Kritik: Peaky Blinders – Staffel 6
EIN TRAURIG, TRÄGER ABSCHLUSS
Jetzt direkt streamen auf:
EIN TRAURIG, TRÄGER ABSCHLUSS
Jetzt direkt streamen auf:
Mit dem Attentat auf den Faschisten Oswald Mosley (Sam Claflin) verfolgte Tommy Shelby (Cillian Murphy) nicht nur politische Motive, sondern gleichzeitig die Läuterung seiner eigenen Seele. Eine gute und selbstlose Tat als Gegengewicht für den überwältigenden Kummer seiner Vergangenheit.
Als dieser Plan jedoch scheitert und gleich mehrere Familienmitglieder das Leben kostet, ist die Shelby Familie gespaltener denn je. Während Tommy weiterhin verbissen versucht, den Faschismus zu unterwandern und persönliche Vergebung zu finden, droht sein Leben um ihn herum zusammenzubrechen. Seine Frau und Kinder werden ihm fremd, Arthur (Paul Anderson) ist schwer drogenabhängig und Michael (Finn Cole) schwört nach Tante Pollys (Helen McCroy) Tod auf Rache an den Shelbys.
Haben die Peaky Blinders letztendlich doch die eine Hürde gefunden, die sie nicht bezwingen können?
Der abrupte Cliffhanger, mit dem Staffel 5 ihre geschockten Fans vor den Bildschirmen hängen ließ, war ein deutlicher Bruch für die typische Peaky Blinders Struktur. Wo die Vorgängerstaffeln ihre jeweiligen Konflikte meist zu einem runden Ende führten, endete Tommys Kampf gegen Oswald Mosley mit einem brutalen Stoß ins kalte Wasser.
Ja, auch vorher blieben einzelne Handlungsstränge ohne Auflösung, doch nie zuvor in der Geschichte der Serie endete eine Staffel auf einem derartigen Adrenalin-Höhepunkt, wie Staffel 5. Wer hat die Shelbys verraten? Mussten noch mehr geliebte Figuren ihr Leben lassen und ist Tommy Shelby endgültig geschlagen? Die offenen Fragen an Staffel 6 häuften sich und die Erwartungshaltung war dementsprechend riesig.
Was macht die finale Staffel des Gangster-Epos nun aus diesem Set-up?
„Egal, was es kostet oder wie viele Lügen ich erzählen muss, ich werde mich an Tommy Shelby rächen.“
Michael Shelby in Peaky Blinders
Die erste Folge der neuen Staffel setzt genau dort an, wo die Handlung von Staffel 5 endete. Es braucht keine zwei Minuten, bevor es der Serie gelingt, die aufgeladene Stimmung und die Verzweiflung in der Figur von Tommy Shelby wieder mitreißend auf den Bildschirm zu bannen. Doch nach diesem starken Auftakt verändert Staffel 6 seinen Charakter: Die etablierten Konflikte und großen Fragen aus Staffel 5 werden vorerst auf Eis gelegt, während die Handlung ihr Tempo stark zurückfährt und sich auf neue Aspekte konzentriert.
Die aktuelle Staffel erinnert hier durchaus an einige der vorherigen Peaky Blinders Staffeln. Neue Konflikte, ein langsamer Spannungsaufbau und die Perspektive auf ein dramatisches Finale. Diese Elemente sind zwar bewährt und funktionieren, doch für eine finale Serienstaffel mit einer dementsprechenden Erwartungshaltung reicht das nicht. Staffel 6 nimmt sich zu viel Zeit für neue Konflikte und nimmt dadurch den alten Konflikten den Wind aus den Segeln.
