Kritik: Causeway
IN DER STILLE LIEGT DIE KRAFT
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Die Soldatin Lynsey (Jennifer Lawrence) wird nach einem Anschlag in Afghanistan, bei dem sie sich eine schweres Schädel-Hirn-Trauma zuzog, zur Reha in die USA zurückgeschickt. Mit Abschluss der Therapie kehrt sie zunächst zu ihrer Mutter nach New Orleans zurück.
Doch angesichts andauernder Probleme im Alltag hält Lynsey an ihrem Vorhaben fest, so schnell wie möglich nach Afghanistan zurückzukehren. Nach einem Treffen mit dem Mechaniker James (Brian Tyree Henry) beginnen sie und ihr neuer Bekannter, ihr Leben, aber vor allem ihre Vergangenheit zu hinterfragen.
Was braucht es für ein gutes Drama? Was muss auf der Leinwand geschehen, damit eine Geschichte unter die Haut fährt? Was muss ein Film leisten, damit er den Kopf auch Tage nach den Endcredits nicht verlassen mag? Auf diese Frage gibt es sicherlich so viele Antworten wie Dramafans auf dieser Welt.
Während bis in die frühen 2000er noch Dramen mit großer und theatralischer Inszenierung die Kassen regierten, machen sich seit einigen Jahren filmische Werke mit einem Fable für die scheinbar kleinen, aber eigentlich ganz großen Momente breit. Und genau in diese Kerbe schlägt Lila Neugebauers Causeway.
Imposante, überladene Scores oder überemotionale Streitgespräche sucht man hier vergebens. Was bleibt, ist die Stille und reduzierte, aber gerade deshalb umso effektivere Inszenierung und Beobachtung zweier Menschen, die trotz ihrer Vergangenheit ihre Gegenwart und Zukunft bestreiten.
Causeway lässt sich sehr viel Zeit, um ruhig und bedacht das Leben von Lynsey und James zu erzählen. Diese reduzierte und zugegeben stellenweise sehr langsamen Form der Erzählung mag es für manche schwer machen, der Handlung, die kaum mit Twist und Turns aufwartet, dauerhaft zu folgen. Lässt man sich aber auf diese ruhige Geschichte ein, wird man mit einer emotionalen Wucht belohnt, die man so zunächst gar nicht erwartet hätte.
Gerade bei Filmen wie Causeway, die eher auf Ruhe setzen, lastet eine umso größere Herausforderung auf den Darsteller:innen, müssen sie doch völlig losgelöst von visuellem Spektakel, das üblicherweise große Momente vorgaukelt, „wahre“ Emotionen transportieren. Ein Glück, dass man mit Jennifer Lawrence und Brian Tyree Henry zwei Schauspieler:innen gefunden hat, die dieser Aufgabe mehr als gewachsen sind.
Pakt man beide zusammen entsteht in Szenen, in denen auf der Oberfläche kaum etwas gesagt oder gemacht wird, eine derartige Spannung und Tiefe, die man bei groß beworbenen Dramen vergeblich sucht. Ein großes Lob hat an dieser Stelle auch Regisseurin Lila Neugebauer verdient, die dem Anschein nach ein echtes Händchen für die Inszenierung echter Emotionen hat.
Lawrence bewies schon in zahlreichen Filmen ihre Wandelbarkeit. Mit ihrer nuancierten Darstellung in Causeway zeigt sie Kritiker:innen einmal mehr, warum sie zu den talentiertesten Schauspieler:innen unserer Zeit gehört. So reicht beispielsweise eine kurze Regung von Lawrence, um den gesamten Schmerz Lynseys zu erzählen.
Und auch Tyree, dem gefühlt noch viel zu wenig von Film und Fernsehen beachtet wird (an dieser Stelle sei ganz herzlich die Serie Atlanta erwähnt), legt ein unglaublich feinfühliges Schauspiel an den Tag, um das ihn manch anderer beneiden dürfte. Komplett gerechtfertigt, dass er für seine Leistung mit einer Oscarnominierung als bester Nebendarsteller geehrt wurde.
Untermalt wird die feinfühlige Story und das emotional aufgeladene Schauspiel von einem zurückhaltenden und doch wuchtigen Score von Alex Somers, der bereits den Score zu Honey Boy (2019) komponierte. Die Hauptstücke, “Listen to Me” und “Other Way Around”, sind mit ihrer zutiefst melancholischen und reduzierten Melodie quasi die Handlung des Films in Musik-Form und fügen sich, wie auch der Rest des Films, perfekt in das packende Gesamtwerk von Neugebauer ein.
Wenn man bereit dazu ist, sich auf das sehr langsame Pacing einzulassen, ist Causeway eine ganz besondere Indie-Perle, die mit dem starkem Schauspiel von Lawrence und Henry, einem rührenden Score und einer nahegehenden Geschichte über die große Frage, wie Menschen mit den Geistern der Vergangenheit umgehen, überzeugt.
Artikel vom 28. Januar 2023
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