8.3/10

Kritik: Ozark – Staffel 2

WENN DIE FAMILIE BEI DER GELDWÄSCHE ERTRINKT

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Genres: Drama, Krimi, Thriller, Startdatum: 31.08.2018

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Die düstere Crime-Serie ‘Ozark’ war im vergangenen Jahr zweifelsohne eine der eigenwilligsten Serien, die Netflix zu bieten hatte. Der Mix aus Verbrecher- und Familiendrama war nicht jedermanns Sache, aber versprühte eine ganz eigene, unbehagliche Atmosphäre. Kann Staffel 2 dem fulminanten Auftakt das Wasser reichen?

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Darum geht’s

Keine Verschnaufpause für Marty Byrde (Jason Bateman): Nachdem ein Verhandlungsgespräch zwischen dem Kartell-Boss Del und dem Gangster-Pärchen Jacob und Darlene Snell (Peter Mullan, Lisa Emery) aus dem Ruder gelaufen ist, muss der Gauner wider Willen erneut kopfüber ins kalte Wasser der Geldwäscherei springen. Seine Frau Wendy (stark: Laura Linney) wächst dabei über sich hinaus und entwickelt gemeinsam mit Marty neue Strategien, schmutziges Kartell-Geld durch effektive Investitionen zu säubern.

Kein einfaches Unterfangen – immerhin schnüffelt der FBI-Agent Roy Petty (Jason Butler Harner) immer noch in den Ozarks herum, während andere Gaunerbanden vom zwielichtigen Spiel der Byrdes Wind bekommen. Martys diplomatisches Geschick kommt dabei schnell an seine Grenzen…

Monumentales Storytelling

Schon die erste Staffel von Ozark war eine inhaltlich sehr vielschichtige Angelegenheit. Auch Staffel 2 geht schon nach den ersten Minuten aufs Ganze: hier jagt ein Twist den nächsten, im Minutentakt tauchen neue Pro- und Antagonisten auf der Bildfläche auf, Konflikte und dubiose Intrigen spielen die Akteure immer wieder gegeneinander aus – inhaltsleer ist Ozark – Staffel 2 definitiv nicht. Und man muss mächtig aufpassen, damit man sich im riesigen Storygeflecht nicht verirrt. Tatsächlich erinnert Ozark erstmals an die inszenatorische Komplexität von Breaking Bad.

Das Grundthema der Serie ­– Konsequenzen von Entscheidungen – wird stark weitergeführt. So planen die Byrdes beispielsweise, ein großes Casino zu bauen, um die Geldwäsche zum “legalen” Selbstläufer zu entwickeln. Dabei legen sie sich nicht nur mit dem Kansas City Mob an, sondern müssen sich auch auf politischer Ebene mit Senatoren herumschlagen, die überhaupt erst ein solches Projekt genehmigen können. Doch auch diese haben ihre eigenen Bedingungen und so müssen die Byrdes genau kalkulieren, welchem Partner sie nun notgedrungen auf den Schlips treten müssen. Das wirkt fast ein wenig wie die frühen Staffeln von House of Cards – und hält den Zuschauer über die gesamte Zeit gebannt am Bildschirm.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

In Staffel 2 treffen Familienkonflikte auf harte Drogenmachtkämpfe.

Die Familie Byrde auf einem Friedhof in Ozark Staffel 2

Die sich überschlagenden Events haben auch massive Auswirkungen auf das Familienleben der Byrdes. Zwar wird zunächst den Kindern Charlotte und Jonah nicht allzu viel Spielraum gelassen, doch die innerfamiliären Konflikte brodeln schnell. Dabei sind die teils drastischen Streitigkeiten immer nachvollziehbar und bekommen immer mehr Raum spendiert, auch wenn sich dadurch Gangster-Plot und Familienzwist gelegentlich im Weg stehen und die Spannung ein Stück weit ausbremsen.

