6.9/10

Kritik: Maria

GUTE HAUSGEISTER

Genres: Biografie, Startdatum: 06.02.2025

Interessante Fakten für…

  • Der Gesang ist teils von Angelina Jolie selbst performt, teils aus Originalaufnahmen.
  • Nach Jackie: Die First Lady und Spencer ist dies der Abschluss von Pablo Larraíns „Ladies with Heels“-Trilogie.

Nach „The Substance“ richtet sich die Kamera wieder auf eine Frau am Ende ihrer Karriere – und fängt ihr nahestehendes Hauspersonal direkt mit ein. Das stiehlt sogar Angelina Jolie die Show!

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Im 16. Arrondissement von Paris verbringt die Sopranistin Maria Callas (Angelina Jolie) ihre letzten Tage. Der Butler Ferruccio (Pierfrancesco Favino) erinnert sie an Arzttermine und redet ins Gewissen, Köchin Bruna (Alba Rohrwacher) vernichtet den versteckten Vorrat an Opiaten. Liebevoll halten die beiden die Diva am Leben, während diese zu einem Schwanengesang ansetzt. Die Proben für eine letzte Serie von Auftritten füllen ihre Tage mit Sinn. Begleitet wird sie vom Journalisten Mandrax, dem sie ausführlich ihr Innerstes beichtet. Mandrax teilt seinen Namen jedoch mit einem Schmerzmittel und ist für niemanden außer Callas selbst sichtbar…

Gutes Personal ist schwer zu finden

Die Figur des Butlers, in ihrer rohen Form, hat die Aufgabe den Haushalt zu orchestrieren, die Zigarren griffbereit zu halten und jede noch so abwegige Aussage des Hausherren  mit einem ruhigen “Ausgezeichnete Idee, Sir” zu loben. Wenn das Hauspersonal in Literatur und Film weiter in den Mittelpunkt rückt, kommen seine ideellen Werte zu Ehren. Butler und Hausmädchen sind der “gute Geist” und moralisches Korrektiv des Hauses. Unvergessen ist Alfred Pennyworth, der nicht nur das Batmobil vorfahren konnte, sondern dem Schnösel Bruce Wayne erklären musste, dass es Leute gibt, die nicht Geld oder Macht suchen, sondern ein Streichholz, um die Welt anzuzünden.

In Pablo Larraíns nächstem Biopic spielt auch das Hauspersonal eine Hauptrolle. Doch er missbraucht Ferruccio und Bruna nicht als Spione, die das Guckloch ins Leben der Schönen und Reichen öffnen, schließlich ist das hier nicht die “Freizeit Revue”. Der Butler und das Hausmädchen sind jene guten Geister, die ihre Arbeitgeberin vor dem Abgrund bewahren. Pierfrancesco Fevino und Alba Rohrwacher gehen hingebungsvoll in ihren Rollen auf. Das Dreiergespann ist so aneinander gewöhnt, dass wahrhaftige Zuneigung das Dienstverhältnis in den Hintergrund drängt.

Beschönigendes Biopic?

Spätabends, der Tisch gedeckt mit Karten und Fernet Branca, weichen auch die Gesichtszüge von Maria Callas auf und sie kann für einen Moment unter Freunden die Maske abnehmen. Angelina Jolie wechselt durch die Gemütszustände von Callas’ Leben, doch scheint sich in den divenhaften am wohlsten zu fühlen. Nicht weil es ihrem Naturell entspräche, sondern gerade weil es ihr als Schauspielerin vieles abverlangt. Das „resting bitch face“ sitzt und der Film scheut sich nicht, seiner Hauptfigur in regelrecht unsympathischen Momenten zu begegnen. Der Kniff mit dem imaginierten Journalisten soll die Seele der Hauptfigur öffnen, überzeugt aber nicht wirklich.

Die Zeit geschminkter Biopics ist vorbei, doch auch Maria erklärt nicht ausreichend die dunklen Seiten der Hauptfigur. Der größere Fehler der Figurenzeichnung ist jedoch, dass sehenden Auges in die Falle getappt wird, vor der an anderer Stelle gewarnt wird: Marilyn Monroe, nicht als begnadete Sängerin bekannt, gibt im Film ihr legendäres präsidiales Geburtstagsständchen. Lakonisch stellt Callas’ Lebensgefährte fest, dass man sie nun mal wegen ihrer Ausstrahlung, nicht der Gesangskünste wegen auf die Bühne stellte. Die Besetzung mit Angelina Jolie folgt genau dieser Showbiz-Regel. Ihr Gesang überzeugt nicht einmal in der Darstellung der 53-jährigen Callas kurz vorm Tod. Gegenüber den Originalaufnahmen verblassen die Gesangseinlagen Jolies sofort. Aber wer würde schon eine professionelle Sängerin casten, wenn er Angelina Jolie haben kann?

Alle tragen Masken

Jolie spielt toll, ist aber eine Ikone für sich. Nie gelingt ihr, sich in der Rolle aufzulösen, immer sehen und hören wir: Angelina Jolie. Ihr Auftritt ist dennoch eine tolle Ergänzung zum unruhigen The Substance, denn auch hier geht es um eine Frau am Ende ihrer Karriere. Das Ausmaß der Karriere ist für Nachgeborene nur schwer zu fassen. Callas war Teil einer intellektuellen Künstlerkaste, die sich für Yachten und Champagner interessierten, aber auch in Kunst und Literatur zuhause war.

In dieser Welt ist Maria Callas ein Star. Leitmotivisches zieht sich durch den Film, wie sich die Diva nicht von Lebensmitteln, sondern Aufmerksamkeit ernährt. Ihre volle Hingabe gilt der Kunst und der Performance auf der Bühne, einem eigenen Zitat nach ist sie “keine Sängerin die schauspielert, sondern eine Schauspielerin die singt”. Liebhaber Aristoteles Onassis hingegen ist kein Liebhaber von Kunst und Menschen, sondern ein Sammler. Mandrax ist kein Journalist, sondern ein der Sopranistin entsprungenes Hirngespinst. Außer dem Hauspersonal scheint jede Figur eine Maske zu tragen. Butler Ferruccio und Köchen Bruna ins Zentrum des Films zu stellen, war eine weise Entscheidung.

Fazit

6.9/10
Ganz okay
Community-Rating:
Schauspiel 7/10
Atmosphäre 7.5/10
Charaktere 7/10
Handlung 6/10
Visuelle Umsetzung 7/10
Details:
Regisseur: Pablo Larraín,
FSK: 6 Filmlänge: 124 Min.
Besetzung: Alba Rohrwacher, Angelina Jolie, Haluk Bilginer, Kodi Smit-McPhee, Pierfrancesco Favino,

Maria Callas’ Nachlass beeindruckt weiter, zuletzt 2023 in der Restaurierung ihres Pariser Auftritts 1958. Biopic-Fachmann Pablo Larraín besucht sie in ihren Privatgemächern und castet dafür eine vergleichbare Ikone, die allerdings stimmlich fehlbesetzt ist und es nicht schafft, in die Rolle zu schlüpfen. Die berühmte Sopranistin war kein alternder Hollywood-Star, sondern Intellektuelle, Weltbürgerin, Perfektionistin und Liebhaberin. Im kulturellen Referenzrahmen des letzten Jahrhunderts; zwischen der deutscher Besetzung Griechenlands, Onassis, Jackie, JFK und der Scala, kann die Orientierung schwer fallen. Trotz einiger Abstriche eine gelungene Würdigung, vor allem, da die Handschrift des Regisseurs erkennbar ist.

Artikel vom 13. Februar 2025

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