Kritik: Der Brutalist
Kapital ist brutal
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Der Brutalist erzählt die fiktive Geschichte des ungarisch-jüdischen Architekten László Tóth (Adrien Brody) erzählt. Nach seiner Ankunft in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg erhält Tóth von einem wohlwollenden Förderer und Bewunderer Van Buren (Guy Pearce) die Möglichkeit, ein Gemeindezentrum in Pennsylvania zu entwerfen. Der Film beleuchtet über einen Zeitraum von 30 Jahren die Herausforderungen und Opfer, die Tóth bei der Verwirklichung seines architektonischen Meisterwerks erlebt, und thematisiert dabei den Konflikt zwischen künstlerischem Ausdruck und den Zwängen der Realität.
Regisseur Brady Corbet inszeniert mit seinem monumentalen Film ein Werk über vieles – doch vor allem über die Hingabe an die eigene künstlerische Vision und den steinigen Weg zur Perfektion. Passenderweise entschied er sich, als erster Filmemacher seit über 60 Jahren, einen gesamten Film in VistaVision 35mm zu drehen – ein kompromissloses Stilmittel, das den authentischen Look und das Gefühl der dargestellten Ära einfängt. Sogar eine 15-minütige Intermission, die die epische Laufzeit noch verstärkt, wird unverblümt durch den Projektor gejagt. Ist das wahre Hingabe oder eine beinahe neurotische Form der Filmnostalgie?
Das zentrale Thema der Ambition wird – wenig überraschend, wie bereits die Filmplakate andeuten – durch das Prisma des „amerikanischen Traums“ betrachtet, der sich in Wahrheit als nicht mehr als ein „amerikanischer Mythos“ entpuppt. Diese verkehrte Realität manifestiert sich eindrucksvoll in der auf den Kopf gedrehten Freiheitsstatue zu Beginn des Films.
Es ist eine treffende Ironie, dass ein Film über Konstruktion sich der Dekonstruktion eines der hartnäckigsten Glaubenssätze der kapitalistischen Gesellschaft widmet: Das Ziel ist wichtiger als der Weg – doch was nützt das Ziel, wenn der Weg dich durch Machtmissbrauch und Erniedrigung führt? Wie robust sind deine Prinzipien, wenn du dir selbst gar nicht mehr gehörst, sondern dem Geldgeber?
Adrien Brody ist für diese Rolle wie geschaffen. Sein Schauspiel gleicht einmal mehr einer radikalen Entgiftungskur – jede Emotion scheint durch sämtliche Gesichtsöffnungen ausgewrungen zu werden. Das berühmte „ugly cry face“, verzweifelte Umarmungen, Wutausbrüche und rauschhafte Abstürze gehören dabei selbstverständlich zum Repertoire. So beeindruckend seine Darbietung auch ist, wirklich überraschend wirkt sie nicht – schließlich hat Brody bereits in Der Pianist ähnliche Extreme durchlebt. Tatsächlich fühlt sich seine Darstellung hier fast wie ein inoffizielles Prequel an: ein Überlebender, der sich nicht mehr der Musik, sondern der Architektur verschreibt.
Während Brody mit Toth das aufstrebende, aber von tiefen Traumata geprägte Europa verkörpert, steht der Aristokrat Harrison Van Buren für die Endstufe des amerikanischen Kapitalismus. Guy Pearce spielt Toths wohlhabenden Gönner und Bewunderer mit einer fast karikaturesken Überzeichnung – ebenso wie Joe Alwyn als dessen verwöhnter Sohn Harry. Beide zeigen Interesse an Toths Talent, doch ebenso unmissverständlich machen sie klar, dass nicht nur seine Architektur, sondern auch er selbst in ihrem Besitz steht.
Der Brutalist tarnt sich als historisches Biopic, doch sein Stil bleibt oft zu zurückhaltend, um die tief introspektiven Aussagen mit der radikalen und maximalen Wucht seiner namensgebenden Architektur zu untermauern. Erst im letzten Akt offenbart sich die wahre Brutalität – der rohe Stein der menschlichen Abgründe. Bis dahin verliert der Film jedoch wertvolle Zeit mit Szenen und Nuancen, die letztlich von einem abrupten Epilog hinweggefegt werden – einem Schlag mit dem Vorschlaghammer, der Lazlo Toths Handlungen in wenigen Sätzen erklären soll.
Laszlos Frau Erzsébet wird zwar stark verkörpert von Felicity Jones, doch bis auf einen knallharten Höhepunkt bleibt ihr Charakter mehr Ballast für die Handlung als Antrieb.
Der Brutalist ist kein Blockbuster à la Oppenheimer, kein massentaugliches Meisterwerk, sondern ein künstlerischer Film für Connaisseure und ein intellektuelles Publikum. Sein Unterhaltungswert liegt weniger in einer mitreißenden Erzählung als vielmehr in den feinen Details – der herausragenden Kameraarbeit, den präzisen Kostümen, den nuancierten Darstellungen. Doch genau hier liegt das Problem: Der Film überzeugt in seinen Einzelteilen, aber nie als einheitliches, überwältigendes Gesamterlebnis – jenes Gefühl, das ein über dreistündiges Epos eigentlich hinterlassen sollte.
Dadurch wirken einige der künstlich in die Länge gezogenen Dialoge, Monologe oder Kameraeinstellungen auch leicht prätentiös. Als würde der Film versuchen, ein Meisterwerk zu sein, ohne zuerst ein Film zu sein, der später als Meisterwerk gekürt werden würde.
The Brutalist baut zu hoch. Der Film ist eine intellektuelle Abhandlung über die Koexistenz von Kunst und Kapital, zusammengehalten vom amerikanischen Traum, der auch viel mehr ein Albtraum sein kann. Die Lauflänge wirkt nicht immer verdient und die Erzählung nicht maximal und brutal genug, um es dem thematisierten Bauhaus-Stil gleichzumachen. Es bleibt ein wunderbar inszeniertes und geschauspielertes Drama, das gerne zu den großen Meisterwerken gehören möchte und vielleicht gerade deshalb nicht die Faszination auslöst, die ein Epos dieser Größe durch seine emotionale Wucht eigentlich auslösen sollte.
Artikel vom 23. März 2025
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