Über die Gründe dafür lässt sich nur spekulieren, doch neben erschwerten Dreharbeiten aufgrund der Corona Pandemie ist vor allem der traurige Tod von Polly Grey Darstellerin Helen McCroy zwischen den Zeilen der Staffel zu spüren. Das Fehlen von Tante Polly reißt eine klaffende Lücke in die Atmosphäre der Serie, die sich unmöglich füllen lässt. Man merkt der neuen Staffel an, dass die Autor:innen versucht haben, das Drehbuch auf Biegen und Brechen an den tragischen Umstand anzupassen, doch besonders Michaels Handlungsstrang leidet merkbar unter Pollys Fehlen.
Letzte Aktualisierung am 20.05.2023 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
All das klingt nun so, als wäre das Finale von Peaky Blinders eine maßlose Enttäuschung. Damit wäre der Serie allerdings Unrecht getan, denn die Geschichte und das Ziel, auf das die neue Staffel hinaus will, ist das Richtige. Die persönliche Charakterentwicklung von Tommy Shelby.
Tommy, der schon immer das Herzstück der gesamten Serie war, nimmt in den neuen Folgen beinahe die gesamte Screentime ein, während viele andere Figuren eine eher beobachtende Perspektive einnehmen. So werden die letzten Kapitel des Peaky Blinders Epos zu einer tief persönlichen Geschichte und Reise in das zerrüttete Innenleben ihres legendären Protagonisten.
Die Introspektive auf die tragische Figur des Thomas Shelby macht Staffel 6 gleichzeitig zu dem düstersten und ruhigsten Kapitel der Gesamtgeschichte. Das langsame Erzähltempo und die größtenteils fehlenden Hochspannungsmomente fühlen sich dabei an, als würde Staffel 6 den Mythos seiner eigenen Gangstergeschichte dekonstruieren.
Die Serie zeigt, was Weltkriegstrauma, jahrelange Gewalt und zahllose Tote aus ihren Figuren gemacht hat. Die Zeit, in der die Peaky Blinders in imposanter Zeitlupe und vor speienden Flammen auf die Kamera zulaufen, ist vorbei. Staffel 6 spielt mit diesen alten Stilmitteln der Serie, hinterfragt sie und reichert sie mit einer Melancholie und Tragik vergangener Zeiten an.
„Auf Anordnung der Peaky Blinders.“
Arthur Shelby in Peaky Blinders
Dieser emotionale Ansatz findet seinen Abschluss letztendlich in einem sehr gelungenen Finale, welches die gesamte Serie mit einem stimmigen Ende abrundet. In diesen letzten Momenten wird nochmal deutlich, was für eine fantastische Figur die Serie mit Thomas Shelby geschaffen hat.
Getragen von Hauptdarsteller Cillian Murphy, der seine Paraderolle besser spielt denn je, führt die Serie ihren einzigartigen Protagonisten zu einem Abschluss, der seines Legendenstatus würdig ist. So fängt sich Peaky Blinders nach einer holprigen Staffel zum Glück auf den letzten Metern und schließt die Geschichte der Shelbys gelungen ab.
Peaky Blinders Staffel 6 ist ein träges Ende der Geschichte. Träge meine ich in diesem Fall jedoch sowohl als Kritik als auch Kompliment. Einerseits spiegelt die ruhige, düstere und schwerfällige Atmosphäre das Innenleben der vielen tragisch gezeichneten Figuren wider, die nach fünf Staffeln ein melancholisch, persönliches Ende spendiert bekommen. Nie zuvor war Peaky Blinders emotionaler und feinfühliger als in Staffel 6. Auf der anderen Seite fehlt es den neuen Folgen an Höhepunkten und Struktur, wodurch vor allem der Mittelteil negativ ermüdend wirkt. Hauptgrund dafür ist, dass viele spannende Handlungsstränge aus Staffel 5 durch neue künstliche Konflikte ersetzt werden, was der Serie sowohl Spannung als auch Kohärenz raubt. Peaky Blinders Staffel 6 landet mit seinem Finale letztendlich glücklicherweise an dem richtigen Punkt, doch der Weg dahin hätte besser sein können.
Artikel vom 20. Juni 2022
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!