Kritik: Succession – Staffel 1
MEIN GELD, MEINE KINDER UND ICH
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Die Familie Roy schwimmt im Geld. Ob Freizeitparks, Kreuzfahrten oder Nachrichtendienste: das Familienunternehmen “Waystar Royco” hat seine Finger in zahllosen Branchen und scheffelt Millionen im Sekundentakt. Hauptverantwortlich für diesen weltweiten Erfolg ist Familienoberhaupt Logan Roy (Brian Cox). Mit eisener Hand kontrolliert er selbst die kleinsten Bewegungen innerhalb seines Herrschaftsgebietes, vernichtet Konkurrenten und manipuliert die Politik zu seinen Gunsten.
Als Logan an seinem achtzigsten Geburtstag plötzlich einen Schlaganfall erleidet und im Krankenhaus um sein Leben kämpft, beginnt seine ursprünglich felsenfeste Machtposition zu bröckeln. Viele hoffen zwar auf eine gesunde Rückkehr des Oberhauptes, doch ein Thron kann nicht lange unbesetzt bleiben. Schnell wird hinter den Kulissen über einen möglichen Wechsel an der Spitze von “Waystar Royco” spekuliert, wobei besonders die vier Kinder der Roy-Familie in den Fokus geraten. Doch wer übernimmt das Zepter und muss Logan überhaupt abgelöst werden?
Die letzten Monate des Jahrs 2021 standen unter dem Stern der Netflix-Serien. Mitte September löste Squid Game einen weltweiten Riesenhype aus, der die Serie in kürzester Zeit an die Spitze der Streaming Charts schoss. Doch damit nicht genug: Fast nahtlos an den Squid Game Hype folgte die League of Legends Adaption Arcane, die Videospielfans in helle Begeisterung versetzte.
Beinahe zeitgleich zu Netlix’ animiertem Riesenerfolg startete die inzwischen dritte Staffel von HBOs Succession. Seit 2018 läuft das Drama um die schwerreiche Roy-Familie bereits und wurde innerhalb der vier Jahre regelrecht mit Preisen und Lobeshymnen erstickt. Während sich die Serie im englischsprachigen Raum dadurch einen großen Namen machen konnte, fliegt sie in Deutschland allerdings eher unter dem Radar. Doch was ist der Grund dafür? Sperrt das unbeliebte Sky-Ticket-Vorhängeschloss die Serie aus dem Mainstream aus, oder sind es vielleicht die Geschichten von HBO-Serien, die es schwer haben, einen Zugang zur breiten Masse zu finden?
Menschen in grauen Anzügen, riesige Bürohäuser mit Glasfront in New York und Konkurrenzkampf im Medienunternehmen – irgendwie hat man das doch alle schonmal gesehen, oder? Succession kann auf den ersten Blick durchaus etwas trocken wirken. Wen interessiert schon eine Gruppe unsympathischer Anzugträger:innen, die über Deals feilschen? Und tatsächlich: Die Serie verbringt viel Zeit mit Dialogen über mögliche Käufe, Geschäftsbeziehungen oder Business-Intrigen. Doch wer die Serie gesehen hat, wird wissen: niemals waren solche Gespräche spannender als hier.
Denn in Succession geht es nie, um die Geschäfte an sich, sondern immer um die Menschen, die darin verwickelt sind. Der große Dreh- und Angelpunkt aller Konflikte sind keine großen Deals, sondern die Roys und die Dynamik der einzelnen Familienmitglieder untereinander.
Dabei macht die Serie eine Tatsache vor allem anderem sehr deutlich: Die Roys sind keine Sympathieträger:innen. Der älteste Sohn Connor (Alan Ruck) lebt auf einem abgeschiedenen Landanwesen und wirf das Geld seines Vaters für ein hirnrissiges Projekt nach dem anderen aus dem Fenster, Tochter Shiv (Sarah Snook) engagiert sich politisch gegen die Familie und der jüngste Sohn Roman (Kieran Culkin) ist ein schmieriges Großmaul mit fragilem Ego.
Und dann ist da noch Kendall (Jeremy Strong), der zweitälteste Sohn, der am meisten nach der Position seines Vaters trachtet, aber von diesem als zu schwach und unsicher abgeschrieben wird. Während alle Figuren fantastisch geschrieben sind, ist die Beziehung und der Konkurrenzkampf zwischen Kendall und Logan ist in vielerlei Hinsicht das Herzstück der ersten Staffel, welches für die intensivsten Höhepunkte der zehn Folgen sorgt.
Die Serie setzt hier einen Fokus, durch den andere Figuren vorerst mehr in den Hintergrund rücken. Für eine erste Staffel ist diese Entscheidung durchaus sinnvoll, da die Handlung ohnehin komplexe Handlung leicht überfrachtet hätte sein können. Dennoch wirken manche Nebenhandlungen stellenweise wie die Ersatzbank für Figuren, die später wichtig werden. Besonders Shiv Roy, eine der spannendsten Figuren der Serie, hat in der ersten Staffel vergleichsweise wenig mit der Haupthandlung zu tun.
