Kritik: Je Suis Karl
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Gerade noch wuselte die fünfköpfige Familie durch die Berliner Wohnung, doch als Vater Alex (Milan Peschel) noch einmal kurz raus muss, geht im Haus eine Bombe hoch. Nur er und seine Tochter Maxi (Luna Wedler) überleben. Der unbegreifliche Anschlag wird zum medialen Großereignis – die Rede ist von einem islamistischen Terrorakt. Witwer Alex findet nicht mehr ins Leben zurück und Maxi ist bis ins Tiefste verängstigt, verzweifelt und wütend. Verständnis findet sie bei ihrer neuen Bekanntschaft Karl (Jannis Niewöhner). Durch ihn bekommt sie auch Anschluss an die Re/Generation-Bewegung, dort nimmt man sie mit offenen Armen auf und zeigt Verständnis für ihre Wut. Opfer Maxi wird zum Maskottchen der Organisation, die für den Terrorakt von Berlin und überhaupt alle gesellschaftlichen Probleme ihre eigene Erklärung haben: die Einwanderung von Menschen aus anderen Kulturen. Viel zu spät realisiert Maxi, dass hinter der Instagram-tauglichen Jugendbewegung eine militante Vereinigung steht, die bereit ist, mit allen Mitteln zu kämpfen.
Die europäische Rechte hat einen gehörigen Aufschwung erlebt, vermutlich auch, weil sie sich massiv verändert hat. Statt auf Flugblättern in Frakturschrift wird völkisches Gedankengut heute bei Instagram verbreitet; statt am Tresen wird auf Podien gestritten; statt Glatze trägt man Undercut. Die Rechte hat sich verändert, deshalb müssen sich auch die Erzählungen über sie verändern.
„Wir müssen über die Dinge reden, die uns Angst machen.“
Karl in Je Suis Karl
„’Sieg Heil‘? That was yesterday. Get over it!“
Karl in Je Suis Karl
Auch nachdem der Abspann gelaufen ist, will die Gänsehaut einfach nicht verschwinden. „Kann das wirklich wahr sein?“, fragt man sich immer wieder während der zwei Stunden, in denen eine Jugendorganisation mit vermeintlich besten Absichten nach und nach ihr wahres Gesicht zeigt. Auch wenn die inhaltliche Darstellung der neurechten Gedankenwelt manchmal zu viel Raum im Drehbuch einnimmt und den Fluss stört, sowie die finale Katastrophe etwas forciert ist, sehen wir dennoch einen ergreifenden Film, der bewegende Figuren und unerwartete Wendungen bereithält. Politisches Kino, das nicht nervt oder fertige Antworten liefert, sondern uns gemeinsam mit den Figuren auf eine Reise schickt, deren Ausgang wir selbst in der Hand haben.
Artikel vom 9. Oktober 2021
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