Kritik: All of Us Strangers
GENERATION EINSAMKEIT
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Adam (Andrew Scott) wohnt in einem anonymen Hochhauskomplex in London und hält sich als Fernsehautor über Wasser. Er lebt zurückgezogen und geht nur selten aus. Eines Abends trifft er auf seinen Nachbarn Harry (Paul Mescal). Mitten in der Einsamkeit der Millionenmetropole kommen sich die beiden näher. Adam ist Waise. Mit elf Jahren verlor er seine Eltern bei einem Autounfall. Als er eines Abends zu seinem Elternhaus fährt, trifft er dort auf seine Mutter (Claire Foy) und seinen Vater (Jamie Bell), beide lebend und in dem selben Alter wie Adam. Fortan besucht Adam seine Eltern und muss sich mit dem traumatischen Verlust endgültig auseinandersetzen…
Immer mehr junge Menschen in Deutschland leiden unter Einsamkeit. Ein Trend, den die Coronapandemie verstärkt hat. Gerade in Großstädten leben viele Menschen sehr anonym. Man wohnt Tür an Tür, aber meistens kennt man noch nicht mal die Namen seiner Nachbarn. Diese Einsamkeit zeigt Regisseur Andrew Haigh in seinem vielgelobten Film All of Us Strangers.
Sein Hauptcharakter Adam ist Mitte vierzig und lebt in London in einem Hochhauskomplex. Obwohl die Millionenmetropole sein Zuhause ist, lebt der Fernsehautor sehr zurückgezogen. Adam ist ein schüchterner, freundlicher und empathischer Mensch. Er hat kaum Freunde, viele seiner Bekannten sind inzwischen weggezogen oder haben Familie. Ähnlich geht es seinem Nachbarn Harry. Als schwuler Mann fühlt er sich in seiner eigenen Familie wie ein Fremder, erzählt er.
Diese Einsamkeit zeigt der Film eindrücklich. Außer den vier Protagonisten treffen wir auf keine anderen Menschen. Sie fungieren nur als unscheinbare Statisten in der U-Bahn oder in der Disko. Wir sitzen mit Adam Abend für Abend vor dem Fernseher und schauen auf die erleuchtete Skyline Londons und sind doch so weit weg von menschlichem Trubel. Als er Harry kennenlernt, beginnt er sich langsam zu öffnen. Es ist schön zu sehen, wie Adam langsam Vertrauen zu ihm aufbaut. Um lieben zu können, muss man sich verletzbar machen – und das ist nicht einfach.
Neben der Liebesbeziehung zwischen den beiden Männern wird eine andere Verbindung thematisiert, die uns Menschen in unserer Entwicklung maßgeblich prägt – es ist die Beziehung zu unseren Eltern. Adams Eltern sind schon lange tot, doch der Verlust macht ihm noch zu schaffen. Er beschließt, zu seinem Elternhaus außerhalb von London zu fahren, und trifft dort überraschend seine Mutter und seinen Vater. Beide leben noch und sind in Adams Alter. Ob das Ganze reine Fantasie ist oder Science-Fiction, wird nie aufgelöst. Es spielt aber auch keine Rolle.
Adam berühren die Begegnungen mit seine Eltern. Er erzählt ihnen von seinem Leben, seiner Entwicklung, von allen Dingen, die seine Eltern nie erfahren haben. Obwohl seine Mutter und sein Vater in Adams Alter sind, schlüpft er von Anfang an in die Rolle des kleinen Jungen von damals, legt sich sogar zwischen seine Eltern ins Bett zum Schlafen. In den Gesprächen mit seinen Eltern wird zwar klar, dass Adam seine Mutter und seinen Vater schmerzlich vermisst, sie werden jedoch nicht idealisiert. Adam spricht auch schwierige Themen an, konfrontiert seinen Vater damit, dass er als Kind nicht genug für ihn da war. Beide Seiten bereuen Dinge. Dabei leistet das ganze Schauspielerensemble hervorragende Arbeit, allen voran Andrew Scott als Adam, der zwar nicht viel sagt, dessen Mimik aber alles erzählt.
Wir fühlen mit seinem Charakter mit, wir wissen, wie schwierig die Beziehung zu den Eltern sein kann, wir kennen vielleicht auch die Einsamkeit, der Adam ausgesetzt ist. Es sind aktuelle Themen, die vor allem die jüngeren Generationen bewegen, die Regisseur Andrew Haigh hier aufgreift.
Ohne ins Kitschige abzudriften, erzählt der Film eine emotionale, herzergreifende Geschichte über zwischenmenschliche Beziehungen, die den Zuschauer mit einem beklemmenden Gefühl den Kinosaal verlassen lässt.
Mit viel Feingefühl erzählt Regisseur Andrew Haigh eine Geschichte über Einsamkeit, Liebe und Trauma, die den Zuschauer, auch dank einer erstklassigen Schauspielerleistung, zutiefst berührt und aufwühlt.
Artikel vom 18. Februar 2024
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