8.3/10

Kritik: The Apprentice

GREAT GUY, TERRIFIC GUY

Genres: Biografie, Startdatum: 11.10.2024

Interessante Fakten für…

  • Der Kinostart musste über Crowdfunding finanziert werden, da sich aus Angst vor juristischen Konsequenzen Donald Trumps kein Verleiher finden ließ.
  • Gabriel Sherman arbeitete erstmals 2018 am Drehbuch, nachdem er in der Nachbearbeitung des Wahlkampfes 2016 diese Geschichte entdeckt hatte.

Hier gibt es keine Witze über Frisuren, orange Haut oder kleine Hände – und das ist gut so. “The Apprentice” ist die intelligenteste Trump-Parodie bisher. Der Film entschlüsselt die Philosophie des Machtmenschen, der das Oval Office beziehen wird.

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

New York City durchlebt in den 1970ern schwere Zeiten, doch der aufstrebende Immobilieninvestor Donald Trump (Sebastian Stan) glaubt an eine Rückkehr zu altem Glanz durch Luxusbauten. Das nötige Kleingeld hat er von seinem strengen Vater (Martin Donovan), doch im Business gilt es vor allem, Genehmigungen und Steuererlässe zu bekommen. Als Trump den Anwalt und selbsterklärten Patrioten Roy Cohn (Jeremy Strong) kennenlernt, verwandelt diese Begegnung den jungen Playboy zum Immobilienhai. Von Cohn lernt er, Menschen, Behörden, Gesetze und die Wahrheit so zu bearbeiten, dass sie für seine Zwecke arbeiten. Es folgt der Aufstieg eines Manipulators, der in den 1980ern auch über politische Ambitionen nachzudenken beginnt.

Metropole im Wandel

Die Ironie dieser Tage ist schwer auszuhalten. Donald Trump hat seinen Platz auf der politischen Weltbühne zurückerobert und wir alle müssen diesen Fakt akzeptieren und einen diplomatischen Umgang finden. Ausgerechnet gegenüber einem Menschen, für den Fakten und Diplomatie entfernte Bekannte sind. Wie aus dem jungen Immobilienmogul der manipulative Machtmensch wurde, erzählt Ali Abbasi in diesem hervorragenden Biopic, welches durch seinen Blickwinkel nicht nur nacherzählt, sondern versucht, die Spuren der Philosophie Trumps zu erforschen.

Seine Karriere beginnt im New York City der 1970er Jahre, dieser charmant rauen Metropole, in der quasi jede Grußformel mit “Hey, fuck you!” erwidert werden kann. Es ist die Welt von Shaft und dem Taxi Driver: Gewalt, Drogen, zugenagelte Fenster. Aus dieser dunklen, lebenskräftigen Stadt steigt ein Mann empor, der an ihre Zukunft glaubt. Trump will bauen, er glaubt an seine Projekte und seinen Erfolg, er umwirbt Architekten, er geht im Hochhaus von Tür zu Tür, um Mietzahlungen einzukassieren. Narzissmus und Überheblichkeit sind im Kern vorhanden, doch treibt ihn vor allem der Wille, seinen Vater und andere Vorbilder zu beeindrucken. Diese Szenen lassen uns fast an ein unschuldiges Märchen von einem New Yorker Hustler glauben.

Bossaura

Doch mit dem Auftritt Roy Cohns ändert sich die Stoßrichtung des Films grundlegend. Die phänomenale schauspielerische Leistung Jeremy Strongs trägt das Unheil in jeder Silbe, jedem Nicken. Er wird zum Mephisto auf Trumps Schulter. In den ersten Wochen des “Praktikums” ergießt sich ein Schwall von Lebensweisheiten und Erfolgsregeln. Hypermaskuline Selbstoptimierungs-Phrasen, mit denen noch heute Menschen wie Andrew Tate oder Kollegah Geld machen.