Viele der kleineren Rollen abseits der Haupthandlung nutzt Succession für reichlich absurde und tiefschwarze Situationskomik, die oft auf Kosten der stinkreichen Oberschicht geht. Familie Roy ist derartig reich, dass das Geld und dessen Maximierung eigentlich gar keine Rolle mehr spielt. Wichtig ist nur noch Macht und den Lifestyle des großen Geldes auskosten zu können. So entstehen bizarre Situationen wie ein Dinner, bei dem die Etikette verlangt, dass man sich die Serviette über den Kopf zieht oder der vielleicht irrwitzigste Junggesellenabschied der Filmgeschichte. Fans der grandiosen HBO-Serie The White Lotus werden sich in diesen Momenten wie zu Hause fühlen: Succession ist bissig, genau beobachtet und bitterböse-lustig.
Auf jeden Lacher liefert die Serie allerdings mindestens eine Szene, die wie ein emotionaler Schlag in die Magengrube geht. Succession ist genauso ein tief tragisches Drama, wie eine Komödie. Die Figuren sind zwar regelmäßig lachhaft überzeichnet und Grund-unsympathisch, doch ihre Konflikte fühlen sich nie distanziert an. Hierfür ist die fantastische Figurenzeichnung verantwortlich, die jedem Mitglied der Familie Roy Tiefe und Tragik verleiht. Vielen Geschichten über wohlhabende Familien würde der Reichtum als Charaktermotivation genügen. Doch Succession geht viele Schritte weiter und interessiert sich für das Innenleben und die Vergangenheit von jeder einzelnen Figur.
Deutlich wird dies besonders in kleinen Momenten, die die Vergangenheit der Familie kurz aufblitzen lassen. Echte Einblicke in die Roy-Historie bekommt das Publikum lediglich im brillanten Intro der Serie gezeigt, welches kurze Blitzlichter aus der Kindheit der Roy-Kinder zeigt: ein Vater mit stets abgewandtem Gesicht, eine einsame Figur, die in der Ferne verschwindet, während die Kinder hinterherschauen.
„You are a fucking nobody. A nobody“
Logan Roy zu seinem Sohn Kendall in Succession
Viel stärker als diese offensichtlichen Rückblenden wirken allerdings kleine zwischenmenschliche Momente, die die Vergangenheit in der Gegenwart aufblitzen lassen. Gesten wie der große Bruder, der den kleinen beim Verlassen des Fahrstuhls anrempelt oder die geduckte Körperhaltung in der Anwesenheit des Vaters – die eigentliche Geschichte von Succession wird den Zuschauer:innen nie gezeigt, doch sie ist in jeder Szene und Figur präsent.
In der Balance all der verschiedenen Elemente zeigt sich allerdings auch eine kleine Schwäche der ersten Staffel. Statt dem Publikum etwas mehr Zeit zu geben, um sich in dem komplexen Gewirr zwischen Satire und tragischer Familiengeschichte zu orientieren, wird es direkt ins kalte Wasser geworfen.
Ähnlich wie die Figuren steht man zunächst vor einem Fragezeichen: Der einzige Ankerpunkt (Logan Roy) bricht plötzlich weg, und lässt die Handlung, wie auch das Publikum vor einer großen Lücke zurück. Plötzlich geht es rasendem Tempo um die titelgebende Nachfolge, während man selbst noch bemüht ist, die Namen der wichtigsten Protagonist:innen auswendig zu lernen.
In diesen ersten Folgen wirkt die Serie sehr handlungsorientiert, obwohl das Herz der Serie zweifellos für ihre Figuren schlägt. So braucht es etwas Geduld, um in der Welt von Succession Fuß zu fangen, doch dies ist zum Glück nur ein Problem der ersten Folgen. Ab der Staffelmitte fokussiert die Serie ihre Stärken, arbeitet den Hauptkonflikt heraus und steigert diesen bis zum atemberaubenden, emotionalen Finale.
Dranbleiben lohnt sich!
Die erste Staffel Succession zeigt bereits alle Qualitäten, für die besonders die späteren Staffeln im Übermaß gelobt werden: ein einzigartiges Gespür für bitterböse und wahnsinnig komische Wortgefechte, spannungsgeladene Höhepunkte und vor allem ein fantastisch geschriebenes Figurenensemble. Die ersten Folgen haben zwar zwischendurch Probleme damit, all diese Elemente zu verbinden, doch ab der Staffelmitte strahlt das Genie der Serie von Folge für Folge heller. Fans von anspruchsvollen Charakterdramen sollten sich den Psychokampf der Roy-Familie keinesfalls entgehen lassen.
Artikel vom 13. Februar 2022
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