7.7/10

Kritik: Des Teufels Bad

NAMENLOSES LEIDEN

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Genres: Drama, Horror, Startdatum: 21.11.2024

Interessante Fakten für…

  • Anja Plaschg, die Agnes spielt, ist seit Jahren als Musikerin unter dem Namen Soap&Skin erfolgreich.
  • Der Film war Österreichs Kandidat für den Internationaler Film-Oscar 2025.

Manchmal ist die Psyche dunkler als der österreichische Wald. Dieser Horrorfilm erzählt von Depression in einer Zeit, als es dieses Wort noch nicht gab.

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Das 18. Jahrhundert, ein Dorf in Oberösterreich: das junge Paar Agnes (Anja Plaschg) und Wolf (David Scheid) starten in ein karges Eheleben. Harte Arbeit, sozialer Druck aus der Dorfgemeinschaft und Heimweh setzen Agnes zu. Sie findet keine Bezugsperson und zieht sich zurück, während ihr Umfeld mit Unverständnis reagiert. Die junge Frau versinkt in tiefer Depression doch kann sie nicht aus der Ehe, dem Dorf oder gar dem Leben ausscheiden – Selbstmord wäre eine Sünde, mit ewiger Verdammnis bestraft. Agnes sucht verzweifelt einen Ausweg.

Böses Österreich

Das Böse ist nicht im Jenseits zu finden, sondern im Zwischenmenschlichen. Diese Erkenntnis des Elevated Horror sorgt für Schrecken im Kinosaal, denn statt Riesenspinnen und Unterwasser-Dämonen werden nun Familientraumata und soziale Fragen verhandelt. Schon bei Hänsel und Gretel war es ja nicht so sehr die Hexe, die einen um den Schlaf brachte, sondern die Tatsache, dass zwei arme Kinder im Wald ausgesetzt werden. In den Wald führt auch der neue Film von Veronika Franz und Severin Fiala, die bereits ihren dritten Horrorfilm inszenieren. Wenn zu Beginn des Abends dann “Ulrich Seidl Filmproduktion” auf der Leinwand steht, ist die Stoßrichtung klar: Das Böse ist nicht im Jenseits zu finden, sondern in Österreich.

Die Szenerie schließt an Filme wie The Witch oder Hagazussa an, in denen der Mensch am Rand der Aufklärung beobachtet wird, gerade dem dunklen Wald entkommen, aber noch nicht erleuchtet. Agnes ist ergebene Katholikin, doch glaubt auch an die Kraft eines Talismans und fürchtet “schlechte Zeichen”. Dieses unbehagliche Amalgam aus Katholizismus und Spiritismus ist auch heute noch in der ganzen Welt zu beobachten. In Agnes’ Filmwelt gibt es Ziegen, Tierschädel, Schmetterlinge, Kräuter, den gesamten heidnischen Klimbim der europäischen Folklore. Doch der Film hat mehr zu bieten als spooky Symbolik.

Kalt und trüb

Das harte Leben, das Agnes zermürbt, wird geradezu spürbar. Die atmosphärischen Bilder beschreiben eine Welt aus Nebel und Schmutz, in der es immer kalt und etwas feucht ist. Zeitlich befinden wir uns in der Welt von Barry Lyndon und dem jungen Mozart, der Gegensatz könnte nicht krasser sein. Auch wenn die Einstellungen die erhabene Schönheit romantischer Malerei imitieren, kommt man als Zuschauer:in dennoch ins frösteln. Das Feuer auf dem “heimischen Herd” ist nie stark genug, um wirklich gemütlich zu sein. Das Schauspiel ist eher zurückhaltend, dem Seelenleben der Figuren entsprechend: zu feiern gibt es wenig, zu klagen auch nicht, wenn man das Leid gewohnt ist.

Anja Plaschg lässt uns im Unklaren, wie tief sie ihre Figur Agnes wirklich versteht. Bis auf ein wirklich phänomenales Finale bewegt sich ihre Darstellung im Mittelfeld, Gefühlsregungen werden nicht direkt begreifbar. Diese muss das Drehbuch erzählen. Agnes versinkt in einer bodenlosen Depression, doch im 18. Jahrhundert gibt es hierfür keine Worte. Sie kann sich selbst nicht begreifen, die Menschen um sie herum erkennen nicht, was passiert. Trotz der Menschen um sie herum vereinsamt Agnes.

Märchenhaft schaurig

Anders als die Dorfbewohner erkennen moderne Zuschauer:innen bald, dass Agnes psychischer Zustand ernst ist. Bedrückende Bilder begleiten den Abstieg und verdunkeln die Stimmung. Menschen verlaufen sich im Wald, begeben sich in Sümpfe und Dornengestrüppe, aus denen sie sich nicht befreien können, krabbeln in Erdhöhlen oder finden Zugänge zu Geheimverstecken unter der Kirche. Das ist psychoanalytisches Kino – und der Kern mitteleuropäischer Märchen.

Auf faszinierende Art erzählt die Geschichte von Depression in einer Welt, die dafür keine Worte kennt. Schonungslos sehen wir, wie ein Mensch versucht sich selbst und seiner Umwelt begreifbar zu machen, wie es in seinem Inneren aussieht. Wie seelische Schmerzen sublimiert werden und, durch religiöse Doktrin, in einer Katastrophe enden.

Fazit

7.7/10
Gut
Community-Rating:
Atmosphäre 8.5/10
Visuelle Umsetzung 8.5/10
Emotionen 7/10
Tiefgang 7.5/10
Schauspiel 7/10
Details:
Regisseur: Severin Fiala, Veronika Franz,
FSK: 16 Filmlänge: 121 Min.
Besetzung: Anja Plaschg, David Scheid, Maria Hofstätter,

Ein anstrengendes Seherlebnis ist Des Teufels Bad definitiv. Es wird wenig kommuniziert, der psychologische Druck ist hoch, die rohe Gewalt an der Schmerzgrenze. Obwohl keine Szene ohne sie geschieht, kommen wir der Hauptfigur nicht ganz nah. Die Geschichte beschreibt einen historischen Ausschnitt, eine nachhaltige, persönliche Auseinandersetzung mit psychischer Erkrankung wie etwa in Melancholia gelingt nicht. Dennoch ein nachdenklicher, dunkler Trip.

Artikel vom 30. Januar 2025

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