Die Autoren legen hier einen besonderen Fokus auf Vater- und Mentorenrollen. Während Marty das Redneck Ruth Langmore unter seine Fittiche nimmt und ihr Verantwortung zuspricht, die ihr eigener Vater niemals äußern könnte, leidet Martys Sohn Jonah enorm unter dem ewig abwesenden Vater. Überhaupt ist das Ausbleiben elterlicher Liebe ein sehr präsentes Thema, das fast alle jungen Figuren enorm in ihren Entscheidungen beeinflusst. Viele dieser Momente gehen ans Herz und zahlen auf die fast schon desolate Atmosphäre der Serie ein.

Besonders spannend ist es mit anzusehen, wie sich ganz sachte gewisse Parallelen einschleichen: Marty und Wendy Byrde bekommen zunehmend Ähnlichkeiten mit den skrupellosen Drogenhändlern Jacob und Darlene Snell, obwohl man hier zunächst glaubt, klar zwischen „gut“ und „böse“ differenzieren zu können. Und auch die Kindergeneration mit Jonah und der toughen Ruth weisen im Laufe der zweiten Staffel echte Gaunerqualitäten auf. Dass diese Tatsache nicht unbedingt behaglich stimmt, erklärt sich von selbst.

Akribische Charakterstudie …

Obwohl inhaltlich wahnsinnig viel in Ozark – Staffel 2 passiert, durchlaufen nahezu alle bekannten und neuen Charaktere eine plausible und ausgiebige Entwicklung. Selbst der zuvor unterrepräsentierte Vermieter Buddy bekommt viele großartige und augenzwinkernde Momente.

Bemerkenswert ist, wie vor allem den unliebsamen Antagonisten neue Facetten zuteilwerden, die sie nochmals in etwas anderes Licht stellt. Keine Frage: der FBI-Agent Petty ist trotzdem ein Kotzbrocken. Und der knallharte Gangster Jacob Snell geht augenscheinlich locker über Leichen. Dass es gerade diese zwei Figuren sind, deren Herkunftsgeschichte den Zuschauer so eiskalt erwischen, ist ein Geniestreich der Autoren.

… mit schwachem Marty Byrde

Ruth Langmore mauserte sich schon in der ersten Staffel zu einem der spannendsten Charaktere. Was sie nun an Entwicklung und emotionalen Achterbahnfahrten durchmachen muss, ist teilweise nur schwer zu ertragen. In ihrer neuen Rolle als Ersatzmutter für ihre zwei Cousins übernimmt sie Verantwortung, lernt aus ihren Entscheidungen, kämpft mit den Konsequenzen und wird dadurch zum vielschichtigsten Charakter der zweiten Staffel.

Das komplette Gegenteil ist – leider – Marty Byrde. Seine Passivität ist zwar Teil der Inszenierung und wichtiger Aspekt der Storyline, doch manchmal macht der zwischenmenschlich ungelenke Kerl einen echt wütend. Während alle Figuren um ihn herum agieren, reagiert er nur und versucht möglich rational alles in gesunde Wege zu leiten. Man wünscht sich förmlich, dass der Nice-Guy einmal aus der Haut fährt. Dass die Autoren uns das vorenthalten, ist enorm unbefriedigend – auch, wenn sich in ihm der eigentliche Grundgedanke der Serie von Actio und Reactio vervollständigt.

Buddy: What are you going to do?

Marty: I don’t know. I’m tired of playing monkey in the middle, though.

Buddy: Yeah, well, that’s because you’re trying to please everybody, and it’s not goddamn possible. You gotta act. And let everybody else react.

Kleine Abzüge in der B-Note

So vielschichtig das Treiben auf der Leinwand des Heimkinos auch ist, einige kleine Ungereimtheiten haben sich dennoch in Ozark – Staffel 2 eingeschlichen. Damit die üppige Story schnell genug voran geht, sorgen einige Deus Ex Machina Momente für eine gelegentlich sprunghafte Entwicklung – etwa, wenn das Kartell das Auto der Snells dermaßen zusammenschießt, dabei aber ganz praktisch niemand ums Leben kommt. Konflikt etabliert, doch ohne wirkliche Konsequenz. Auch die Entscheidungen mancher Charaktere, die entweder ein wenig zu gewieft oder zu sorglos agieren, wirken etwas gewollt. Freilich fällt diese Tatsache in diesem Story-Gewicht kaum auf, da ohnehin zu wenig Zeit ist, um durchzuatmen.

