9/10

Kritik: The Substance

AUGEN ZU UND DURCH!

Genres: Horror, Science Fiction, Startdatum: 19.09.2024

Interessante Fakten für…

  • Margaret Qualley hatte in Interviews verraten, dass ihre Brüste in dem Film nicht ihre eigenen sind. Es handelt sich um künstliche Brüste, die vom französischen Maskenbildner Pierre Olivier Persin entworfen wurden.
  • In dem Film wird Elisabeth Sparkle 50 Jahre alt. Demi Moore, die die Figur verkörpert, war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 61 Jahre alt.
  • Dies ist der erste Body-Horror-Film, der jemals in Vietnam gezeigt werden durfte, wobei 3 Minuten herausgeschnitten wurden.

Mit „The Substance“ hat Coralie Fargeat nicht unbedingt ein schönes aber eindeutig einprägendes Werk geschaffen, das einen noch lange nach dem Abspann beschäftigt.

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#Marvelgeek #Genießerin #Trash

Darum geht’s

Elizabeth Sparkle (Demi Moore) wurde insbesondere durch ihre Schönheit bekannt und feiert jetzt ihren 50sten Geburtstag. Das Wort „feiern“ ist dabei nicht wörtlich zu nehmen, da sie von ihrem Manager (Dennis Quaid) unsanft daran erinnert wird, dass es mit ihrer Karriere ab jetzt bergab gehen wird.

An ihrem emotionalen Tiefpunkt bietet ihr eine ominöse Firma einen vermeintlichen Ausweg: The Substance. Ein Wirkstoff, der sie wieder schön und jung werden lassen soll. Was ihr nicht bewusst ist:  Ab sofort gibt es von ihr zwei Körper und zwar ihren eigenen und einen jungen. Prompt schafft sie sich für diesen die neue Identität „Sue“ (Margaret Qualley) und damit jemanden, den sie noch zu hassen lernen wird. Ein erbitterter Kampf gegen das Älterwerden und die eigene Identität beginnt.

Nachdem man die letzte Stunde des Films damit gekämpft hat, nicht durchgängig die Augen vor Ekel zu schließen, entspannt man sich beim Abspann etwas und fängt an zu verstehen. Die Gedanken kreisen rund um all die mit verstörenden Bildern gepaarten, wichtigen Themen, die allein schon deshalb bis in die Ewigkeit im Kopf festgebrannt sein werden.

Das Bildnis der Lizzy Sparkle

Doch spulen wir mal an den Anfang: Coralie Fargeat hat mit The Substance nicht nur einen feministischen Body-Horror geschaffen, sondern gleichzeitig eine moderne Nacherzählung des Romans Bildnis des Dorian Gray. Nicht nur die Story erinnert daran, sondern der ganze Film wird wie das Gemälde mit zunehmend moralischem und psychischem Verfall der Protagonistin immer hässlicher, ekliger und verstörender.

Das Bildnis des Dorian Gray (1890)

Der Roman von Oscar Wilde handelt von Dorian Gray, einem jungen, schönen Mann, dessen Porträt an seiner Stelle altert, während er selbst ewig jung und makellos bleibt. Getrieben von der Idee ewiger Schönheit und beeinflusst von dem zynischen Lord Henry Wotton, verfällt Dorian zunehmend moralischer Verderbtheit. Das Buch gilt als eines der bedeutendsten Werke der englischen Literatur und kritisiert die Obsession mit äußerer Schönheit und moralischer Oberflächlichkeit.

Aber nicht, dass man den Eindruck gewinnt, dieser Ekel und Horror entstehe nur durch die erhebliche Menge an Kunstblut und -haut. Wir haben es mit einem Film zu tun, welcher die Angst vor dem Älterwerden mit der bedrückenden Realität der Sexualisierung von jungen Frauen gegenüberstellt. So sehen wir die Verzweiflung in den Augen der „alten“ Elizabeth, weil sie nicht mehr die gleiche Aufmerksamkeit von eben denjenigen Männern bekommt, die die junge Sue anschauen wie ein Stück Steak, das Sie in den nächsten Jahren verschlingen können, bis nichts mehr von ihr übrig bleibt. Die übermäßig sexualisierte Darstellung von Sue in den Medien, lässt einen auch hin und wieder am liebsten die Augen schließen und warten, bis es vorbei ist.

Spricht wenig, sagt viel

Wie bereits herauszulesen, bietet The Substance eben dieses intensive Filmerlebnis, weil Gefühle nicht über Dialog, sondern über Bilder und natürlich auch das grandiose Schauspiel von allen Beteiligten herübergebracht werden. Themen wie der innere Konflikt zwischen dem Zukunfts-Ich und Vergangenheits-Ich spielen sich hinter verschlossenen Türen und in der Einsamkeit ab, hier braucht es keine Worte.

Gleichzeitig weiß der Film auch sehr gezielt zu irritieren, da er die Zuschauer:innen mit in das verwirrende Innenleben von Elizabeth nimmt, sodass man irgendwann selbst zweifelt, ob Sue und Elizabeth nicht doch zwei unterschiedliche Menschen sind. Hier und da gibt es kleine Hints, sehr bewusst platzierte Menschen, Bilder, Farben und Settings über die man wahrscheinlich noch weitaus mehr schreiben könnte.

Passt von Vorne bis Hinten

All das fügt sich zu einem stimmigen Film zusammen, dessen Ziel es nicht ist, zu gefallen, sondern unangenehme Wahrheiten zur Lebensrealität permanent sexualisierter Frauen und auch Frauen im Allgemeinen zu erzählen. Die müssen nicht schön anzusehen sein, die dürfen schockieren und wie man auch Lebensrealität nicht entkommen kann, kann man auch 141 Minuten der Brutalität nicht entkommen, denn die Kamera hält gnadenlos drauf. Sobald dann der Film zuende ist, fängt es im Kopf erst richtig an zu rattern. Wer es also mag, sich nach dem Film eingehend mit dem Gesehenen zu beschäftigen, der wird hier nicht enttäuscht. Neben der klar thematisierten Angst um das Älterwerden bietet The Substance unglaublich viele weitere Interpretationsmöglichkeiten.

Es finden sich Parallelen zu den intensiven und teilweise schrecklichen Maßnahmen, die Frauen durchmachen, um in die Schönheitsnorm zu passen und auch das Thema Sucht wird aufgegriffen. Klingt jetzt erstmal nach sehr viel, aber Coralie Fargeat schafft es, all das an Interpretationsspielraum zu bieten, ohne den Film mit Symbolik überladen wirken zu lassen.

Nach all dem Lob muss man noch Kritikpunkte bringen. Neben der Tatsache, dass der Film wirklich nichts für schwache Nerven und vor allem schwache Mägen ist, lassen einen amerikanische Schönheitsstandarts etwas ratlos zurück. In welcher Welt ist Demi Moore nicht wunderschön?

Fazit

9/10
Sehr gut
Community-Rating: (2 Votes)
Tiefgang 9.5/10
Handlung 9/10
Schauspiel 9/10
Visuelle Umsetzung 9/10
Splatter 8.5/10
Details:
Regisseur:
FSK: 18 Filmlänge: 141 Min.
Besetzung: Demi Moore, Dennis Quaid, Margaret Qualley,

Wer Blut sehen kann und Lust hat, sich auch noch lange nach dem Gesehenen mit Filmen und gesellschaftlichen  Themen auseinanderzusetzen, dem kann ich The Substance sehr ans Herz legen. Und wenn es dann doch zu viel wird, gilt: Augen zu und durch!

Artikel vom 14. Oktober 2024

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