Die sich überschlagenden Events haben auch massive Auswirkungen auf das Familienleben der Byrdes. Zwar wird zunächst den Kindern Charlotte und Jonah nicht allzu viel Spielraum gelassen, doch die innerfamiliären Konflikte brodeln schnell. Dabei sind die teils drastischen Streitigkeiten immer nachvollziehbar und bekommen immer mehr Raum spendiert, auch wenn sich dadurch Gangster-Plot und Familienzwist gelegentlich im Weg stehen und die Spannung ein Stück weit ausbremsen.
Die Autoren legen hier einen besonderen Fokus auf Vater- und Mentorenrollen. Während Marty das Redneck Ruth Langmore unter seine Fittiche nimmt und ihr Verantwortung zuspricht, die ihr eigener Vater niemals äußern könnte, leidet Martys Sohn Jonah enorm unter dem ewig abwesenden Vater. Überhaupt ist das Ausbleiben elterlicher Liebe ein sehr präsentes Thema, das fast alle jungen Figuren enorm in ihren Entscheidungen beeinflusst. Viele dieser Momente gehen ans Herz und zahlen auf die fast schon desolate Atmosphäre der Serie ein.
Besonders spannend ist es mit anzusehen, wie sich ganz sachte gewisse Parallelen einschleichen: Marty und Wendy Byrde bekommen zunehmend Ähnlichkeiten mit den skrupellosen Drogenhändlern Jacob und Darlene Snell, obwohl man hier zunächst glaubt, klar zwischen „gut“ und „böse“ differenzieren zu können. Und auch die Kindergeneration mit Jonah und der toughen Ruth weisen im Laufe der zweiten Staffel echte Gaunerqualitäten auf. Dass diese Tatsache nicht unbedingt behaglich stimmt, erklärt sich von selbst.
Akribische Charakterstudie …
Obwohl inhaltlich wahnsinnig viel in Ozark – Staffel 2 passiert, durchlaufen nahezu alle bekannten und neuen Charaktere eine plausible und ausgiebige Entwicklung. Selbst der zuvor unterrepräsentierte Vermieter Buddy bekommt viele großartige und augenzwinkernde Momente.
Bemerkenswert ist, wie vor allem den unliebsamen Antagonisten neue Facetten zuteilwerden, die sie nochmals in etwas anderes Licht stellt. Keine Frage: der FBI-Agent Petty ist trotzdem ein Kotzbrocken. Und der knallharte Gangster Jacob Snell geht augenscheinlich locker über Leichen. Dass es gerade diese zwei Figuren sind, deren Herkunftsgeschichte den Zuschauer so eiskalt erwischen, ist ein Geniestreich der Autoren.
… mit schwachem Marty Byrde
Ruth Langmore mauserte sich schon in der ersten Staffel zu einem der spannendsten Charaktere. Was sie nun an Entwicklung und emotionalen Achterbahnfahrten durchmachen muss, ist teilweise nur schwer zu ertragen. In ihrer neuen Rolle als Ersatzmutter für ihre zwei Cousins übernimmt sie Verantwortung, lernt aus ihren Entscheidungen, kämpft mit den Konsequenzen und wird dadurch zum vielschichtigsten Charakter der zweiten Staffel.
Das komplette Gegenteil ist – leider – Marty Byrde. Seine Passivität ist zwar Teil der Inszenierung und wichtiger Aspekt der Storyline, doch manchmal macht der zwischenmenschlich ungelenke Kerl einen echt wütend. Während alle Figuren um ihn herum agieren, reagiert er nur und versucht möglich rational alles in gesunde Wege zu leiten. Man wünscht sich förmlich, dass der Nice-Guy einmal aus der Haut fährt. Dass die Autoren uns das vorenthalten, ist enorm unbefriedigend – auch, wenn sich in ihm der eigentliche Grundgedanke der Serie von Actio und Reactio vervollständigt.
Buddy: What are you going to do?
Marty: I don’t know. I’m tired of playing monkey in the middle, though.
Buddy: Yeah, well, that’s because you’re trying to please everybody, and it’s not goddamn possible. You gotta act. And let everybody else react.
Kleine Abzüge in der B-Note
So vielschichtig das Treiben auf der Leinwand des Heimkinos auch ist, einige kleine Ungereimtheiten haben sich dennoch in Ozark – Staffel 2 eingeschlichen. Damit die üppige Story schnell genug voran geht, sorgen einige Deus Ex Machina Momente für eine gelegentlich sprunghafte Entwicklung – etwa, wenn das Kartell das Auto der Snells dermaßen zusammenschießt, dabei aber ganz praktisch niemand ums Leben kommt. Konflikt etabliert, doch ohne wirkliche Konsequenz. Auch die Entscheidungen mancher Charaktere, die entweder ein wenig zu gewieft oder zu sorglos agieren, wirken etwas gewollt. Freilich fällt diese Tatsache in diesem Story-Gewicht kaum auf, da ohnehin zu wenig Zeit ist, um durchzuatmen.
Offensichtlicher wird es da beim insgesamt ernüchternden Finale. Zwar werden hier einige Handlungs- und Charakterstränge konsequent zu Ende geführt, doch so wirklich erfüllt wird das Versprechen nicht, was im Laufe von neun spannenden und teils recht brutalen Folgen aufgebaut wurde. Was dabei aber Hoffnung macht: Staffel 3 könnte einen ganz neuen, noch düsteren Ton anschlagen, der Ozark definitiv sehr gut zu Gesicht steht.
Gutes Ensemble wird von Linney und Garner an die Wand gespielt
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