Kritik: The Palace
SUPERREICHE HÜTTENGAUDI
▶ Jetzt direkt streamen auf:
[jw_add_widget-sc]
SUPERREICHE HÜTTENGAUDI
▶ Jetzt direkt streamen auf:
[jw_add_widget-sc]
Im Hotel Palace in den Schweizer Alpen laufen die Vorbereitungen für den Jahreswechsel ins neue Jahrtausend. Jede Serviette wird perfekt gefaltet und der Kaviar ist soeben eingetroffen, Hotel-Manager Hansueli Kopf (Oliver Masucci) sieht einem spektakulären Abend entgegen. Doch auch an Silvester steht das Empfangstelefon nicht still: der Hund der Marquise (Fanny Ardant) ist krank, Billy Crush (Mickey Rourke) verlangt ein größeres Zimmer und ein wortkarger Russe (Alexander Petrov) verlangt den Schlüssel zum Safe. Das ganze Haus fiebert dem Abend entgegen, denn dann wartet nicht nur die legendäre Neujahrs-Party sondern auch der Wechsel ins neue Jahrtausend – werden die Computer die Umstellung verkraften oder die Welt in Chaos versinken?
Vielleicht war es ja der Schauspieler:innen-Streik, vielleicht Lieferketten-Engpässe, aber meine Güte, Roman Polanski, you had one job: einen Silvester-Film pünktlich zu Silvester abzuliefern. Dezember ist ein Kinomonat und in Filmsälen und auf Couches tummeln sich Filmfans um ritualhaft mit Weihnachtsfilmen in Stimmung zu kommen. Da fehlt doch eigentlich noch der perfekte Silvesterfilm, um auch diesem Cocktail aus Bleigießen, leeren Versprechungen und Umarmungen um Mitternacht ein Denkmal zu setzen. The Palace verpennt nicht nur den perfekten Veröffentlichungszeitpunkt sondern auch die Chance, den Geist von Silvester wirklich einzufangen.
Schauplatz ist keine gewöhnliche Jahreswechselfeier sondern das luxuriöse Palace Hotel an der Schwelle zum Jahr 2000. Die größten Sorgen der Gäste sind damit: Was ziehe ich an? Wird es genug Champagner geben? Räumt der Y2K-Bug mein millionenschweres Konto leer? Triangle of Sadness, The White Lotus, The Menu und Glass Onion winken herüber aus dem Spa-Bereich, denn auch in The Palace heißt die Pointe meistens: doof, weil reich. Nach außen hin gibt sich das als Karikatur des reichsten 1%, doch dann offenbart sich mancher Witz nur als Befriedigung von simpelster Comedy. Irgendjemand muss schließlich die Torte ins Gesicht kriegen, dann doch bitte immerhin die geliftete Dame mit dem Cartier-Collier. Anschließend scheißt das Kaviar-verwöhnte Schoßhündchen der Diva ins Bett und das Zimmermädchen muss sauber machen – Achtung, subversiv!
Sind die Gags mal nicht ganz so billig, machen sie Spaß, denn einerseits sind die Figuren schön ausgearbeitet und sogar noch besser gespielt. Milan Peschel (einer der hardest working men im deutschen Filmbiz, der von Kunst bis Schund scheinbar alles annimmt) ist der ideale, lakaienhafte Sidekick zu Mickey Rourkes Selfmade-Millionär, dem nichts gelingen will. Bronwyn James überzeugt fantastisch als Ehefrau, die von allen kritisch beäugt wird und darstellen muss, dass sie ihren Mann wirklich liebt. Und Oliver Masucci muss sich international wirklich nicht mehr beweisen. Tadellos spielt er den stoischen, angenehm ruhigen Vollprofi, der den Laden zusammenhält – denn einen weiteren verschrobenen Eigenbrötler braucht es im Palace Hotel wirklich nicht.
Per Funkgerät konferiert Masucci als Hotelmanager Hansueli Kopf mit den Angestellten des Hauses. Dabei macht sich die tolle Arbeit der Filmcrew bezahlt. Ohne Schwindelgefühle wechselt das Szenenbild von der Wäscherei im Keller in die Suites der obersten Stockwerke, vom Empfang in die Küche und zurück. Über Flure und durch Lobbys fliegt der Film, ohne dass die Orientierung oder Aufmerksamkeit verlorengeht. Koch, Zimmermädchen, Klempner, Stammgäste und ungebetene Besucher spielen sich die Bälle zu, Polanski jongliert mühelos die lange Gästeliste seiner Silvestersause.
Unterhaltung bietet der Film ohne Frage, den Mehrwert vermisst man jedoch bereits ab der Hälfte. Wirklich heimisch fühlt man sich, wie in jedem Hotel, aber nicht. Das volle Potential des Films wird nicht annähernd ausgeschöpft. Dass das Palace Hotel eine Luxus-Absteige ist, hat keine Relevanz für die Handlung. Am Set werden lediglich Luftschlangen gegen Blattgold, Prosecco gegen Dom Pérignon getauscht.
Auch der scheinbar bedeutungsschwere Hintergrund des Jahreswechsels 1999-2000 ist reine Kulisse. Als Wladimir Putin auf dem TV-Bildschirm erscheint und seinen Antritt als Präsident verkündet, wird es im Kinosaal totenstill – doch der Kloß im Hals verschwindet schnell. Auch diese Erzählfigur hat keinerlei Einfluss auf die Story. Roman Polanski, das sei nicht vergessen, hat großartige Filme gemacht. Doch scheint er, ähnlich wie Woody Allen oder Brian de Palma, in der kreativen Rente angekommen, man Filme dreht, einfach um Filme zu drehen. Oder um sich mal an Slapstick zu versuchen. Wenn man den teilweise grenzwertigen Pipi-Kaka-Ficki-Humor so nennen möchte.
Schlechte Witze kann man toll schauspielern – diesem Film hilft das trotzdem nichts. The Palace könnte eine wirklich tolle Komödie sein, in der sich ein talentierter Cast durch eine Kulisse bewegt, an der man sich gar nicht satt sehen kann. Doch aus Andeutungen entwickelt sich nie eine Handlung, stattdessen werden Witze mitgenommen, für die sich selbst die Autor:innen von American Pie schämen würden. Ein typischer Silvester-Abend: viele Gäste, viele Drinks, viel Chaos und nach dem Höhepunkt denkt man sich – Das soll’s jetzt gewesen sein?
Artikel vom 23. Januar 2024
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!