Kritik: The Rain – Staffel 1
WENN DER GROSSE REGEN KOMMT…
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In Dänemark ist niemand vorbereitet, als die ersten virusverseuchten Regentropfen auf die Erde prasseln. Wer mit dem todbringenden Regen in Berührung kommt, stirbt nur wenige Augenblicke später. Nur Dr. Frederik Andersen (Lars Simonsen) scheint etwas geahnt zu haben und verfrachtet seine Kinder Simone (Alba August) und Rasmus (Lucas Lynggaard Tønnesen) in einen Hightech-Bunker mitten im Wald, bevor er sich aus dem Staub macht.
Erst sechs Jahre später wagen sich Simone und Rasmus wieder an die frische Luft. Ohne einen Schimmer, was mittlerweile mit der Welt geschehen ist, fallen sie einer kleinen Bande in die Hände. Deren Anführer Martin (Mikkel Boe Følsgaard) ist, ebenso wie alle anderen, schwer geprägt durch die traumatischen Ereignisse der vergangenen Jahre. Doch was steckt eigentlich hinter dem Regen?
So wohlwollend man auch an The Rain – Staffel 1 herangehen mag, so schwer machen es uns die Serienschöpfer, in die Dystopie einzusteigen. Alleine der Prolog erinnert stark an Gregor Schnitzlers unausgegorene AKW-Kritik Die Wolke: ein unschuldiges Schulsetting, eine nahende Bedrohung, eine Familie auf der Flucht und keine Ahnung, was eigentlich vor sich geht. Dabei stoßen dem Zuschauer bereits früh einige Dinge auf.
Simone und Rasmus benehmen sich, als hätten sie ihr Gehirn bei der letzten Nasendusche mit rausgespült. So fahrlässig dumm handelt bei einer derartigen Katastrophe sicherlich niemand – vor allem, wenn Sekunden zuvor Hunderte Menschen elendig im Regen verreckt sind. Überhaupt ist der Auftakt so wirr zusammengeschustert, dass der Zuschauer versucht ist, abzuschalten. Zudem ist den deutschen Dialogbuchautoren ein böser Schnitzer unterlaufen: die Kinder blöken so oft ängstlich das Wort “Vati”, dass wenn man ein Trinkspiel daraus machen würde, schon nach der Exposition im Koma läge. Wirklich Spaß macht die erste Folge also leider weniger.
Glücklicherweise durchläuft The Rain – Staffel 1 in den insgesamt acht Folgen ein paar positive Veränderungen. Sobald der Fokus auf den einzelnen Charakteren liegt, gewinnt die Story einiges an Glaubwürdigkeit. Ähnlich wie zu guten Zeiten von The Walking Dead ist es höchst spannend zu beobachten, wie unterschiedliche Figuren in dieser heftigen Extremsituation agieren. Einerseits eine von Mord und Hunger getriebene Gruppe Überlebender, andererseits die blauäugigen Geschwister, deren humanistische Herangehensweise nicht gerade auf Verständnis stößt.
Diese Charakterzeichnung gewinnt einiges an Tiefe, da episodenweise die Vergangenheit jeder Hauptfigur aufgeschlüsselt wird. Die dadurch ans Licht kommenden Themen und Motive haben dabei nicht selten auch viel mit den gegenwärtigen Konflikten gemein. Das hilft dem Zuschauer enorm, die Figuren einzuschätzen und vor allem nachzuvollziehen.
Die Macher von The Rain – Staffel 1 bedienen sich fleißig an etablierten Apokalypse-Bildern. Das kann ihnen auch keiner zum Vorwurf machen, immerhin war das Genre in den vergangenen Jahren großzügig in Film und Fernsehen vertreten. Da hätten wir die Kannibalen-Thematik aus The Road, Settings wie in 28 Days Later und große Verschwörungstheorien wie in World War Z. Das ist soweit alles stimmig und funktioniert mit dem Fortgang der Geschichte auch ziemlich gut. Auch, wenn einige Elemente ein wenig zu futuristisch geraten sind.
Enttäuschend ist hingegen die omnipräsente Gefahr aus der Luft. Der verseuchte Regen wird zwar im Prolog und in den Rückblenden effektiv eingesetzt, doch ansonsten nutzen ihn die Autoren kaum, um damit ein weiteres Spannungselement zu liefern. Ein Wettrennen gegen die Zeit und den nächsten Wolkenbruch? Fehlanzeige. Ein spannender Showdown inmitten eines Regengusses, in dem jeder falsche Schritt im Tod enden kann? Nope. Der Regen wird dann eingesetzt, wenn er eben als Handlungselement gebraucht wird. Schade drum, das hatten die Trailer anders suggeriert.
Den Schauspieler in The Rain – Staffel 1 kann man nicht viele Vorwürfe machen. Zwar geraten vor allem Alba August und Luca Lynggaard Tønnesen in Mitleidenschaft, weil ihre Einführung nicht gerade schmeichelhaft ist. Doch beiden gelingt es zunehmend, die Szenen zu tragen. Mikkel Boe Følsgaard agiert in seiner Rolle als Fels in der Brandung. Sein Schauspiel wirkt vor allem deshalb so erfrischend, weil seine Figur mit Weitsicht und der nötigen Vorsicht agiert. Diese Ernsthaftigkeit wird stark transportiert – kein Overacting, kein Understatement.
Besonders hervorheben muss man die Newcomerin Jessica Dinnage. Ihre zutiefst verletzte, zerbrechliche, angreifbare und mit sich ringende Lea ist das schauspielerische Highlight der Serie. Dies liegt unter anderem daran, dass ihre Backgroundstory mit die heftigste ist. Was Dinnage hier abliefert, lässt den Rest des Casts tatsächlich blass aussehen.
Wo sich The Rain – Staffel 1 etwas verhebt, sind die teils etwas erzwungenen Romanzen. Die sexuellen Spannungen innerhalb der Gruppe mögen zwar realistisch sein, doch allzu oft wirkt das Ganze etwas fehlplatziert. Vor allem dann, wenn gerade noch Leute gemeuchelt wurden und in der nächsten Szene wieder frech geflirtet wird. Natürlich ist der pubertierende Rasmus am anderen Geschlecht interessiert – aber keine noch so große Menge an Testosteron könnte ihn mal eben ausblenden lassen, dass die Bevölkerung Dänemarks ausgerottet wurde und er konstant in Lebensgefahr schwebt. Hier wäre ein wenig mehr Fingerspitzengefühl wünschenswert gewesen.
Die düstere Prämisse ist eine spannende Grundlage für eine schweißtreibende Serie. Leider wird The Rain in der ersten Staffel der starken Idee nicht gänzlich gerecht. Nach einem mehr als holprigen Einstieg überzeugt die Serie vor allem als spannende Charakterzeichnung mit interessanten Figuren, doch die apokalyptischen Ausmaße und Handlungsmotivationen werden nicht immer stimmig erklärt. Optisch und schauspielerisch gibt es nichts zu meckern und es sind genügend actiongeladene Schauwerte vorhanden, um über acht Folgen unterhalten zu werden. Ein wenig mehr Fingerspitzengefühl im Drehbuch und ein paar weniger erzwungene Momente hätten der Geschichte jedoch gut getan. Es bleibt abzuwarten, ob Staffel 2 diese Fehler ausmerzen kann. Verdient hätte sie es auf jeden Fall!
Artikel vom 23. Mai 2018
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