gegeben.
Was Regisseur Daniel Ragussis mit seinem Regie-Debut erreichen will, ist klar: ein Film, der die Baseball-Schläger-Nazi-Klischees hinter sich lässt und hinter die Fassade – besser: unter die Glatze – schaut. Guter Ansatz. Klappt aber nicht ganz.
Stattdessen arbeitet sich Nate Foster, der FBI-Agent auf Undercover-Mission, erst mal hoch: von biertrinkenden Nazi-Skins, über Paramilitärs bis hin zu intellektuellen White Supremacists (u.a. Sam Trammell, Tracy Letts, Burn Gorman), die sich Amerika in etwa so vorstellen, wie es The Man in the High Castle illustriert. Jeder Gruppe gebührt jeweils ein „Kapitel“ der Story – nach ihrem Part verschwinden sie wieder. Die Folge: Es bleibt nicht genug Zeit, um mit den einzelnen Extremisten „warm“ zu werden. Weder empfinde ich Sympathien für sie, noch kann ich sie gänzlich hassen.
Ex-Agent Michael German, auf dessen Erfahrung der Film basiert, mag das so erlebt haben, ein Thriller braucht jedoch mehr Dramatik.
Für den richtigen Hauptdarsteller ist jedoch gesorgt. Nach seiner grandiosen Leistung als furzende Leiche in Swiss Army Man und einem kurzen, aber prägnanten Auftritt in Die Unfassbaren 2, ist Imperium (2016) bereits der dritte, dieses Jahr veröffentlichte Film mit Daniel Radcliffe.
Der Darsteller, der als Harry Potter schon früh zu Weltruhm gelangte, spielt Nate Foster hingebungsvoll und mit überraschend ausdrucksstarker physischer Präsens. Es versetzt mir einen Stich, zu sehen, wie Radcliffe mit kalten Augen zum Hitlergruß ausholt und schneidig mit gestrecktem Arm die Luft entzwei teilt. Gänsehaut. Auch Radcliffe scheint von seiner eigenen Darstellung angewidert gewesen zu sein: am Filmset entschuldigte er sich fortwährend für die Nazi-Parolen, die ihm das Drehbuch vorgab, wie das Filmmagazin Cinemablend berichtet.
Auch die erdrückenden Momente, in denen Undercover-Agent Foster mit der Angst, enttarnt zu werden kämpft, spult Radcliffe sicher runter. Unterstrichen wird seine Performance von einem schockierenden Make-Over: einer rasierten Glatze. Sein nackter Schädel, die klobigen Springerstiefel und die massigen, mit Nazi-Symbolen tätowierten Faschos um ihn herum, verleihen der Rolle etwas hoffnungsloses – fast lebensmüdes, was wiederum fesselt. Ein Ausweg scheint es für den schlauen Schmalhans Nate Foster nicht zu geben. Ich fiebere dem Ende entgegen.
Und das Ende kommt. Aber anders als gehofft. Der Showdown ist so schnell vorüber, wie er gekommen ist. „War’s das?“, denke ich. Der Abspann beginnt zu Rollen. Verdammt. Statt einem lauten Kawoom, der das Drama rund gemacht hätte, gibt es höchstens einen Knallfrosch, der müde glimmend erlischt. Das Finale von Imperium fühlt sich an wie Jahresende ohne Feuerwerk. Enttäuschend.
Imperium hätte beherrschend sein können, verspielt aber Potenzial. Unscharfe Antagonisten, eine geradlinige Handlung mit einem mauen Showdown verhindern, dass der Neonazi-Thriller gänzlich unter die Haut geht. Das Risiko, dem sich FBI-Agent Nate Foster bei seiner Undercover-Mission als Neonazi aussetzt, bleibt abstrakt und hätte spannender inszeniert werden können. Dennoch punktet das Regie-Debut von Daniel Ragussis mit solider Spannung, einem brisanten Thema und einem großartigen Daniel Radcliffe, der seine Karriere auf ein neues Level hebt. Imperium ist ein klarer Trenner. Seine Jugendkarriere als netter Zauberjüngling ist vorbei. Daniel Radcliffe ist reif für die harten, die düsteren, die spannenden Rollen. Liebe Hollywood-Produzenten: Besetzt ihn weiterhin!
Artikel vom 6. Dezember 2016
Ich fand es ehrlich gesagt sehr angenehm Daniel Radcliffe mal in einer etwas anderen Rolle zu sehen, einer radikaleren Rolle, wenn dem Film auch an Tiefgang fehlt. Ich hätte mir gewünscht, dass er sich irgendwann der Gruppe dazugehörig fühlt, leider blieb das aus, war aber insgesamt, wie ich finde, ein guter und sehenswerter Film.
Hi, danke für deinen Kommentar. Du bringst es ziemlich auf den Punkt. Ich denke auch, dass leider keine wirkliche Beziehung (inkl. daraus resultierendem starken moralischen Konflikt) zwischen Daniel und den Nazis aufkommt. Das Problem daran ist, dass dadurch kein starker moralischer Konflikt entsteht, was dem Film an Potential raubt. Schade drum.