7.2/10

Kritik: Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1

KATNISS IST NICHT KATNISS

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Genres: Abenteuer, Science Fiction, Startdatum: 20.11.2014

Interessante Fakten für…

  • Der Film ist Philip Seymour Hoffman gewidmet, der eine Woche vor Drehschluss des letzten Teils verstarb.
  • Julianne Moores Kinder, beide große Fans der Bücher, überzeugten sie davon, die Rolle der Alma Coin anzunehmen.

Tribute von Panem – Mockingjay – Teil 1 ist ein Trendfilm. Aktueller Trend ist es, einzelne Filme in mehrere Teile zu zerstückeln (Harry Potter Teil 7, Hobbit-Trilogie etc). Doch Drehbücher in die Länge zu ziehen ist tückisch. Wer schon mal Weihnachtsplätzchen gebacken hat weiß das, denn mit dem Geschichtenerzählen ist es wie mit dem Backen. Wer zu viel aus dem Teig rausholen will, der hat beim Ausrollen schnell Löcher drin oder er bekommt einen zu dünnen Teig. Wie auch immer: Irgendwann kann man halt keine gescheiten Plätzchen mehr draus machen. 

#storysüchtig #strangerthings #schwarztee

Darum geht’s

Viel passiert in dem dritten Film der Erfolgsreihe nicht. Katniss und andere mit ihr verbündete Tribute konnten nach den 75. Hungerspielen in Catching Fire der Aufsicht des diktatorisch regierenden Kapitols entfliehen. Jetzt befinden sie sich im 13. Distrikt Panems, dem Herzen der Rebellion gegen das Kapitol.

Ohne etwas zu spoilern, passiert folgendes: Katniss (Jennifer Lawrence) soll dem aufrührerischen 13. Distrikt als Gallionsfigur dienen, tut sich damit aber schwer, und weint stattdessen ziemlich viel.

Handmade Revolution – das Starter Kit

Das überraschende ist, dass die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1 gar nicht so viele Löcher hat und trotz einiger Schwächen immer noch rundum unterhaltend ist und sogar große Momente hat. Doch zuerst zu den Löchern.

Alma Coin (Julianne Moore), Präsidentin des 13. Distrikts und ihr Propaganda-Chef Plutarch Heavensbee (großartig gespielt vom leider leider leider verstorbenen Philip Seymour Hoffman) lassen so ziemlich nichts unversucht um Katniss für “die Sache” zu instrumentalisieren.

Denn, wie es Rebellen-Chefin Coin formuliert, in dieser Revolution geht es um alles. In der Handlung geht es aber so ziemlich um nichts. Okay, es gibt noch einen Handlungsstrang mit dem festgesetzten Peeta (Josh Hutcherson), aber dazu kommen wir später. Kurzum: Mockingjay 1 ist vor allem ein Handbuch für revolutionäres Revolutionsmarketing. Ein How-To-Manual wie man seine Ikone am besten in Szene setzt. Was wir gelernt haben: Feuer im Hintergrund (das Mädchen, das in Flammen steht!), Tränen in den Augen und einen knirschenden Totenschädel unter dem Stiefel. Ob das in Reallife auch klappen würde? Egal! Weiter im Text.

Praktikant Peeta

Auch Peeta Mellark macht eine Fortbildung in Sachen Marketing. Wenn Katniss eine Gallionsfigur ist, dann ist Peeta eine Marionette. Nämlich die von Präsident Snow (Donald Sutherland). Er soll, ähnlich wie schon in Catching Fire, die Bewohner Panems beruhigen und von Katniss’ Aufruf zur offenen Rebellion abraten. Wie er sich dabei macht und wie das Ganze für ihn ausgeht, verraten wir nicht.

Aber es gibt da noch etwas, dass wir an Mockingjay – Teil 1 mokieren müssen. Was ist bitte plötzlich mit Peeta und Katniss los? Zugegeben: Die zwei haben zusammen ziemlich viel durchmachen müssen. Doch, wenn sie Facebook hätten, würde ihr Beziehungsstatus höchstens “Es-ist-kompliziert” lauten.

Doch plötzlich empfindet Katniss’ gaaaaaanz viel für Peeta. Dabei hat sie ihm sonst vor allem die kalte Schulter gezeigt. Okay, ihr Sinneswandel mag begründet sein, aber muss sie den Zuschauer ernsthaft stundenlang daran erinnern, wie sehr ihr Peeta Leid tut? Mädchen tu halt was dagegen statt rumzuheulen. Das kannst du besser!

