7.7/10

Kritik: Zeig mir, wer du bist

WENN ICH DU WÄR…

Genres: Mystery, Science Fiction, Startdatum: 03.10.2024

Interessante Fakten für…

  • Der Film hatte seine Premiere auf dem renommierten Sundance Film Festival im Januar 2024. Nach dem Festival erstand Netflix die Rechte am Film für 17 Million Dollar – die höchste Summe, die ein Film des Festivals erzielen konnte.
  • Die Musik stammt von Andrew Hewitt, ein erfahrener Musiker in Hollywood, der z.B. bereits am Score der Herr der Ringe-Trilogie beteiligt war.

Social Media-Gewitter, Identitätskrisen und kurze Aufmerksamkeits-Häppchen – Dieser Film ist nicht nur für die Gen-Z ein unglaublicher Spaß. Hat er mehr zu bieten als einen guten Aufhänger?

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Die Hochzeit ist geplant, jetzt will Reuben (Devon Terrell) nochmal mit seinen Uni-Freunden richtig auf den Putz hauen. In der Villa seiner Eltern lädt er zur gemütlichen Bachelor-Party. Völlig unerwartet gesellt sich auch der lang verschollene Forbes (David W. Thompson) dazu. Das exzentrische Partytier war in der Versenkung verschwunden, nachdem er infolge einer legendären Party von der Uni flog. Forbes hat für die Wiedervereinigung der Freunde eine besondere Idee und dafür das Ergebnis seiner jahrelangen, stillen Forschung dabei. Der Inhalt seines unscheinbaren Koffers wird die Nacht und das Leben der acht Freunde komplett auf den Kopf stellen.

Acht Freunde müsst ihr sein

Manchmal sind sie voller Geldscheine, enthalten geheime Dokumente oder wir erfahren nie, was in ihnen steckt. Doch Koffer, Brieftaschen und sonstiges Gepäck spielen in vielen Filmen eine Rolle. Sie verbergen ihr Geheimnis im Innern, können an jeden beliebigen Ort transportiert und dort geöffnet werden und – Action. Auch in Zeig mir, wer du bist kommt das Chaos im Koffer. Oder ist es nicht eigentlich der Träger des Koffers? Forbes ist ein Eigenbrötler, an dem man sich die Zähne ausbeißt, um herauszufinden, was er mit dem Koffer in seiner Hand nun eigentlich im Schilde führt.

Die Figuren sind das wichtigste in diesem Spiel ohne Regeln. Viel wichtiger als das, was passiert, ist, wem es passiert. Die Freundesgruppe ist mit acht Charakteren gut bestückt, das Zurechtfinden nicht ganz leicht. Doch grundlegende Dynamiken sind schnell verstanden. Cyrus und Shelby erleben eine Beziehungsflaute, Reuben steht eigentlich auf Maya, Dennis hatte mal was mit Forbes’ Schwester usw usf. Der Stoff, mit dem Soap-Autoren ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch das Drehbuch wird das Brodeln unter der Oberfläche freilegen.

Zick-Zack-Kurs

Das Wagnis des Films ist es, das komödiantische Potential der Geschichte zu ignorieren und stattdessen etwas Ernstes zu erzählen. Packend erzählt und faszinierend gefilmt spricht der Film in Zwischentönen von kaputten Beziehungen, Manipulation, Machtspielen, Neid und unserem Blick auf andere Menschen. Kaleidoskopartig verschieben sich die Beziehungsebenen und wir fragen uns ständig neu, was die Charaktere zu ihren Handlungen bewegt und warum sie wem wann was sagen. Da gilt es aufzupassen und innerlich Buch zu führen, denn jedes Schnipsel an Information, das wir erhalten, muss gedanklich abgeheftet und bei der nächsten Szene bedacht werden. Das ist Denkarbeit, doch die gute Regie gibt faire Unterstützung. Vor allem aber bedarf es Aufmerksamkeit und die gerät ins moderne Kreuzfeuer.

Zeig mir, wer du bist ist vor allem formal ein hochmoderner Film. Auf allen Ebenen werden Eindrücke abgefeuert und wollen beachtet werden. Vor allem die ersten Szenen schicken die Zuschauer:innen hinab durch den Strudel der Social Media Feeds und stutzen die Aufmerksamkeitsspanne – da müssen Millennials erstmal tief durchatmen. Schnelle Schnitte, Kamerafahrten und Farbfilter geben sich alle Mühe, das Verwirrspiel auf Zick-Zack-Kurs zu halten, doch vor allem dem Set-Design hätte etwas Erdung gut getan. Die (auch musikalisch) stilistische Vielfalt treibt das Maskenspiel voran und dringt, vielleicht unbewusst, zum Wesenskern des Kinos vor. Der Film fordert uns heraus, zu hinterfragen, was wir sehen. Durch Rückblenden, Montagen und Kameratricks bekommen die Zuschauer:innen erklärt, was vor sich geht – werden aber zugleich gemahnt, dass die Dinge doch ganz anders stehen könnten.

Chaos aus der Maschine

Filme, die eine simple, mysteriöse Prämisse auf Spielfilmlänge auswalzen, gehören seit Jahren zu den Hits in der zweiten Reihe. Zeig mir, wer du bist hat es vermutlich durch die steinige Produktionswüste geschafft, weil andere Erfolge den Weg ebneten. Doch anders als The Circle, The Platform oder Bodies Bodies Bodies schafft Greg Jardin in seinem Langfilm-Debut über die Idee hinauszuwachsen und mehr zu liefern als einen Mystery-Thriller, dessen Beschreibung sich in der Idee erschöpft.

Gerade die Partyszene, in welcher Forbes’ mysteriöse Maschine erstmals zum Einsatz kommt, ist clever umgesetzt und erzählt das Grundproblem ohne Worte, dafür mit Splitscreens, Mimik und Musik. Wohl dem, der nicht gespoilert wurde – im besten Falle ist man genauso überrascht wie die Freunde. Und muss nun gemeinsam mit ihnen herausfinden, welches Chaos nun in die Welt gekommen ist.

Fazit

7.7/10
Gut
Community-Rating:
Handlung 8.5/10
Schauspiel 8/10
Tiefgang 7.5/10
Charaktere 7/10
Szenenbild 7.5/10
Details:
Regisseur: Greg Jardin,
FSK: 12 Filmlänge: 103 Min.
Besetzung: Alycia Debnam-Carey, Brittany O'Grady, David W. Thompson, James Morosini,

Neben großen Hits (und von denen gibt es zurzeit wenig gute) gibt es auf den Streaming-Plattformen immer wieder kleinere Perlen, die es zu einem großen Publikum schaffen. Häufig setzen sich dort Filme mit knackiger Prämisse durch, denn nichts ist bessere Publicity als ein viraler Hit, der sich mit einem Satz erklären lässt. Zeig mir, wer du bist macht auf der vollen Laufzeit Spaß, denn die Regie hält die Aufmerksamkeit stets am Leben und streift von Authentizität in Social Media, Deep Fakes und dysfunktionalen Beziehungen so ziemlich jedes Problem der Moderne auf erfrischende Weise.

Artikel vom 18. Oktober 2024

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