Kritik: Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
DIALOG-GEWITTER DER EXTRAKLASSE
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Im Herzen der toughen Mildred Hayes (Frances McDormand, Moonrise Kingdom) findet sich nur noch tiefe Verbitterung und bitterböser Sarkasmus. Seit ihre Tochter nachts vergewaltigt, angezündet und zum Sterben zurück gelassen wurde, ist in der Familie Hayes nichts mehr, wie es war. Um Druck auf die offenbar im Dunkel tappenden Behörden auszuüben, mietet sich Mildred kurzerhand drei Werbetafeln und bestückt diese mit einer provozierenden Frage an den örtlichen Sheriff Bill Willoughby (Woody Harrelson).
Für diesen ist dieser öffentliche Pranger natürlich ein Dorn im Auge. Dennoch geht der zweifache Familienvater wesentlich entspannter an die Sache ran, als sein Kollege Officer Jason Dixon (Sam Rockwell) – dieser lässt nämlich nicht lange mit sich reden, bevor er die Waffen sprechen lässt…
Bereits in Brügge sehen… und sterben? und 7 Psychos vereinte der brillante Filmemacher Martin McDonagh eine durchdachte Handlung mit staubtrockenen Dialogen und leicht abgedrehten Figuren, die trotz allem Humor stets glaubhaft blieben. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist – dem Himmel sei Dank – keine Ausnahme davon. Die bewegende Geschichte über Verlust, Vorurteile, Wut und Gewalt ist so fein erzählt, wie nur selten in einem Film der letzten Jahre.
“Comic Relief” ist der zweite Vorname des wortgewandten Iren: fast durchgehend wird die eigentlich sehr düstere Handlung mit herrlicher Situationskomik und frechen Wortsalven durchzogen. McDonagh spielt dabei gekonnt mit Klischees, Vorurteilen und Stereotypen – zeichnet diese Momente aber vielschichtiger, als man es zunächst annehmen möchte. Der etwas zurückgebliebene Cop Dixon ist eben nicht nur eine rassistische Pfeife; sein Chef Willoughby zeigt auch seine weiche Seite fernab vom Polizeidienst; selbst unsere Protagonistin ist nicht nur eine Powerfrau mit Hang zu Verbalattacken – sondern eine zerbrechliche, zutiefst verletzte Persönlichkeit.
Der Schauplatz in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ändert sich über die gesamte Laufzeit nicht großartig. Alle Szenen spielen in dem kleinen Dörfchen, viele davon bestehen nur aus Dialogen. Dennoch ist der Film zu keiner Sekunde uninteressant: und das ist nicht nur dem großartigen Drehbuch, sondern auch den phänomenalen Schauspielern zu verdanken.
Frances McDormand spielt preisverdächtig! Es macht unverschämt viel Spaß ihr dabei zuzusehen, wie sie ihre Mitmenschen mit nur wenigen sarkastischen Sätzen (und manchmal einem Tritt zwischen die Beine) rund macht. Ihr Timing und das teilweise unterkühlte Spiel sind dabei enorm präzise, ebenso schafft sie es in den emotionalen Momenten des Films, eine ganz andere Facette ihrer Figur zu verkörpern. Eine Oscar-Nominierung hat die Schauspielerin so gut wie sicher (nachdem sie bereits für den Golden Globe nominiert ist).
Der ohnehin immer großartig aufspielende Woody Harrelson (Planet der Affen: Survival) steht McDormand dabei in Nichts nach. In nur wenigen Minuten etabliert er eine Figur, die eine ganze Bandbreite an Emotionen und Charakterzügen an den Tag legt. Als trotteliger “Antagonist” brilliert auch Sam Rockwell (Moon). Der schießt mit seinem extravaganten Acting erfreulicherweise nicht über das Ziel hinaus, sondern schafft den Spagat zwischen ultrabrutalem Auftreten und glaubhafter Menschlichkeit. Auch er wurde mit einer Golden Globe-Nominierung bedacht und wird sich auch ziemlich sicher Hoffnungen auf einen Goldjungen machen können.
Doch hier hört es längst nicht auf: der Cast wird von Hochkarätern wie John Hawkes, Lucas Hedges (Manchester By The Sea), Sandy Martin (Napoleon Dynamite) und einem kleinen, aber nicht bedeutungslosen Auftritt von Peter Dinklage (Game of Thrones) erweitert. Hier ist jede Besetzung ein Glücksgriff!
An der Kombination aus tief gehender, bewegender Story und schwarzem Humor haben sich schon viele Filmemacher gewagt – doch nur wenige beherrschen diese Art des Storytelling wirklich. In Three Billboards Outside Ebbing, Missouri wird diese Disziplin formvollendet.
Die Prämisse ist so beunruhigend, wie sie nur sein kann. Und dennoch sind die Szenen oft so komisch, dass man lauthals losprustet – bis wenige Sekunden später eben jenes Lachen wieder im Hals stecken bleibt. Denn nicht nur die Protagonistin kämpft mit furchtbaren Umständen – auch die anderen Charaktere offenbaren Stück für Stück, mit was für Schicksalsschläge sie zu kämpfen haben. Das Resultat ist ein Film, der in seiner Charakterzeichnung und seinem Realismus ausgeglichen und niemals gewollt wirkt.
Neben dem kongenialen Drehbuch und der starken Führung seiner Schauspieler muss man Martin McDonagh auch für seine Inszenierung loben: alle Szenen mit der oben erwähnten Mischung aus Klamauk und Tragik wirken auch deshalb so stimmig, weil sie stets durchdacht in Szene gesetzt werden. Die Kamera fängt unaufgeregt das träge Kleinstadtleben ein, während der passende Soundtrack sein übriges zur Atmosphäre des Werkes beiträgt.
Dabei bricht McDonagh nur einmal aus seiner einheitlichen Inszenierung aus – wenn er in einer imposanten Plansequenz einen bitteren Höhepunkt in seinem Film platziert. Lediglich ganz am Ende geht dem Film ein wenig die Luft aus, ein paar Minuten weniger hätten nicht geschadet. Aber das trübt den Gesamteindruck nicht: allerspätestens mit Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist der Filmemacher im Olymp der Meisterregisseure angekommen und darf sich ebenso wie McDormand und Rockwell auf einen potenziellen Golden Globe und Oscar freuen.
Der irische Regisseur Martin McDonagh liefert einmal mehr ein berührendes, zutiefst tragisches und gleichzeitig urkomisches Meisterwerk ab. Die Geschichte ist durchtränkt von wunderbar vielschichtigen Figuren, die im Laufe des Films allesamt aus ihrer Stereotyp-Schublade klettern. Dies gelingt vor allem auch durch die sensationelle Regie und dem überragenden Cast, der einfach nur brillant aufspielt. Die staubtrockenen Dialoge werden im Sekundentakt abgefeuert – und vermengen sich angesichts der tragischen Wendungen zu einem bewegenden Gesamtwerk, bei dem einem schon mal das Lachen im Hals stecken bleibt. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri ist ein Film, wie er nur alle paar Jahre das Licht der Welt erblickt. Bei den Golden Globes und den Oscars dürfte er jedenfalls gute Karten haben.
Artikel vom 18. Dezember 2017
heute gesehen. fand ihn ganz okay, aber “Meilenstein” find ich leicht übertrieben. lg
ebenso übrigens wie den Golden Globe für den besten Film… :-P