Katniss ist nicht Katniss

Halloo?! Hat jemand Katniss gesehen? Wo ist das kämpferische, das mutige und gleichzeitig so bewegend sensible Mädchen hin? Psychologisch gesehen ist es nur verständlich, dass ihre Akkus irgendwann einfach mal leer sein müssen. Doch unter dramaturgischen Gesichtspunkten ist ein Hauptdarsteller, der sich die ganze Zeit nur von untergeordneten Nebendarstellern von Handlungspunkt zu Handlungspunkt schleifen lässt, einfach langweilig. Im ersten Teil des Mockingjay-Finales fehlen mir vor allem die großen Katniss-Momente, die es besonders in The Hunger Games gab. Ich will meine Katniss zurück, die aktiv die Handlung bestimmt!

Ergo: Wer eine heldenhafte Hauptdarstellerin erwartet, wird enttäuscht. Leider schaffen es die Drehbuchschreiber nur an wenigen Stellen Szenen zu entwickeln, die Katniss Gefühlchaos offenlegen und dem Zuschauer die Chance geben, an ihrem Leid und Schmerz teilzuhaben. Die großen emotionalen Szenen des Films (die gibt es!) gehen nicht auf Katniss’ Account.

Großartiger Cast

So viel zu den Löchern im Teig. Genug gemeckert. Jetzt zu den schmackhaften Plätzchen:

Mockingjay, wie auch schon die vorherigen Panem-Filme, hat einen großartigen Cast. Jennifer Lawrence ist nach wie vor eine großartige Besetzung der Hauptrolle Katniss Everdeen. Schade nur, dass ihr die Drehbuchautoren zu wenig gute Szenen geschrieben haben. Aber ich bin optimistisch: im nächsten Film bekommen wir sicher die alte Katniss zurück.

Auch Präsident Snow spielt keine allzu große Rolle im dritten Film der Reihe. Doch trotz seiner vergleichsweise geringen Screentime, brilliert Donald Sutherland wieder einmal als Präsident Snow. Philip Seymour Hoffman verleiht mit einer wohldosierten Prise trockenen Humors der Nebenrolle des Plutarch Heavensbee großartiges Charisma. Auch Josh Hutcherson macht viel aus der Rolle des Peeta Mellark. Und dass, obwohl er den aller größten Teil des Films nur auf einem Barock-Stuhl sitzt und Interviews gibt. Mit zugeknöpftem Hemdkragen, wohlgemerkt! Am Ende des Films hat er jedoch noch einen großen Auftritt. Und den rockt er so richtig. Es läuft einem kalt den Rücken hinunter.

Gänsehaut-Faktor

Auch wenn es an der Grundhandlung Dinge auszusetzen gibt, gibt es auch absolut großartige Momente. Für Gänsehaut sorgt vor allem der Soundtrack. Das Lied The Hanging Tree, das Katniss in einem Moment der Ruhe sacht vor sich hin singt, rührt einen zu Tränen und vereint all den Schmerz und Kummer, den die unterdrückten Distrikte durch die eiserne Hand Snows und seiner “Friedenswächter” (nicht mit den Stormtroopers aus Star Wars verwechseln!) erleiden müssen. Man möchte aufspringen und sich der Revolution und dieser beeindruckend jungen Frau Katniss Everdeen anschließen.

Neben dem sorgt das mutige Volk Panems für Gänsehaut-Momente. The Hanging Tree singend erhebt es sich gegen die Besatzung durch die gesichtslosen Friedenswächter. Die gleichmäßig über die Handlung verteilten Akte des Widerstands, sorgen für eine düstere und verzweifelte Grundstimmung des Films. Jetzt versteht man wirklich, dass es um alles geht! Es ist zwar nur der Vorabend der Revolution. Doch es dämmert düster. Der Winter naht!

Fazit

7.2/10
Gut
Community-Rating: (1 Votes)
Handlung 6.5/10
Schauspieler 8/10
Tiefgang 7.5/10
Spannung 6.5/10
visuelle Umsetzung 7.5/10

Ein Action-Spektakel ist Die Tribute von Panem – Mockingjay – Teil 1 nicht. Hungerspiele gibt es keine. Eine Modeschau ist der Kinostreifen ebenfalls nicht. Was also dann? Mockingjay – Teil 1 ist der typische erste Teil eines gesplitteten Kinofinales. Wenig Handlung. Viel Dialoge. Die Handlung besinnt sich auf die Darsteller und erklärt dem Zuschauer noch einmal, warum alles so schlimm ist in Panem und warum eine Revolution von Nöten ist. Die Ruhe vor dem Sturm. Teil 1 ist eine ausführliche Einleitung für den zweiten Teil. Dennoch ist der Film nicht langweilig und macht Lust auf das große Finale. Denn die Bedrohung durch das Kapitol ist real. Der Funken der Revolution glimmt. Wir freuen uns auf die Explosion in Mockingjay – Teil 2.

Artikel vom 19. November 2015

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