Kritik: American Crime Story – The People v. O.J. Simpson
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Am 12. Juli 1994 wurde ein weißer Ford Bronco im Schneckentempo durch Hollywood „gejagt“. Verfolgt von der LAPD, saß der afroamerikanische Football-Spieler O. J. Simpson am Steuer des Wagens. Mit der Pistole auf sich selbst gerichtet drohte er lauthals letzten Endes auch sich selbst zu töten. Zu diesem Zeitpunkt war der Verdacht schon erdrückend groß, dass er seine Ex-Frau Nicole Simpson und deren Freund Ronald Goldman brutal ermordet haben soll.
Simpson galt aufgrund vieler Indizien und Beweise bereits als Hauptverdächtiger, doch durch die US-amerikanische Besonderheit des Geschworenengerichts und der parallel verlaufenden Debatte rund um die strukturelle Diskriminierung von Afroamerikanern, war der Ausgang des spektakulären Prozesses um O.J. Simpson alles andere als vorbestimmt.
Der aus Glee und American Horror Story bekannte Regisseur Ryan Murphy erzählt die Geschichte um den Strafprozess mit unglaublicher Detailtiefe. So wird der Verlauf des Prozesses, sowie die unterschiedlichen Situationen der beteiligten Charaktere, eins zu eins nachgestellt. Dabei wird die Perspektive der beteiligten Akteure immer wieder gewechselt. Mal steht die Sicht der anklagenden Staatsanwältin Marcia Clark (Sarah Paulson) im Fokus, mal die des prominenten Verteidigers und Simpson-Freunds Robert Kardashian (Ja, Kim Kardashian ist seine Tochter). Zu Beginn noch von Simspons Unschuld überzeugt, stellt sich bei ihm mit einhergehender und stetig wachsender Beweislast erst Unglauben und dann Verzweiflung ein. Eine Entwicklung, die man als Zuschauer teilt, denn das intelligente Skript lässt uns Zweifeln – völlig egal, welche festgefahrene Meinung wir zum Simpson-Fall haben.
Dann gibt es noch die Perspektive eines weiteren Anwalts aus der Verteidigungsriege des O.J. Simpson. Der farbige Anwalt Johnnie Cochran, gespielt von Courtney B. Vance, hat dabei die Ambition, das ganze System und den systematischen Polizeirassismus in den Vereinigten Staaten anzuprangern. Ihm geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Genugtuung und Politik. Die Straßenkämpfe bezüglich der L.A. Riots fallen ihm dabei in die Arme, ebenso der Fakt, dass die Mehrheit der Urteil fällenden zwölf Geschworenen schwarz ist. American Crime Story verliert bei diesen vielen Subthemen niemals den Überblick und stellt die Konflikte stets nachvollziehbar dar.
American Crime Story sollte man auf keinen Fall verpassen, sofern man sich für authentische Kriminalfälle interessiert. Der Fall und das ganze Drumherum mag für den ein oder anderen altbacken sein, doch die Thematik ist auch heute noch relevant. Das Verhältnis zwischen weißer und afroamerikanischer US-Bevölkerung ist nach neuerlichen Skandalen wieder an einem Scheidepunkt. Genauso wie bei der heutigen “Black Lives Matter”-Bewegung, entfachte der Fall um O.J. Simpson in den 90ern eine Rassismus-Debatte, da die Ermittler aufgrund von O.J.s Hautfarbe anscheinend voreingenommen handeln würden. Dass O.J. Simpson bei seinem ersten Prozess der Gang in die Todeszelle erspart blieb, empfanden viele Afroamerikaner als ausgleichende Gerechtigkeit für die anhaltende Diskriminierung.
Diese Konflikte werden von den Schauspielern gut reflektiert. Dabei immer im Mittelpunkt: die Staatsanwältin Marcia Clark, die von einer absolut beeindruckenden Sarah Paulson gespielt wird. Selbst David Schwimmer kann überzeugen. Der aus Friends bekannte Schauspieler zeichnet mit seinem Auftritt als Robert Kardashian einen authentischen und in sich völlig zerrissenen Charakter. Das liegt vor allem an der Tatsache, dass die Gerechtigkeit für den echten Robert Kardashian von Anfang an im Mittelpunkt des Prozesses stand. Den wachsenden Zweifel stellt Schwimmer perfekt dar. Seinen Mitstreitern, allen voran Johnny Cochran, geht es hingegen nur um den Freispruch und dessen symbolischen Charakter für den afroamerikanischen Teil der amerikanischen Gesellschaft.
Enttäuschend ist jedoch, dass ausgerechnet der (vermeintliche) Hauptdarsteller Cuba Gooding Jr. nicht wirklich überzeugen kann. Auch wenn sich die Serie hauptsächlich um den Prozess und die darin verwickelten Anwälte und den Angeklagten dreht, erscheint die namensgebende Hauptfigur O.J. erstaunlicherweise nur selten auf dem Bildschirm. Kommt O.J. doch mal zu Wort, wirkt er in der deutschen Fassung mit quietschiger Stimme und lustigen Sprüchen nicht gerade respekteinflößend. Hier hätte man einen authentischeren und ambivalenteren Hauptdarsteller casten können.
Die Story ist spannend erzählt und stellt den Fall detailliert nach. Dass die Bewertung nicht noch besser ausfällt, liegt vor allem an Cuba Gooding Jr. selbst. Mit ihm als Hauptdarsteller fällt es schwer, die bedrohliche Ausstrahlung des groß gewachsenen O.J Simpson einzufangen – der Jahre später in einem weiteren Kriminalfall unabhägnig vom ersten Fall für sehr lange eingesperrt wurde. Die schauspielerische Gesamtleistung des Casts vermittelt ansonsten jedoch die notwendige Ambivalenz und die damit verbundenen Probleme eines in der Öffentlichkeit ausgeschlachteten Gerichtsprozesses. The People v. O.J. Simpson ist eine packende und aufwühlende True-Crime-Staffel – durch und durch sehenswert und somit ein ganz heißer Tipp. The People v. O.J. Simpson kann auf Netflix gestreamt werden.
Artikel vom 30. März 2018
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