Es geht um “Killerinstinkte”, “Gewinnerhandschläge” und Dominanzverhalten. In diesen Momenten beginnt die Werdung des neuen Donald Trump. Unheimlich vertraut klingen diese Prinzipien, die dem Schützling eingetrichtert werden. Die drei goldenen Regeln seines Mentors sind Trump in Fleisch und Blut übergegangen, wie jeder bemerkt, der den Werdegang des Präsidenten verfolgte:

„1. Attack, Attack, Attack.
2. Admit nothing. Deny everything.
3. Never admit defeat.“

Roy Cohn in The Apprentice

Wie ein Fanatiker in der Ausbildung hängt Trump an den Lippen seines Vorbilds. Doch während man sich noch fragt, welchen Preis dieser Pakt mit dem Teufel hat, beginnt sich das Gleichgewicht zu verschieben. Dass Donald Trump im Laufe seiner Karriere immer wieder einflussreiche Mitarbeiter feuert, wirkt häufig impulsiv und unüberlegt. Doch macht The Apprentice diesen Wesenszug des Präsidenten verständlich. Er ist eine Marionette, die sich die Tricks des Spielers abguckt, um dann die Fäden zu zerschneiden und den Spieler zu feuern. Auch Cohn trifft dieses Schicksal mit voller Härte. Mit dem eigenen Killerinstinkt geschlagen, schickt Trump ihn in den Abgrund.

Jenseits der Klischees

Auch Sebastian Stans Schauspiel ist herausragend. Wenn die Oscar-Academy den Film nominiert (und das wird sie, denn nichts liebt Hollywood mehr als einen Mittelfinger in Richtung Mar-A-Lago), dann hoffentlich in den Darsteller-Kategorien. Er spielt gekonnt zurückhaltend mit dem typischen Trump-Duktus, der im Laufe der Jahre stärker wird. Dialogzeilen vom 1970er-Trump werden zu Zitaten von heute. Jenseits aller Klischees können wir den Präsidenten ganz neu kennenlernen. Er ist wie ein Pinguin, der sich in seinem Ozean (Anwaltsbüros und Meetingräumen) selbstsicher bewegt, an Land (Freizeit und Dancefloors) jedoch ungelenkt herumwatschelt.

Aus dem Streben nach Erfolg wird ein Verlangen, eine Sucht nach Erfolg. Die Verhandlungen des Films erinnern an Trumps Wahlen. Sein erster Gerichtsprozess gelingt, er ist vom Erfolg fast selbst überrascht. Danach verlangt er Erfolg und will die Möglichkeit einer Niederlage nicht in Betracht ziehen. Von Cohn lernte er “There is no truth. None of it matters, except winning”. Und so verstrickt sich der paranoide Geschäftsmann in einer Phantasiewelt, in der er allein gegen alle kämpft. Für Amerika, gegen Liberale, mit dem zerstörerischen Werkzeug, das ihm Roy Cohn in die Hände legte.

Fazit

8.3/10
Stark
Community-Rating:
Schauspiel 9/10
Spannung 7.5/10
Dialoge 8.5/10
Atmosphäre 8.5/10
Tiefgang 8/10
Details:
Regisseur: Ali Abbasi,
FSK: 12 Filmlänge: 123 Min.
Besetzung: Charlie Carrick, Jeremy Strong, Marija Bakalowa, Martin Donovan, Sebastian Stan,

Über Donald Trump ist viel gesagt worden, doch selten gehen die Kommentare über das Beschreibende hinaus. The Apprentice beobachtet den Immobilienmogul und erforscht die Philosophie, die ihn erfolgreich, aber auch brandgefährlich machte. Scharfe Dialoge, hochklassiges Schauspiel und ein zeitgenössischer Look ermöglichen eine Zeitreise. Wer den impulsiven, manipulativen und instinktgetriebenen Präsidenten in seiner zweiten Amtszeit verstehen möchte, kann sich ihm mit diesem Film annähern.

Artikel vom 13. November 2024

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