Kritik: Friedhof der Kuscheltiere: Bloodlines
MAN LEBT NUR ZWEIMAL
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In der Kleinstadt Ludlow geht alles seinen geregelten Gang, man kennt sich. Doch der Vietnam-Heimkehrer Timmy (Jack Mulhern) versetzt die Stadt in Schrecken. Erst attackiert sein Hund die Freundin von Jud (Jackson White) und bald wird Timmy selbst zur Gefahr für seine Mitmenschen. Die Zeichen verdichten sich, dass Timmys Veränderung von einer dunklen Macht getrieben ist, die seit uralter Zeit auf der Stadt lastet.
Das Werk von Stephen King ist von einem Widerspruch durchzogen: der gefeierte „King of Horror“ füllt ganze Regale mit seinen Schauergeschichten und ist seit fast 50 Jahren Stammgast in den Bestsellerlisten – doch während die Erfolgsromane anderer Autor:innen schon kurz nach Erscheinen erfolgreich verfilmt werden, lastet auf Kings Bibliographie ein Fluch. Zwar verzeichnet er mit Filmen wie Carrie oder The Shining respektable Umsetzungen seiner Zeilen, doch ist das angesichts seines großen Outputs dann doch etwas mau. Auf jede beachtete Umsetzung eines King-Buchs kommen fünf Flops.
Zu oft machen sich die Adaptionen mit Clowns, Zombies oder Werkatzen selbst klein und verlagern den Schwerpunkt der Erzählung an den Rand. Im Kern jedoch, ungreifbar, schlummert das Zentrum des Autors: die Suche nach dem Bösen. Da sich dieses jedem Verständnis entzieht, widmen sich die Verfilmungen lieber den Manifestationen als der Ursache. Im Film Pet Sematary (ignorieren wir die wahnwitzig-sinnlose deutsche Übersetzung Friedhof der Kuscheltiere besser) ist die Präsenz des Bösen fast greifbar, doch windet sich immer wieder aus unseren Händen, wenn wir sie zu fassen glauben. Hot Take: Pet Sematary (1989) ist ein guter Film. Und damit reif für ein Prequel.
Fürs Prequel muss dann nicht einmal viel Fantasie aufgebracht werden, die Story ist bereits im Original in Form einer Urban Legend erzählt: der freundliche Nachbar Jud Crandall (also der gealterte Protagonist des aktuellen Sequels) erzählt vom vor Jahrzehnten „zurückgekommenen“ Timmy. Eine Lagerfeuergeschichte, wie sie typisch ist für King. Bei ihm ist Horror keine temporäre Erscheinung sondern ein wiederkehrender Ausschlag auf dem Zeitstrahl der US-Geschichte – man denke an den 27-Jahre-Zyklus in ES oder das mysteriöse, jahrzehntealte Foto am Ende von Shining. Dass es nun an der Zeit war, sich filmisch der Legende um Timmy zu widmen, ist verständlich, steht jedoch unter keinem guten Stern. Denn sie kann den Pet Sematary-Kosmos zwar weiter ausformulieren, aber nicht ernsthaft erweitern.
Bevor die vernachlässigten Aspekte der Vorlage störend auffallen, ist noch alles stimmig. Die Kleinstadt, das fast schon Playmobil-hafte Setup: Mutter, Vater, Kind, Sheriff, Bürgermeister, Priester. Die breite Palette an Figuren wird etwas ungelenk eingeführt, bereits in den ersten 15 Minuten ist der gesamte Cast aufgelaufen und möchte jongliert werden. Mit Pam Grier und David Duchovny sind zwei Stars dabei, die jedoch unterfordert (Grier) und seltsam undurchsichtig (Duchovny) spielen. Zwei Native American Figuren erweitern den Plot sinnvoll – der verfluchte, abgelegene Friedhof wird weiter mythisch aufgeladen, doch bei weitem nicht ausgereizt. Der eigentliche Friedhof, in dem in dunklen Ritualen Lebewesen vom Tode auferstehen taucht seltsamerweise gar nicht auf. Der riesige Asthaufen, eine traumhaftes Symbol der Grenzüberschreitung, war im Original einprägsames Setdesign, jetzt im Prequel nur noch Hintergrund-Füllmaterial.
Die King-typische Americana of Evil, das kunstvoll geschmiedete Zusammenspiel aus US-Geschichte und Horror, prägt das Drehbuch. Als Heimkehrer aus Vietnam verkörpert Timmy das kollektive Trauma der Nation. Die Natives Donna und Manny bringen das unterdrückte, ignorierte Trauma der Ureinwohner aufs Tableau. Mit seinem Holzmasken-Hokuspokus wirkt dieser Handlungsstrang jedoch unausgearbeitet und ist vor allem doch wieder durch eine „weiße“ Perspektive erzählt. Moderner, kultursensibler Horror muss Klischees und Folklore nicht ausklammern, Bloodlines sieht sich gezwungen, damit zu arbeiten, scheut aber das tiefere Abtauchen in die Materie.
Erst zur Hälfte findet die Story wirklich zu sich selbst, sprich: zu einer Zombie-Hatz durch Krankenhäuser und Vorstadtgärten. Da gibt es schlechteres, dem Erbe der Reihe wird es jedoch nicht gerecht. Obwohl die Dialoge gut sind und die unter der Oberfläche brodelnde Faszination fürs Leben, Sterben und Wiederauferstehen hervorheben; obwohl ein- aus- und umgegraben wird und man sich damit nah am Knackpunkt der Geschichte um Loslassen und Wiederbeschwören befindet, bewegt sich die Handlung nie zielstrebig in diese Richtung, sondern irrt drumherum.
Wie in den meisten von Stephen Kings Werken sind die Monster nur Platzhalter für den eigentlichen, unbeschreiblichen Schrecken hinter der Schattenwand. Aus der Story um die menschliche Leidenschaft, verlorenes wieder heraufzubeschwören, wird ein netter Gruselfilm, der trotz ambitioniertem Drehbuch nie ganz zu sich selbst findet. Der im Dunkel stochert, um seinen Gegenstand zu finden: das Böse. Doch wer etwas aus der Tiefe heben will, braucht nicht nur Werkzeug und Kraft sondern vor allem: einen guten Plan.
Artikel vom 27. Oktober 2023
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