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Kritik: Top Gun: Maverick

HOLLYWOOD LIEFERT SCHWERES KRIEGSGERÄT

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Genres: Abenteuer, Action, Startdatum: 26.05.2022

Interessante Fakten für…

  • Tom Cruise bestand darauf, dass so wenig Computeranimation wie möglich stattfindet und die Flugsequenzen live gefilmt werden.
  • 36 Jahre liegen zwischen Original und Sequel – selten ist diese Zeitspanne so lang.
  • Die Szene, in der sich Maverick ein Rennen mit einem startenden Jet liefert, ist dem Original entnommen, das Motorrad ist ein aktuelles Modell desselben, auf dem er im 1986er Film fuhr.

Es gibt sie noch! Tom Cruise liefert einen Blockbuster alter Schule, mit allen seinen Stärken und Schwächen. Durchtrainierte Sonnenbrillenträger klopfen harte Sprüche. Ist das aus der Zeit gefallen oder dermaßen übertrieben, dass man sich zurücklehnen und Spaß haben kann?

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Der Ausnahme-Pilot Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) kommt nicht zur Ruhe. Jahrzehnte nach seiner Ausbildung wird er zurück an die „Top Gun“-Akademie zitiert, an der die Elite der US-Navy die „Kunst des Luftkampfes“ studiert. Die Zeit drängt, denn in einer unterirdischen Anlage arbeiten Terroristen an Atomwaffen. Maverick hat nur wenige Wochen, um die Kadetten auf ihren Einsatz vorzubereiten, in dem sie die Anlage zerstören sollen. Er nimmt sich der Truppe um den Draufgänger „Hangman“ (Glen Powell) und die selbstbewusste „Phoenix“ (Monica Barbaro) an, doch gerät schnell mit dem talentierten Jungpiloten „Rooster“ (Miles Teller) aneinander – Rooster ist der Sohn von Goose, dem ehemaligen Kollegen Mavericks. Goose kam bei einem Ausbildungsflug ums Leben und bis heute macht dessen Sohn Maverick dafür verantwortlich.

Alter heißer Mann

Die Kinosäle der Welt haben viele Männer brechen und verschwinden sehen. Doch die aktuelle Garde der A-List-Senioren ist weder altersmüde noch auf dem absteigenden Ast. Tom Cruise steht an der Spitze, zwei weitere Mission: Impossible-Einsätze auf seiner Agenda und immer noch kein graues Haar. Die Fortsetzung seines Durchbruchs Top Gun von 1986 ist ein absolutes Herzensprojekt, wie er uns in jedem Interview, jeder Pressekonferenz wissen lässt. Damit nimmt er allen Zweiflern den Wind aus den Segeln, die doch nur einen weiteren Baustein im endlosen Turm der Remakes vermuten. Und man möchte ihm einfach glauben, ja verdammt, hier ging es nicht um Produktionsbudgets, Merchandise und verkaufte Kinotickets, sondern Männer, Sixpacks und Flugzeugträger. Wer sonst könnte einem das glaubhafter machen als Tom Cruise? Ein Mann, der so charismatisch daherkommt, mit einem dermaßen einnehmenden Lächeln, man würde sich von ihm auf dem Jahrmarkt zwischen Hau-den-Lukas und Zuckerwatte fünf Handyverträge andrehen lassen. Wäre er kein Schauspieler geworden, er hätte einen grandiosen Trickbetrüger abgegeben. Doch vielleicht ist er genau das: Hollywoods großer Scharlatan, der einen immer mit der Frage zurücklässt: Wie macht er das? Der uns seit vier Jahrzehnten glauben lässt, er sei unsterblich.

Tom Cruise trägt diesen Film und macht ihn dennoch nicht zur peinlichen One-Man-Show. Er mimt das Ausnahmetalent auf der letzten Abfahrt. Wenn er den Neulingen auf der Akademie beim Feiern zusieht, von draußen durchs Fenster in die Bar schauend, fördert der Film eine unerwartete emotionale Schwere zu Tage. Schnappschüsse aus seinen goldenen Tagen hängen gerahmt im dem Flur der Akademie, doch seine Fußspuren verwehen im Sand. Nach ihm kommen andere Piloten, die dann von der nächsten Piloten-Generation ersetzt werden, die schließlich von selbstfliegenden Flugzeugen ersetzt wird. Fast rührt es zu Tränen, den poor lonesome Cowboy bei seinen letzten Pirouetten im Sonnenuntergang zu sehen.

