2.3/10

Kritik: Das Privileg – Die Auserwählten

Schulabschluss mit Hindernissen

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Genres: Horror, Mystery, Startdatum: 09.02.2022

Interessante Fakten für…

  • Aufgepasst im Bio-Unterricht! Die Lektion über “Zombie-Ameisen” könnte im weiteren Verlauf noch anwendbar sein!
  • Das Regie-Team Fuchssteiner und Schöder verfilmte bereits die erfolgreiche Kinderbuchreihe “Rubinrot/Saphirblau/Smaragdgrün”
  • Fans von Dark werden hier einige bekannte Gesichter sehen

„Es gibt viel zu tun, packen wir‘s an!“, das dachten sich die Macher:innen von Das Privileg. In einer kreativen Hauruck-Aktion suchen sie den Schulterschluss zu aktuellen Horrortrends. Auch beim Verriss weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Packen wir’s an!

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Der Schüler Finn (Maximilian Schimmelpfennig) wird von dunklen Visionen geplagt, seit er als Kind mitansehen musste, wie seine Schwester von einem dunklen Wesen in den Wahnsinn und Selbstmord getrieben wurde. Auch er nimmt zunehmend seine Umwelt als bedrohlich wahr und ist sich nicht sicher, ob das, was er sieht, real oder Produkt seiner Fantasie ist. Und was haben die psychotherapeutischen Medikamente, die Finn verschrieben wurden, damit zu tun? Gemeinsam mit seiner Freundin Lena (Lea van Acken) macht sich Finn auf die Suche. Bald stößt auch Samira (Tijan Marei) dazu, die nicht ahnt, dass Finn mehr als nur freundschaftliche Gefühle für sie hegt.

Schlimm zu Beginn

Manchmal hat man schon am Anfang dieses ungute Gefühl. Wenn man in einer fremden Stadt eine dunkle Straße entlanggeht, die weder wie der Rückweg zum Hotel, noch entfernt vertrauenserweckend aussieht. Oder wenn der erste Bissen von der gemischten Meeresfrüchte-Platte irgendwie seltsam schmeckt und man, sich nach dem WC umblickend, ein Stoßgebet gen Himmel schickt und hofft, dass die Garnelen wirklich gut durchgebraten sind. Oder wenn fünf Minuten nach Beginn des Films bereits eine Hand voll Evergreens schlechter Horrorfilme abgearbeitet werden: Kinder allein Zuhaus’/Regen klatscht gegen Terassentür/Ist da wer?/Geist greift nach Kind/ältere Schwester beschützt Kind/Sieh mich an, es wird uns nicht kriegen, hörst du, es wird uns nicht kriegen!

Finn (Maximilian Schimmelpfennig) verliert den Halt im Alltag.

Wer dieses schlechte Gefühl am Beginn des Filmabends kennt, weiß: wo eine handvoll schlechte Klischees sind, da sind häufig noch mehr. Als dann der Titel „Das Privileg – Die Auserwählten“ über den Bildschirm flimmert, ist man sich sicher: Wie soll hier ein konsistenter Film erzählt werden, wenn man sich nicht mal auf einen konsistenten Titel einigen konnte?

BRAVO-Fotostory (Halloween-Edition)

Das Setting ist denkbar einfach. Jugendliche, kurz vor ihrem Abitur, kommen einem Geheimnis auf die Spur und ermitteln auf eigene Faust, wobei sie unter anderem ihre Bio-Lehrerin um Hilfe bitten, an eine Spiritistin geraten, die auf einem Schrottplatz lebt und sich mit der Polizei rumschlagen muss, die ihnen natürlich nicht glaubt, dass da etwas im Busch ist – das Ganze ist in etwa so spannend wie eine schlechte Folge TKKG. Um die Zuschauer:innen nicht zu überfordern, sind die Charaktere schön übersichtlich strukturiert. Die Bösen, das sind die Rich Kids, durchtrainiert und eine Tube Haargel pro Person. Die Guten, das sind auch die Rich Kids, aber natürlich die, die so tun als wären sie Normalos, mit Bundeswehrrucksack, coolen Sprüchen und im Drehbuch vermerkten Alleinstellungsmerkmalen wie „nerdige Brille“ oder „lesbisch“. Die jüngere Vergangenheit hat mit Jugend ohne Gott oder Der Nachtmahr gezeigt, dass ernsthafte Teenagerfilme möglich sind, doch hier hat man sich komplett verkalkuliert, die mit der FSK 16-Freigabe angepeilte Zielgruppe dürfte bitter enttäuscht sein.

