Kritik: Bodyguard – Staffel 1
HERZRASEN UND BLUTHOCHDRUCK
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David Budd (Richard Madden, Robb Stark aus Game of Thrones) ist ein Afghanistan Veteran und mittlerweile Polizist, der noch mit massiven posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen hat. Dies hat mittlerweile zur Trennung von seiner Frau Vicky geführt, um die beiden Kinder kümmert er sich am Wochenende. In der ersten Episode finden wir ihn im Zug mit seinen Kindern und sein militärisches Training kickt ein, als er verdächtige Signale in seiner Umgebung wahrnimmt. Tatsächlich befindet sich eine Selbstmordattentäterin im Zug und David zögert nicht, zu versuchen den schrecklichen Anschlag zu verhindern, dem auch seine Kinder ausgesetzt wären.
Dieser atemberaubende Einstieg in die Serie mit einer 20-minütigen Szene ist so stark, wie man es selten im TV gesehen hat. Budd kann anschließend in seiner Karriere aufsteigen, indem er zum persönlichen Leibwächter der Innenministerin Julia Montague (Keely Hawes, Sterben für Anfänger) ernannt wird und die Handlung mit komplizierten Verwicklungen auf mehreren politischen Ebenen nimmt ihren Lauf. Budd findet sich mitten drin und bleibt natürlich nicht unbeteiligt.
Wie schon in dem berühmten gleichnamigen Film mit Whitney Houston und Kevin Costner ist das Verhältnis zwischen dem professionellen männlichen Beschützer und der berühmten Frau von sexuellen Spannungen geprägt. Wenn man die Klatschpresse verfolgt, so haben tatsächlich eine ganze Reihe weiblicher Prominente sich auf eine Beziehung mit ihrem Leibwächter eingelassen (Heidi Klum, Jennifer Lawrence, Kim Kardashian, Scarlett Johannsen….) und auch diese Serie benutzt diese Stereotype. Es ist aber besonders dem Schauspiel von Richard Madden zu verdanken, dass das nicht kitschig oder unglaubwürdig rüberkommt. Er ist großartig darin zu zeigen, wie sein roboterhaftes, professionelles Ich manchmal Risse bekommt. Sei es ein Satz, den man so nicht erwartet hätte, ein Widersetzen gegen den Willen von ihr oder eine Verletzlichkeit, wenn er an mehreren Stellen merkt, dass er benutzt wurde.
Frauen-Power in Film und Fernsehen ist unerlässlich. Auch Bodyguard bietet dem männlichen Chauvinismus im Thriller- und Action-Genre die Stirn – doch schießt dabei auch etwas über das Ziel hinaus. Es ist mir nicht ganz klar, was der Erfinder der Serie Jed Mercurio (Line of Duty, Cardiac Arrest) sich dabei gedacht hat, in beinahe allenAbteilungen und wichtigen Positionen Frauen an die Spitze zu setzen. Ist das nicht schon wieder chauvinistisch?
Es fängt schon in der aufregenden Eröffnungsszene im Zug an: Die Attentäterin ist eine Frau, die Leiterin des Swatteams, die Bombenentschärferin und die Schützin mit dem Sniper-Gewehr. Das erscheint doch höchst unwahrscheinlich und ideologisch. Auch David Budds Chefin seiner Abteilung bei der Polizei ist weiblich, die oberste Chefin der Polizei und natürlich die Innenministerin. Und später gibt es noch eine Kommissarin, zu der Budd ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Doch werden diese Konstellationen als selbstverständlich behandelt, es ist nie Thema der Handlung. Das einzige gemeinsame Moment ist, dass jede dieser Frauen einschließlich seiner Exfrau ihm an irgendeinem Zeitpunkt der Handlung einmal sagt, dass er psychologische Hilfe braucht für seine nervlichen Probleme.
Richard Madden als Bodyguard David Budd ist pure Professionalität – die militärische Haltung, die monotone Stimme, der neutrale Blick, kein Wunder, dass man ihn als dumpf wahrnehmen könnte. Doch Budd ist ein Charakter mit starken Motivationen, wenn auch die wirkliche Motivation anfangs bedeckt bleibt. Die erste Episode will uns glauben lassen, dass David eine Agenda gegen die Ministerin hat, weil er als Kriegsveteran natürlich die Politiker hasst, die ihn in die Kriegshölle Afghanistan geschickt haben, doch andererseits könnte er auch einfach nur ein anständiger Vater sein, der mit dem Job seine Familie ernähren will. Trotz der Komplexität trägt Madden seine Rolle so routiniert und selbstverständlich wie seinen Anzug.
Es wird allmählich klar, dass man ihn in den Politikerkreisen auserkoren hat als Sündenbock für Machenschaften, die die ungeliebte und verhasste Ministerin aus dem Weg schaffen sollen. Doch Budds Training, das ihn Kleinigkeiten wahrnehmen lässt, die nicht ins Bild passen, führt dazu, dass er schnell misstrauisch wird – diese Paranoia sind unglaublich ansteckend und dramaturgisch clever umgesetzt. Sie lassen uns stets um seine Sicherheit bangen, sowie die seiner Schützlinge. Die verschiedenen Gruppierungen in der Polizei, der private und einflussreiche Securitiyservice, kriminelle Player und den Politiker im Innenministerium führen dazu, dass schlimme Dinge passieren, die einen Eindruck von Verschwörung und Misstrauen gegen jeden von ihnen beim Zuschauer hervorrufen.
In den Szenen ohne Dialoge wird die Handlung von einem Score begleitet, der fast aus Hans Zimmers Dunkirkstammen könnte. Der berühmte Shepard-Ton, eine scheinbar immer ansteigende Tonfolge, klopfende und tickende Töne zerren an den Nerven des Zuschauers. Man ahnt, es passiert gleich was und wenn das dann so eintritt, ist man trotzdem schockiert.
Die Kamera ist exzellent, sie sucht besondere Blickwinkel, lässt den Zuschauer um Ecken blinzeln und quasi als Eindringling nur Teile von Szenerien wahrnehmen, Gesichter spiegeln sich in Scheiben, regennasse Straßen drücken die Stimmung nach unten und die kalte Londoner Großstadtkulisse mit modern-sachlichen Wohnbauten spiegelt die Verlassenheit des Bodyguards wieder.
Die Serie erzählt aus der Perspektive des Ex-Soldaten und Polizisten David Budd eine verwickelte politische Handlung, in der verschiedene Kräfte versuchen, eine unbeliebte Politikerin, die nach dem Sitz des Premierministers greift, loszuwerden. Im Strudel der Handlung versucht ein Einzelner Licht ins Dunkel zu bringen, er kämpft um seine eigene Existenz und will ein geschehenes Unrecht zur Strafe bringen. Das Besondere sind die überfallhaften Schockelemente der Handlung, die ohne Vorwarnung kommen. Fast alle Hauptcharaktere sind zwielichtig oder werden manipuliert, das Netz um die Hauptperson zieht sich immer weiter zu und ob die Lösung gelingt, bleibt bis fast zum Schluss offen. Die schauspielerische Leistung bei der Darstellung der vielschichtigen Hauptfigur leistet Richard Madden mit außergewöhnlichem Können und überzeugt zu hundert Prozent. Bodyguard gehört zu den packendsten, stilsichersten und besten Serien der BBC – und das will was heißen.
Artikel vom 30. Oktober 2018
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