Kritik: The Babysitter
Aus Babysitterin wird Babykillerin
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Aus Babysitterin wird Babykillerin
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Der 12-jährige Cole (Judah Lewis) ist ein Außenseiter, wie er im Buche steht: er hat nerdige Interessen, in der Schule wird er von Jeremy (Miles J. Harvey) und seiner Gang gemobbt und vor Spinnen hat er ebenso viel Angst wie vor dem Autofahren. So richtig er selbst kann er eigentlich nur bei seiner Babysitterin Bee (Samara Weaving, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri) sein. Die charmant-witzige Blondine lockt ihn spielerisch aus seiner Reserve und gibt Cole das Gefühl, angenommen zu sein. Das ändert sich jedoch schlagartig, als er beobachtet, wie Bee und ihre Freunde nach seiner Bettzeit okkulte Praktiken im Wohnzimmer seiner Eltern durchführen und dabei einen nichts ahnenden Kerl abstechen…
Wenn The Babysitter eins ist, dann ist es klischeebeladen. Dabei kann man sich jedoch nie wirklich sicher sein, ob man Drehbuchautor Brian Duffield dreisteste Schreib- und Denkfaulheit unterstellen muss oder ihm für sein augenzwinkerndes Rip-Off des amerikanischen Slasher-Genres huldigen soll. Denn hier wird wirklich nichts ausgelassen!
Zunächst hätten wir einen Haufen Figuren direkt aus der Stereotyp-Schmiede: das heiße Blondchen, der fluchende Schwarze, die spooky Asiatin, der durchtrainierte Jock, der Vollblut-Nerd und das oberflächliche Flittchen. Nein, diese Konstellation an durchgekauten Charakteren KANN man unmöglich ernst meinen.
Auch die Story riecht nach Erstsemester an der Filmhochschule: in der 20-minüten Exposition wird im Schnelldurchlauf umrissen, wovor unser Protagonist so alles Schiss hat (Spinnen, Autofahren, Spritzen, Bullies, Mädels anquatschen). Anschließend wird er in seiner persönlichen Horrornacht 1:1 durch genau diese Szenarien gejagt. Klar, aus unserem schüchternen Buben muss ja im Lauf des Films ein echter Mann werden, der sich seinen Ängsten stellt – Character Development und so. Diese inhaltliche Lustlosigkeit muss und sollte man einfach ertragen.
Das Verrückte an The Babysitter ist nämlich: er ist von der ersten Sekunde an richtig unterhaltsam. Wenn man akzeptiert hat, dass hier rigoros bekannte Horror-Elemente wiedergekäut und auf die Leinwand gespuckt werden, macht die ganze Angelegenheit plötzlich mächtig Laune. Viele der Gags zünden, auch wenn einige Rohrkrepierer dabei sind. Das macht Regisseur McG allerdings durch witzige inszenatorische Einfälle wieder wett (Stichwort: Messer in der Spülmaschine).
Natürlich muss bei einem klassischen Ami-Schocker auch ordentlich gemetzelt werden. Und The Babysitter fackelt nicht lange, bevor es an die Eingeweide geht. Splatterfans kommen auf ihre Kosten, auch wenn das Blutvergießen verhältnismäßig zahm ist. Doch hübsch anzusehen ist das allemal.
Lediglich die Horrorgemeinde wird enttäuscht sein, denn The Babysitter ist in erster Linie eine Komödie. Die paar Jumpscares, die hier aufgefahren werden, riecht man Meilen gegen den Wind. Also nichts für anspruchsvolle Gruselfreunde, eher was für gut gelaunte Kumpels mit Bier.
Der gut aufgelegte Cast macht das beste aus den hoffnungslos eindimensionalen Figuren. Die vielschichtigste Rolle hat noch Judah Lewis, der seinen nerdigen Cole glaubhaft und schlicht liebenswert verkörpert. Noch wichtiger: die Chemie zwischen ihm und Samara Weaving stimmt.
Die sympathische Australierin zeigt vor allem in der ersten Hälfte des Films, dass sie mühelos zwischen sexy, tough und lässig-kumpelhaft hin und her springen kann. Dafür braucht sie gerade mal eine kleine Montage und schon ist ihre Figur etabliert. Leider wird ihr zur zweiten Hälfte des Films nur noch wenig Raum gelassen und sie wird zur psychopathischen Killerin reduziert.
Alle weiteren Schauspieler tun, was sie tun müssen, um die Gags sicher ins Ziel zu bringen. Da ist kein Platz für Meisterleistungen, doch die Performances sind allesamt so selbstironisch dargeboten, dass sie sich stimmig in das Gesamtwerk einfügen. Und mehr braucht es hier auch nicht!
Wenn man bedenkt, dass Joseph “McG” Nichol Streifen wie Drei Engel für Charlie oder Terminator: Die Erlösung in seiner Vita stehen hat, wirkt The Babysitter eher wie eine Fingerübung für zwischendurch. Handwerklich gibt es hier wenig zu meckern, die Action und die Bilder stimmen, der Humor zündet meist und eine Portion selbstreferenziellen Nonsense gibt’s gratis noch dazu.
Inszenatorisch tobt sich McG gerade in der ersten Filmhälfte aus. Selbst die normalsten Dialoge werden mit basslastigem Trap und witzig-übertriebenen Zooms aufgewertet. Später zieren zudem mehrmals Grindhouse-typische Schriftzüge die Szenen und sorgen zumindest anfangs noch für ein paar Lacher, bis sich der Gag dann schnell abnutzt. Was sich der Regisseur allerdings bei einer früh platzierten und komplett unnötigen “Plansequenz” in Ego-Perspektive gedacht hat, bleibt ein Rätsel. Nicht jede technische Spielerei verfolgt hier einen Zweck.
Obwohl sich viele unserer Kollegen das Maul über The Babysitter zerrissen haben, sind wir uns einig: der Film von McG kommt trotz seiner Klischee-Überladenheit überraschend frisch daher. Die Story ist belanglos und konstruiert, die Figuren sind lachhaft einseitige Stereotype, doch das alles wird hier förmlich zelebriert. Die Szenen sind so vollgestopft mit witzigen, absurden und teils blutigen Elementen, dass die 90 Minuten wie im Flug vergehen. Horrorfans werden enttäuscht sein, doch wer sein Hirn für eine Weile ausschalten und über witzige Splatter- und Comedy-Momente lachen möchte, wird hier bestens bedient. Ein kurzweiliger Film, der sich überhaupt nicht die Mühe macht, etwas anderes zu sein, als plumpe Unterhaltung. Und warum auch nicht?
Artikel vom 5. März 2018
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