Kritik: Cocaine Bear
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Eine millionenschwere Ladung Kokain wird, in handliche Päckchen verschnürt, über einem Nationalpark in den USA abgeworfen. Dumm nur, dass der Dealer den Fallschirmsprung nicht überlebt und so nicht dazu kommt, die Päckchen wieder einzusammeln. Die zwei Gangster Daveed (O’Shea Jackson junior) und Eddie (Alden Ehrenreich) begeben sich in den Wald um die Schmuggelware zu suchen. Diese wurde mittlerweile von einer Schwarzbärin gefunden, welche, durch das Rauschgift aufgeputscht, alles attackiert was sich ihr in den Weg stellt – ständig auf der Suche nach weiteren Päckchen um ihrer neu entwickelten Sucht nachzukommen.
Die 80er sind zurück und mit ihnen das Koks. Seit Jahren steigt der Konsum bedenklich stark, denn Kokain ist auf beängstigende Weise die perfekte Droge unserer aufmerksamkeitszehrenden Tage, quasi Netflix‘ „1,5x Geschwindigkeit“-Feature für’s Real Life. Kiffen, da hat doch niemand mehr Zeit für übrig. Wer heute auf der Party die Bong rumreicht, kriegt statt einem herzlichen „Danke, Dude“ nun immer häufiger „ok boomer“ zu hören. Auch auf den Leinwänden hat die Kiffer-Komödie ausgedient, dafür versucht sich Elizabeth Banks jetzt am Comeback eines anderen, nicht ganz ernsthaften Genres – dem Trash. War „filmischer Müll“ ursprünglich eher ein Urteil für misslungene B-Movies, entwickelte sich Trash bald zu einem eigenen Sub-Genre, welches bewusst mit gängigen Konventionen bricht und eine Schar von schmerzresistenten Fans um sich scharen konnte. In den 2010ern fand das Gerne des bewusst-produzierten Trashs einen Höhepunkt mit Filmen wie Machete, Piranha 3D, Dead Snow oder [hier Substantiv einfügen] vs. Zombies. Schnell folgte dann die Katerstimmung, der Hype war vorbei.
Zunächst also sei dem Produktionsteam für den Versuch einer Trash-Rehabilitation Respekt gezollt – mit kaum einem anderen Genre kann man derart schnell Geld versenken. Doch während in Hollywood jeder popkulturelle Schnipsel in ein „Cinematic Universe“ gegossen wird, ist es erfrischend, mal wieder einen Film zu erleben, bei dem es keine großen Überraschungen gibt, sondern Titel und Inhaltsangabe identisch sind. Oder wie es der Titelzusatz von Sharknado, der Mutter aller modernen Trash-Streifen zusammenfasste: Enough Said.
Cocaine Bear ist vor allem erst einmal reine Marketing-Kalkulation. Eine große Kampagne lief dem Film voraus, die vermutlich mehr Filmfans erreicht hat als mancher Oscar-Nominierter. Doch verpufft damit auch ein Teil der Magie: Trash war immer auch die selbstverletzende Suche nach Perlen im Schlamm, eine Art cineastisches Containern. Der bittersüße Genuss von Werken, deren Macher ernsthaft versucht haben, einen guten Film zu machen und im dilettantischen Versagen dann doch liebenswert waren. Cocaine Bear ist Trash auf Bestellung, ein Film der schon bei der Titelgebung erkennen lässt, dass hier niemand eine ernsthafte Intention hatte.
Umso schöner, dass sich nach einem trockenen Auftakt bald doch starkes Momentum aufbaut und sich der Film mehr Mühe gibt, als das Konzept vermuten lässt. Die Filmwelt ist optisch und musikalisch in den 80ern verhaftet ohne zu dick aufzutragen, die Charaktere sind überzeichnet, jedoch ohne allzu albern die Posen der 80s zu persiflieren.
Zu Beginn ist Regisseurin Banks noch darum bemüht, eine Story zu erzählen; es geht um Drogenbarone, pensionierte Gangster, alternde Cops, alleinerziehende Mütter, Halbstarke und schulschwänzende Kids. Im Kinosaal rutscht es unruhig hin und her – wo bleibt der Bär? Die ersten zwanzig Minuten sind langweilig. Nicht trashig-charmant-langweilig, sondern schwaches-Drehbuch-langweilig. Die Menschen, die später dem gepuderten Teddy als Kratzbaum dienen werden, sollen zunächst noch mit Leben gefüllt werden. Na, sei es drum.
Sobald die aufgeputschte Schwarzbärin dann die Bühne betritt, erreicht der Film unerwartete Qualität. Es wird blutig, die CGI ist beeindruckend, die Action schockiert. Genre-unüblich werden hier keine Köpfe abgerissen und die Gewalt ins Absurde überhöht. Bei der zunehmend brutalen Auseinandersetzung zwischen Drogen-Gang und Bär kommt es zu realistischen Knochenbrüchen und fiesen Fleischwunden, die für ernstes Unbehagen sorgen und sich nicht hinter dem Wildnis-Gore von The Revenant verstecken müssen. Die Story ist eine nette Rahmenhandlung, die vor allem als Gerüst dient, auf dem das eigentliche Spektakel stattfinden kann. Die Mitte des Films ist der Höhepunkt, denn, ohne Rücksicht auf Storytelling oder Logik wird hier dem Bär freie Fahrt gewährt, er entwickelt eine wirklich bedrohliche Präsenz.
Zeitgemäße Animation und action-fokussierte Kameraarbeit machen derart Spaß, dass man, während die Menschen durch den Wald tappern, ungeduldig auf den nächsten Auftritt des Bären wartet. Die Krankenwagen-Verfolgungsjagd ist in ihrem sorgsam orchestriertem Gore-Chaos ein kleines Highlight des Jahres.
Nach einem kurzweiligen Trip durch den Wald begibt sich der Film in einem langatmigen Finale dann doch wieder zurück Richtung Zivilisation, in der nicht die brutale Gewalt, sondern menschliche Gefühle regieren. Die Überlebenden kehren dem Wald den Rücken und hoffen, dem Bären nie wieder zu begegnen. Auch wir sind dieser Meinung – trotz unterhaltsamer 90 Minuten ist ein Sequel oder eine neue Welle an Killer-Tier-Filmen nun wirklich nicht nötig.
Nomen est omen: Cocaine Bear verspricht nichts, was er nicht hält. Doch natürlich gehört zu einem 90-Minüter mehr als Aneinanderreihungen von Schwarzbär-Furore. Die Action ist knackig, die Backstory allerdings regelrecht langweilig, trotz einiger guter Schauspieler misslingt der Versuch, in den Figuren irgendetwas anderes als Bären-Spielzeug zu sehen. Doch ist diese mutwillige Vernachlässigung im Storytelling nur konsequent – Trash soll Trash bleiben, auch wenn er noch so viel Spaß macht.
Artikel vom 17. April 2023
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