Kritik: The Man in the High Castle – Staffel 3
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Nachdem zwischen den Siegermächten Deutschland und Japan ein Krieg gerade noch so abgewendet werden konnte, befinden sich die Besetzer von Nordamerika immer noch in einer angespannten Lage. Die Deutschen scheinen etwas zu verstecken – eine geheime Waffe, die den Nazis nicht nur die totale Weltherrschaft, sondern noch viel mehr versprechen würde.
Obergruppenführer John Smith (Rufus Sewell) wird für seine deeskalativen Maßnahmen im Japan-Konflikt vom neuen Führer Heinrich Himmler (Kenneth Tigar) befördert und in das geheime Projekt eingeweiht. Anscheinend haben die deutschen Wissenschaftler ein Tor zu einer anderen Welt gefunden.
Doch nicht nur die Nazis wissen darüber Bescheid. So trifft Juliana Crain (Alexa Davalos) ihre totgeglaubte Schwester Trudy (Conor Leslie) wieder. Trudy ist eine „Reisende“ und kommt eigentlich aus einer Parallelwelt. Zusammen mit dem freundlich gesinnten Handelsminister Tagomi (Cary-Hiroyuki Tagawa) gehen sie diesem Mysterium auf den Grund…
Die ersten zwei Staffeln The Man in the High Castle gaben uns keinerlei Antworten. Woher kommen die mysteriösen Filmrollen? Gibt es Parallelwelten? Das Drehbuch behandelte seine Mysterien wie Zaubertricks – zwei Staffeln fragten wir uns verdutzt, wie der Mann im hohen Schloss an seine Filmrollen kommt. Auch die Romanvorlage von Philipp K. Dick lebt von dieser kafkaesken Erzählung, die so viel offen lässt wie ein Lückentext.
Nach so viel Show und Mystery bettelt das Publikum natürlich nach Antworten, die es eigentlich gar nicht haben will. In Staffel 3 können die Drehbuchautoren dem Druck nicht mehr standhalten und verraten ihr Geheimnis – zumindest den Großteil davon. Ist das jetzt gut oder schlecht?
Es ist vor allem unvermeidbar. Eine Serie muss, im Gegensatz zu einer Zaubershow, natürlich eine progressive Geschichte erzählen. Dieser „Fluch“ betrifft fast alle Mystery-Serien, vor allem traf er Lost. Natürlich musste The Man in the High Castle nun wissenschaftliche und esoterische Antworten für die vielen Fragen auffahren, wobei die Erklärungen weder besonders wissenschaftlich, noch esoterisch sind. Die Auflösung des Mysteriums ist vor allem sehr biederes Hollywood.
Als ob von Amerikanern gespielte Nazis nicht schon genug an Steven Spielberg aus den 80er- Jahren erinnern, verwendet The Man in the High Castle sogar subtile Zitate aus Poltergeist und Indiana Jones. In Indy jagen die Nazis der Bundeslade und dem heiligen Gral hinterher; hier ist es die „Nebenwelt“. Die Mischung aus Geschichte, Fiktion und Fantasy wirkt nostalgisch, doch ebenso naiv. Wenn Nazi-Forscher (u.a. natürlich Josef Mengele) in streng geheimen Laboren an piependen Apparaturen herumwursteln, nimmt das dem Mystery aus Staffel 1 und 2 seine Unberechenbarkeit.
Tatsächlich nimmt Staffel 3 sehr viel Tempo raus. Dafür kümmert man sich nun sorgfältiger um Charaktere als jemals zuvor. Während damals vor allem Alexa Davalos als Juliana Crain zu blass für eine Hauptrolle erschien, kann sie in Staffel 3 deutlich mehr Facetten zeigen. Sie bekommt sogar einen neuen Love-Interest namens Wyatt (Jason O’Mara), ein verruchter Schmuggler, mit dem Charme eines Han Solo. Die Flirts zwischen den beiden lockern die bierernste Story sympathisch auf. Die Prise Humor tut The Man in the High Castle sehr gut.
Staffel 3 erzählt wenig Neues über die faschistische Fiktion eines besetzten Nordamerikas und dafür viel über die Charaktere, die in dieser Fiktion leben. Es geht mehr um Menschen und weniger um das „Was wäre wenn“-Gimmick der Serie. Dadurch gewinnen die neuen Folgen eine Erdung, die in den ersten zwei Staffeln langsam aufgebaut wurde. The Man in the High Castle ist in der Routine eines selbstbewussten Serienformats angekommen, das nicht mehr um sein Überleben kämpfen muss. Die Story ist etabliert und die Charaktere suchen nach der Gunst der Zuschauer – allen voran ausgerechnet einer der Obernazis…
Darsteller Rufus Sewell stiehlt mal wieder die Show. Seine Rolle als Nazi auf der Überholspur etabliert sich immer mehr als das eigentliche Zentrum der Serie. Nicht nur ist Sewells Performance charismatisch und eiskalt – sie ist vor allem menschlich und authentisch. Besonders in Staffel 3 wird klar, dass John Smith auch der Lieblingscharakter der Drehbuchautoren ist, denn so viele Schichten hat sonst keine andere Figur der Serie.
Tatsächlich ist der Nebenplot um Familie Smith der interessanteste Bestandteil der dritten Staffel. Immer mehr zeigt sich, dass die amerikanischen Vorzeige-Nazis zum Opfer der eigenen Ideologie werden. Ihr mit einer Erbkrankheit diagnostizierter Sohn Thomas wird zum Opfer der „Eugenik“ und nach seinem Freitod zu einer Märtyrerfigur des Reiches erhoben. Mister und Misses Smith läuft es eiskalt den Rücken runter, müssen jedoch den Schein wahren und weiter Nazis spielen. Die Familie mit zwei weiteren kleinen Töchtern, die sich nun ebenfalls medizinischen Tests unterziehen müssen, steht kurz vor einer Katastrophe. So tragisch die Geschichte auch ist, so bissig ist die Ironie und die unterschwellige Genugtuung. Hier findet man die wahre Substanz der Serie.
Das Finale der dritten Staffel zoomt raus aus dem Charakterdrama und liefert die schon beschriebenen Spielberg-Blockbuster-Schauwerte. Nach drei Staffeln gehört The Man in the High Caslte definitiv zu den opulenteren Serien der jüngeren On-Demand-Historie. Dennoch fehlt es dem Finale an Schlagkraft – es gibt keinen emotionalen Höhepunkt und auch keinen großen Twist. Die letzte Folge fährt direkt in eine vierte Staffel, die definitiv kommen wird. Es fühlt sich an wie ein solides Midseason-Finale, doch nach zehn Folgen Build-Up erwartet man doch etwas mehr Abschluss.
Die dritte Staffel ist gleichzeitig besser und schlechter als die vorherigen Staffeln. Starke Charaktere, allen voran Reichsmarschall John Smith, machen aus The Man in the High Castle ein ernstzunehmendes TV-Drama, das seine Figuren mit vielen Grautönen zeichnet und mit moralischen Dilemmas ausfüllt. Was die Drehbuchautoren auf der Mikroebene gewinnen, verlieren sie jedoch auf der Makroebene, denn das große Mystery um den „Mann im hohen Schloss“ ist kein wirkliches Mystery mehr. Die Auflösung wirkt erstaunlich generisch und unintelligent. Hier muss das Serienformat noch eine Balance zwischen Drama und Science-Fiction finden. Momentan sind die übernatürlichen Einschläge nämlich eher störend und lenken von den eigentlich hochinteressanten Themen der Serie ab.
Artikel vom 27. Oktober 2018
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