Kritik: Memory of Water
TROCKENE ANGELEGENHEIT
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Skandinavien, in unbestimmter Zukunft: Die Klimakatastrophe hat nicht nur zu Kriegen und Massensterben geführt, sondern auch die Lebensgrundlage der Menschheit in ernsthafte Gefahr gebracht – die Trinkwasserquellen sind beinahe aufgebraucht. Für die Teemeisterin Noria ist jeder Tag ein Kampf ums Überleben, Wasser gibt es nur in festgelegten Rationen, ausgegeben von der totalitären Militärregierung. Doch als Noria von ihrem Vater eine geheime Karte erbt, begibt sie sich auf eine Reise die sie zu bisher unbekannten Wasserquellen und damit der Zukunft der Menschheit führen könnte.
„I don’t want you to be hopeful. I want you to panic.” Jahre sind vergangen, seit Greta Thunberg mit diesen drastischen, jedoch definitiv eindrucksvollen Worten aufforderte, die Klimakrise als die ernsthafte Gefahr zu begreifen, die sie ist. Einige Maßnahmen wurden ergriffen, ob richtig und wirkungsvoll soll an dieser Stelle nicht bewertet werden, doch Tatsache ist: Panik ist noch keine da. Fakten und theoretische Szenarien eignen sich wohl nicht, gut um die Urangst des Menschen zu wecken. Das Kino als emotionaler Erfahrungsraum bietet da schon andere Möglichkeiten. In Memory of Water wird eine Welt inszeniert, die an vielen Orten der Erde bereits jetzt Realität ist: Wasserknappheit und repressive Regierungen, welche die verbleibenden Ressourcen verwalten. Doch auch in diesem Film steigt keine Panik auf, denn trotz dem erschreckend wahrscheinlichen Szenario des weltweiten Wassermangels (wenn die Menschheit nicht vorher an Hitze, Viren oder Atomkriegen vergeht) stellt sich zu keinem Moment das Gefühl ein, dass das Gezeigte wirklich realistisch ist.
Dabei geht es zunächst um Kleinigkeiten. Verwöhnt durch eine unüberblickbare Zahl an dystopischen Filmstoffen erwarten Zuschauer:innen ein faszinierendes Bild einer Parallelwelt. Die Erfolge von Zukunftsvisionen wie beispielsweise in Black Mirror erklären sich dadurch, dass diese mit kleinen Details Unbehagen erzeugen und spürbar machen, wie vertraut und doch anders die Zukunft sein wird. Sie zeigen nicht nur, wie die Zukunft sein wird, sondern wie sie uns verändern wird. Im dargestellten Skandinavien der Zukunft scheinen sich die Menschen jedoch kaum verändert zu haben. Der Drehbuchautor meint, mit der „Welt ohne Wasser“ einen tollen Einfall gehabt zu haben, beschäftigt sich aber nicht damit, wie sich die Menschen in dieser Welt wirklich verändern würden. Eine absolut flache Kulisse ist die Folge. Denn nicht nur bereichernde Details (wie putzen sich Menschen die Zähne? Wie waschen Menschen Kleidung? Was essen Menschen?) fehlen, sondern auch das große Ganze funktioniert einfach nicht.
Wir alle kennen die Symptome von Dehydration und mussten diese vielleicht sogar schon am eigenen Leib erfahren. Verwundert beobachten wir da die Figuren dieses Films – in ihrer wasserlosen Welt ist körperlich kein Wassermangel spürbar. Gesunde Haut, keinerlei Müdigkeit oder Schwäche, nicht mal unter trockenen Lippen werden die Menschen der Zukunft leider müssen. Topfit wuseln unsere Heldinnen durch Sets, die wie Überreste vom Children of Men-Dreh wirken und zu allem Überfluss gibt es sogar eine wenig beeindrucken Rave-Szene. Die Nacht durchtanzen kann ohne Wasserzufur bereits heutzutage zu gesundheitlichen Schäden führen. Im Film stehen Noria und Sanja danach auf der Matte als wäre nichts gewesen.
Schade, dass sich Filmemacherin Saara Saarela nicht mehr Drama, man möchte sagen, mehr Panik zutraut. Ihre kerngesunden Schauspieler:innen machen abseits von fehlenden Dehydrierungs-Symptomen einen überzeugenden Eindruck. Statt großer Gesten dominiert ein angenehm zurückhaltendes, nordisches Schauspiel der Augen. Eine breite Palette an Emotionen wird über die Blicke übertragen und verbinden die Figuren.
Doch ab der Hälfte verliert man die Lust an den Figuren, der Spannungsbogen, welcher ohnehin nie wirkliche Höhen erreichte, flacht schnell ab. Vorhersehbar und konventionell marschiert die Handlung durch dystopische Gemeinplätze.
Militarismus, Propaganda, Aufstand von unten, quasi-messianische Fantasien von Einzelgängern, welche die dem Untergang geweihte Welt retten können. Alles hat man schon gesehen, zu jeder Szene hat man quasi das Konkurrenzprodukt im Kopf. Sideplots und zusätzliche Handlungsmotivationen gibt es diverse, da müssen Kinder geheilt, Freundschaften gekittet und Mütter gewarnt werden, während nebenbei nach Wasser gesucht wird. Doch bleibt das alles trockene Drehbuch-Theorie, dramatisches Füllmaterial auf dem Weg zum Finale.
Warum diesen Film anschauen? Tatsächlich ist diese Frage nicht zu beantworten. In der Fülle der dystopischen Zukunftsvisionen ist dieser reine Stangenware, die mit nichts wirklich punkten kann. Die Story hält keinerlei Überraschungen bereit und verharrt in den immer gleichen Handlungs-Schleifen, die eigentlich seit Jahren überwunden sein sollten. Die Sets sind uninspiriert und lassen bereichernde Details vermissen, das Szenario einer wasserlosen Welt wird kaum ernsthaft erforscht. Billige Sci-Fi wie aus längst vergangenen Dekaden.
Artikel vom 15. Juni 2023
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