6.9/10

Kritik: The Dead don’t Hurt

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Genres: Western, Startdatum: 08.08.2024

Interessante Fakten für…

  • Dies ist bereits die zweite Regiearbeit von Schauspieler Viggo Mortensen.
  • Mortensen führte nicht nur Regie und verfasste das Drehbuch, er komponierte ebenso die Filmmusik.

Gibt es buddhistische Western? Zumindest in “The Dead don’t Hurt” heißt es: Leben bedeutet Leiden und nur das Jenseits ist schmerzlos. Viggo Mortensen liefert sein nachdenkliches Zweitwerk als Regisseur.

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Als der Westen noch wild war, gehörte Amerika Leuten wie ihm: Holger Olsen (Viggo Mortensen) ist Immigrant aus Dänemark, handwerklich geschickt und mit großem Gerechtigkeitsbewusstsein. Er bestellt sein eigenes Land und sorgt als Sheriff für Ordnung. Als er die selbstständige Vivienne (Vicky Krieps) kennenlernt, ist es Liebe auf den ersten Blick. Gemeinsam erweitern sie ihren Besitz, Vivienne findet eine Anstellung in der Stadt. Als Olsen in den Wirren des Bürgerkrieges vermisst wird, versucht sich Vivienne allein zu behaupten. Das Jahr 1860 ist keine sichere Zeit für eine alleinstehende Frau auf einer Farm.

Liebe ohne Schmetterlinge

Ein Vater und sein Sohn sind auf der Jagd. Gerade haben sie einen Vogel zum Abendessen geschossen, der kleine Vincent hält die Beute und betrachtet nachdenklich die Schusswunde. Ob es nicht wehtut? Nein, belehrt ihn sein Vater, “the dead don’t hurt”. Holger Olsen glaubt fest daran, doch im Hier und Jetzt spüren er und seine Mitmenschen noch Schmerz und Tod. Leben ist Leiden und davon hält die amerikanische Westküste der 1860er eine Menge bereit. Nach zehn Minuten ist uns der Tod bereits in mehreren bedrückenden Bildern begegnet. Die Natur, menschliche Gewalt, das Gesetz, sie alle töten und hinterlassen sie neue Schmerzen.

Olsen, wettergegerbter Däne im fortgeschrittenen Alter, begehrt gegen diese fatalistische Weltsicht auf und verliebt sich. Die selbstbewusste Vivienne hat sich gerade aus einer erstickenden Beziehung gelöst und mag den Immigranten, der sich nicht direkt in die Karten sehen lässt. In dieser Szene beginnt quasi die Mitte des Films, der Genrewechsel in harmonischere Gefilde, der zum Schwachpunkt des Films wird. Ist die Liebe zwischen Vivienne und Olsen glaubhaft? Vielleicht. Leidenschaftlich? Definitiv nein.

Liebe ist tägliche Herausforderung

Doch auch wenn solch eine Liebesgeschichte viele Male lebhafter erzählt wurde, so ist sie doch nicht vergebens. Regisseur Mortensen hatte sicherlich keine märchenhafte Romanze im Sinne und statt Funkenflug und Schmetterlingen im Bauch ist hier eher das Knistern zu spüren, das der anfänglichen Leidenschaft folgt. Das Paar steht vor den täglichen Herausforderungen des gemeinsamen Lebens, die gelöst werden wollen. Vivienne will auf eigenen Beinen stehen, Olsen hört den patriotischen Ruf der Nation. Die beiden sind Liebende, die in alle Richtungen gezogen werden und täglich neu feststellen, wo sie stehen.

In der wunderschönen Landschaft entstehen bemerkenswert zarte Bilder fast von selbst. Hier geht es weniger um endlose Weiten der Valleys und Wüsten, sondern um die fast paradiesische Heimeligkeit eines Flusslaufes und des eigenen, der Natur abgerungenen Grundstücks. Bei der stolzen Spielzeit von 129 Minuten lässt sich der Film dazu hinreißen, in dieser Harmonie zu lange zu verweilen. Langsam schleicht sich die Dramatik wieder ein, erst in Form der Einberufung von Olsen zum Bürgerkrieg. Sein anfänglicher Patriotismus wandelt sich in Ratlosigkeit. Bei der Rückkehr fällt es ihm schwer zu beschreiben, wofür er nun eigentlich gekämpft hat. Wie jeder gute Western ist auch dieser ein gleichzeitiges Erzählen und Hinterfragen des US-Mythos.

Drehbuch nicht ausgefeilt

Obwohl der Film durch diverse Zeitebenen springt und es immer leicht fällt, sich zurechtzufinden, sind die großen Abschnitte des Films doch nicht befriedigend verbunden. Der Auftakt stellt die klassischen Figuren Schurke und Sheriff auf, doch wendet sich dann der Liebesgeschichte zu. Nachdem schließlich der Schmerz wieder in die Geschichte eingezogen ist, endet der Film mit dem unvermeidlichen Finale aller Rape-and-Revenge-Thriller. Neben vielen starken Szenen gibt es jedoch auch einiges, was guten Gewissens dem Schnitt zum Opfer hätte fallen können.

Auch die Referenzen zu Jeanne d’Arc, der Kindheitsheldin von Vivienne, sind nicht eindeutig. Was haben die himmlisch inspirierte Widerstandskämpferin Jeanne und die bodenständige, unabhängige Vivienne gemeinsam – außer, dass sie, Achtung Triggerwort, “starke Frauen” sind? Den Stoff noch tiefer gestalten und gleichzeitig präziser raffen, das macht aus einem guten Film einen sehr guten. Und aus dem Schauspieler Viggo Mortensen vielleicht bald einen sehr guten Drehbuchautoren.

Fazit

6.9/10
Ganz okay
Community-Rating:
Spannung 7/10
Atmosphäre 7/10
Emotionen 6.5/10
Schauspiel 6.5/10
Visuelle Umsetzung 7.5/10
Details:
Regisseur: Viggo Mortensen,
FSK: 12 Filmlänge: 129 Min.
Besetzung: Danny Huston, Solly McLeod, Vicky Krieps, Viggo Mortensen,

Fraglos entwickelt der Film ab den ersten Momenten einen Sog, der in die Vision des Regisseurs zieht. Tod, Leid, aber auch Liebe entfalten sich auf dem Tableau. Doch fällt es der Geschichte sehr schwer, die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Zwei renommierte Stars als Leads bedeuten noch lange kein charismatisches Paar. Der Liebesgeschichte fehlt der Funkenflug und sie dominiert weite Teile des zu langen Films. Die Thriller-Elemente beeindrucken mit ihrer Rohheit und balancieren das Gesamtbild gut aus. Doch letztlich fühlt sich keiner der Erzählstränge wirklich befriedigend an.

Artikel vom 14. August 2024

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