‘Breaking Bad’-Flair
Dass Breaking Bad Co-Produzent Sam Caitlin mit dabei ist, zahlt sich aus. Tatsächlich bekommt der Zuschauer ein vertrautes Gefühl, während die Charaktere vor der Landschaft auf und ab gehen. Das kommt nicht von ungefähr, denn die Serie wurde, wie schon Breaking Bad damals, in Albuquerque gefilmt. Easter Eggs garantiert. Doch auch abgesehen von beabsichtigen Anspielungen lassen sich Parallelen am Setting erkennen: Die Ortschaft vermittelt ein Gefühl der melancholischen Abgeschiedenheit und auch der Isolation. Die städtische Zivilisation scheint weit entfernt zu sein und das gesetzlose Wüstengebiet breitet sich unter dem gleißenden Sonnenlicht immer weiter aus. Preacher gibt dieses Gefühl perfekt wieder, bloß verkörpert es diesmal die Gottverlassenheit, statt die gewünschte Isolation eines Meth-Kochs, um heimlich Drogen herzustellen. Dennoch funktionieren die Referenzen wunderbar.
Let the Bodies Hit the Floor
Der Untertitel sagt schon alles: Der Gewaltpegel in Preacher ist sehr hoch – und wird meist mit unglaublichen unpassenden Kulturreferenzen begleitet. Sie ist nicht dauerhaft präsent, doch wenn sie auftritt, dann erst recht und das schön plastisch. Bei solchen Stellen geht jede Subtilität flöten. Tatsächlich wird die Gewalt so detailliert und selbstironisch gezeigt, dass sie ihr eigenes Stilmittel entwickelt. Nach einer Weile kann man nicht anders, als über die überzogene Gewaltdarstellung zu lachen, vor allem wenn sie unerwartet kommt. Auffällig sind auch die einleitenden, cleveren Dialoge und Kulturreferenzen, die zu den denkbar unpassendsten Stellen ausgesprochen werden. So etwas hätten wir bis jetzt nur einem Tarantino zugetraut – und tatsächlich kommt ihm zu Ehren eine Filmreferenz von Pulp-Fiction.
Mehr “Super”, weniger “Natural”
Man mag es kaum glauben, doch trotz etablierter Thematik über eine “göttliche” Macht, die Prediger explodieren lässt und dem Protagonisten das “Wort Gottes” gibt, geht die Serie sparsam mit übernatürlichen Elementen um. Zwar gibt es Vampire, göttliche Mächte und auch Engel, doch eine zu hohe Gewichtung nehmen die Fantasyelemente nicht ein. Wenn sie jedoch eingesetzt werden, zeichnen sie sich durch überraschend realistische Darstellung aus. Das ist eine Entwarnung für alle, die eine Serie a la Supernatural befürchten. Preacher benutzt weder Over-the-Top Fantasy Horror, noch Monster-der-Woche-Handlungen über Dämonen und Teufel, auch wenn die Serie vielleicht zuerst danach aussieht. Ansonsten genügt die reine Verkommenheit der Menschen, mit der die Protagonisten konfrontiert werden, um ein Bild des Horrors zu vermitteln. Das furchterregendste Wesen ist offenbar doch der Mensch.
Der Horror des Ungesehenen
Es ist erstaunlich, wie eine geschickte Kameraführung selbst die besten Spezialeffekte ersetzen kann. Sei es als Standbild durch eine Abfolge von deprimierenden Landschaftsaufnahmen, oder als dynamischer Begleiter des Geschehens, die Kamera ist und bleibt immer ein entscheidendes Stilmittel. Nur in wenigen Serien erfolgt der Einsatz der Kamera auf solch geschickte und einfallsreiche Weise. Einmal kann sie detaillierte und intensive Szenen von der Nähe zeigen, bis sie sich plötzlich entfernt und der Szene plötzlich eine humoristisch, lächerliche Note verleiht. Doch es ist genauso erstaunlich, wie durch Kameraeinsatz möglich wird, Horror und Intensität zu erzeugen, indem die wichtigen Elemente eben nicht gezeigt werden. Viele Geschehnisse bleiben gezielt im Verborgenen. Subtiler Horror vom Feinsten. Da freuen sich nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Sender, die sich was an den Effekten einsparen können.
Die brillante visuelle Umsetzung schließt allerdings nicht nur die Kameraführung ein. Die clevere Nutzung der Lichteffekte, die Musikuntermalung, der Schnitt, die Auswahl an Requisiten. Alles wurde geschickt ausgewählt, um sich so wenig an Spezialeffekte machen zu müssen wie nur möglich. Und es klappt hervorragend. Mit den subtilsten Filmtechniken kann man in dieses dunkle Machwerk einen ganzen Haufen Symbolik hineinbringen, mit einer ordentlichen Brise schwarzem Humor. Wieso soll man dämonische Mächte visuell darstellen, wenn man ein umgedrehtes Kreuz auf einer Kirche filmen kann, das von einer Erschütterung umgefallen ist? Wieso braucht man für eine rituelle Extraktion aufwendige Requisiten, wenn man einfach eine Kaffeedose nutzen kann? Der sparsame Umgang mit Fantasy-Elementen ist erstaunlich einfallsreich umgesetzt, sowohl komisch, als auch düster und zum Teil überraschend glaubwürdig. Die visuelle Umsetzung ist klar ein Markenzeichen von Preacher.
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