Finn (Maximilian Schimmelpfennig) und Lena (Lea van Acken) gehen dem neuen Medikament Trychozepam nach.

Die Hoffnung auf Spannung hat man bereits früh aufgegeben doch auch jeder andere Hauch von Emotion oder Gefühl bleibt Fehlanzeige. Die Figuren sind so distanziert, keine wirklich sympathisch, manche derart steif, dass man erwartet, der große Plot Twist sei, dass Finns Familie aus Androiden besteht. Die Dialoge sind dumm, vorhersehbar, erhellen weder die Handlung noch das Innenleben der Figuren und zerstören ihre Glaubwürdigkeit selbst. „YOLO“ im Jahr 2022, das muss man sich erstmal trauen. Auch die Polizei ist ganz nah am Puls der Zeit. Als ein Jugendlicher stirbt, vermutet der Kommissar: Selbstmord. „Selbstmord?! Warum sollte er sich selbst mit einem Kabelbinder erwürgen?“ „Ihr Kids, ihr pfeift euch doch das Zeug aus Tschechien rein und dann dreht ihr durch“.

Keine weiteren Fragen, Herr Wachtmeister.

Horror-Gesamtpaket

Die schmerzhafte „Teenager spielen Detektiv“-Tortur wird um einen komplizierten und uninteressanten Sideplot über übernatürliche Erscheinungen bereichert. Zunächst scheint sich etwas spannendes zu entwickeln, Finns paranoide Fantasien scheinen zunächst Produkt einer psychische Störung zu sein. Findet der Spuk nur in seinem Kopf statt? Ja, nein, vielleicht. Die Erscheinungen sind teils psychoaktive Drogentherapie, Manipulation eines seit Jahrtausenden operierenden Geheimbundes und ja, scheinbar irgendwie auch tatsächlich – Dämonen. So richtig deutlich wird es nicht, denn dieser Film greift mit beiden Händen im Horrorgenre zu und vergisst dabei, was die Vorbilder so viel besser macht: Fokus. Verschwörung, Geheimbünde, psychische Krankheiten, Dämonen, Drogentrips… All dies für sich kann Horrorfilme ausmachen, aber bitte nicht alles auf einmal. Das Privileg ist ein peinlicher Versuch, unter Hochdruck Anschluss an den US-Horrorfilm der letzten Jahre zu finden und ist sich nicht zu schade, dreist von seinen Vorbildern zu klauen.

Der Soundtrack hat eine minimale Bandbreite. Die Credits nennen zwar einen Komponisten, man vermutet jedoch, dass dieser Komponist die Katze des Regisseurs ist, die über ein Keyboard mit dem Preset „Ambient/Scary“ getapst ist.

Das Drehbuch sagt: junge Verliebte. Der Blick sagt: na, meinetwegen…

Kompliziert, hölzern geschauspielert und ohne intelligente Einfälle garniert der Film seine eigene Peinlichkeit schließlich mit einer der unangenehmsten Teenager-Sex-Szenen der jüngeren Geschichte. Völlig aus dem Nichts, in einem verlassenen Schwimmbad campierend nachdem sie in einer Séance dem Leibhaftigen begegnet sind, kommt es zwischen Finn, Lena und Samira zum Dreier (denn Lesben sind ja eigentlich auch immer bi und sowieso immer bereit). NSFW-„Das Haus Anubis“-Fanfiction könnte nicht unangenehmer sein.

Fazit

2.3/10
Schlecht
Community-Rating:
Handlung 2.5/10
Schauspiel 2.5/10
Spannung 1.5/10
Spezialeffekte 3.5/10
Atmosphäre 1.5/10
Details:

Das Privileg ist zunächst einmal für den Versuch zu loben, deutschen Genrefilm an den aktuellen Entwicklungen auszurichten. Tragischerweise überhebt sich der Film gewaltig. Von modernen Hits wie Get Out bis zu Klassikern wie The Wicker Man schmeißt man alles zusammen, die Bestandteile sind aber derart ungeschliffen, dass sie nicht zusammenpassen. Das uninspirierte Schauspiel und das weichspülerhafte, unbeholfene Teenie-Feeling lässt die ganze Mischung zum unglaublich öden nicht-Ereignis werden. Ein Film, den man hassen könnte, wenn er nicht so langweilig wäre.

Artikel vom 14. Februar 2022

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