Homo-Hufeisen-Theorie

Ein unironischer Soundtrack mit altbekannten Magier:innen an Gitarre und Synthesizer holt das Publikum ab und lässt es abtauchen in den Top Gun-Kosmos, in dem sich wenig getan hat. Es ist der gute alte Look, schwitzende Navys, Kampfjets und High Fives im Sonnenuntergang. Wie bereits im Original ist der Film ein faszinierender Grenzgänger, der einerseits uniformiertes Testosteron versprüht, gleichzeitig aber seine durchtrainierten Kadetten am Strand herumtollenden lässt und dabei dieselbe Energie versprüht wie ein Village People-Video. Der Film ist so demonstrativ hetero, dass er schon wieder homo ist. Mavericks Stelldichein mit Penny wird ganz unschuldig angedeutet, dafür knistert es gewaltig wenn Mav an seinem F-18 rumschraubt.

Überhaupt geht der Beziehung zwischen Penny und dem Piloten schnell der Treibstoff aus. Sie bleibt reine Drehbuch-Fantasie, ohne berührbare Gefühle. Auch die Querverweise auf Vergangenes nehmen in der ersten Hälfte gehörig Tempo aus der Erzählung, es sind offene Fäden, die in einem Sequel nun einmal aufgenommen werden müssen, hier jedoch wenig kunstvoll verflochten werden. Die Hintergrundgeschichten der Charaktere nehmen nicht wirklich mit.

Jetzt übertreiben sie aber mit Diversity!!!

Die Class of 22 der Top Gun-Academy ist lebending, spritzig, klischeehaft – so wie sie in einem derart gestrickten Film sein sollte. Der introvertierte Musterknabe guckt unsicher, der draufgängerische Bully klopft Sprüche, der knurrige Offizier hält den Stall zusammen, die Figuren sind platt, doch spielen sie sich gut die Bälle zu. Tom Cruise toppt die gesamte Entourage als 60-jähriger(!), der im Zweifel selbst ins Cockpit steigt, um die Welt zu retten. Diversity-Hater:innen beanstanden häufig die toughen Frauen in Actionfilmen, hier ist es tatsächlich ein Mann, der, ehrlich zugegeben, total fehl am Platz ist.

Natürlich ist der Film eine gefährliche Bagatellisierung von Militärübungen und Kriegsspielzeug (es ist vermutlich kein Zufall, dass vor dem Film Kinowerbung der Bundeswehr läuft). Und natürlich ist er eine künstliche Männerfantasie. Doch genau durch diese over-the-top-Fantastik verzeiht man ihm einiges. Die Luftkämpfe sehen aus, als wären sie dem Spiel von zwei Kindern mit Spielzeugflugzeugen nachempfunden. In seiner klar gezeichneten und doch irrealen Handlung erinnert er eher an ein Comicheft als einen Tatsachenbericht. Diesem Film liegt dieselbe übertriebene Action zugrunde, die Mad Max: Fury Road auf die Spitze treibt. Damit verpufft die Kritik an der Militärverherrlichung nicht, doch verliert einiges an Gewicht.

Wer bereit ist, dem Verstand eine Pause zu gönnen, erlebt packend zwei Stunden. Das hier ist Actionkino der alten Schule, von der ersten Einstellung bis zum Abspann atmet der Film den Geist der 80er-Blockbuster und das ganz ohne ironische Selbstreferenzen. Eine beeindruckend starkes Selbstbewusstsein gegenüber Kollegen wie z.B. der Thor-Reihe, die im aktuellen Trailer immer noch auf den totgerittenen 80s-Ironie-Trend mit Neonfarben und Synth-Soundtrack setzt.

Fazit

8/10
Gut
Community-Rating: (1 Votes)
Visuelle Umsetzung 8.5/10
Action 8.5/10
Emotionen 6.5/10
Atmosphäre 8.5/10
Spezialeffekte 8/10
Details:
Regisseur: Joseph Kosinski,
FSK: 12 Filmlänge: 130 Min.
Besetzung: Glen Powell, Jennifer Connelly, Jon Hamm, Lewis Pullman, Miles Teller, Monica Barbaro, Tom Cruise,

Top Gun: Maverick ist Hollywood par excellence – unglaublich bescheuert und unglaublich cool. Statt Charaktere sehen wir Stereotypen, die Glorifizierung von schwerem Kriegsgerät ist bedenklich und mit der Botschaft „Die Bösen sterben gesichtslos, die Guten sterben nie“ lässt sich nun wirklich kein Preis gewinnen. Doch die Action reißt mit, die Sprüche sitzen und für zwei Stunden steht der „Badass“-Tacho fast durchgehend auf Anschlag. Wenn es so etwas wie Guilty Pleasures überhaupt gibt – die Top Gun-Reihe gehört zu den besten. Wer etwas anderes erwartet, ist selbst schuld.

Artikel vom 1. Juni 2022

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