Offensichtlicher wird es da beim insgesamt ernüchternden Finale. Zwar werden hier einige Handlungs- und Charakterstränge konsequent zu Ende geführt, doch so wirklich erfüllt wird das Versprechen nicht, was im Laufe von neun spannenden und teils recht brutalen Folgen aufgebaut wurde. Was dabei aber Hoffnung macht: Staffel 3 könnte einen ganz neuen, noch düsteren Ton anschlagen, der Ozark definitiv sehr gut zu Gesicht steht.

Gutes Ensemble wird von Linney und Garner an die Wand gespielt

Morbide Familienverhältnisse wie zwischen Cade und Ruth garantieren hochemotionale Szenen.

Julia Garner und Trevor Long in Ozark Staffel 2

Schauspielerisch gibt es an Ozark – Staffel 2 wenig zu meckern. Es sind einmal mehr die starken Frauenrollen, die hier das Rennen machen. Laura Linney spielt preisverdächtig und springt mit einer ungeheuren Spielfreude zwischen manipulativ, liebevoll, unberechenbar und eiskalt hin und her. Auch Julia Garner legt noch einen Zahn zu und meistert den Spagat zwischen mit sich ringendem Teenie-Mädchen und Badass-Redneck richtig gut – auch, wenn sie in der einen oder anderen Szene ein wenig zu weinerlich daherkommt.

Trevor Long bekommt in Staffel 2 wesentlich mehr Screentime und weiß diese auch zu füllen. Seine Darbietung als höchstgradig asozialer Redneck-Papa verschlägt einem nicht selten die Sprache. Auch Harris Yulin darf als todkranker Buddy Dieker deutlich mehr Akzente setzen – und sorgt hierbei auch für die ehrlichsten und emotionalsten Momente der Serie. Der restliche Cast macht seine Sache sehr gut, die Neuzugänge überzeugen und die bekannten Gesichter funktionieren tadellos.

Jason Bateman, der auch als Produzent und Regisseur agiert, hat leider erneut eine undankbare Rolle. Der begnadete Schauspieler muss mit einer Figur leben, die aufgrund ihrer Passivität nicht sonderlich groß hervorsticht. Diese Aktionsarmut verkörpert Bateman zwar immer passend, doch im Vergleich zu seiner energetischen Umgebung geht er deshalb oftmals gehörig unter. Hier wäre ein inhaltlicher Step-Up zur nächsten Staffeln wünschenswert – denn Bateman kann definitiv mehr.

Fazit

8.3/10
Stark
Community-Rating:
Handlung 8.5/10
Charaktere 8/10
Schauspiel 8.5/10
Spannung 8.5/10
Dialoge 8/10

‘Ozark – Staffel 2’ liefert eine epochale Storyline ab

Keine Frage: die neue Staffel von Ozark bleibt eigenwillig und sicherlich für viele gewöhnungsbedürftig. Dabei ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, was für eine immens riesige Storyline die Autoren hier abgeliefert haben. Nicht nur sind alle Irrungen und Wirrungen enorm spannend aufgebaut, auch die Charakterentwicklungen nehmen Ausmaße an, die man in der Serienlandschaft so selten zu Gesicht bekommt. Auch, wenn sich der Gangster-Plot und das Familiendrama gelegentlich im Weg stehen, bleibt Ozark – Staffel 2 eine sehr spannende und düstere Angelegenheit. Schauspielerisch glänzen vor allem Laura Linney und Julia Garner, während Jason Bateman einmal mehr aufgrund seiner passiven Figurenzeichnung untergeht. Dennoch bleibt die zweite Staffel ein Genuss und macht Lust, das Ozark-Universum noch weiter zu erforschen.

Artikel vom 6. September 2018

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