Kritik: Winnie the Pooh – Blood and Honey
ER IST GROSS UND HÄSSLICH UND STOLZ DARAUF
▶ Jetzt direkt streamen auf:
[jw_add_widget-sc]
ER IST GROSS UND HÄSSLICH UND STOLZ DARAUF
▶ Jetzt direkt streamen auf:
[jw_add_widget-sc]
Winnie the Pooh und seine Freunde sind in Blood and Honey sehr hässliche Mischwesen aus Mensch und Tier, die gemeinsam im Hundert-Morgen-Wald leben. Ein kleiner Junge besucht sie regelmäßig, er heißt Christopher Robin, und freundet sich mit Pooh, Ferkel, I-Ah und den anderen an. Christopher Robin versorgt seine halb-tierischen Freunde mit Essen, sie vertrauen ihm, er passt gut auf sie auf. Doch Christopher Robin wird immer älter und zieht irgendwann weg vom Hundert-Morgen-Wald, um an einer Universität zu studieren.
Pooh und seine Freunde verwahrlosen ab diesem Moment und müssen Schreckliches tun, um zu überleben. Wegen ihrer Traumata hören sie auf zu sprechen und werden immer mehr zu bloßen Tieren. Das äußert sich darin, dass sie brutal Jagd auf Menschen machen und diese zerstückeln, überfahren, erstechen, erschlagen, essen, verbrennen, auspeitschen und mit der flachen Hand ins Gesicht schlagen (nur eine kleine Auswahl). Über Jahre hinweg nähren sie so ihren Hass auf Christopher Robin, den ehemaligen besten Freund – und jetzigen Erzfeind. Am Anfang von Blood and Honey betritt dieser endlich wieder den Wald und das Gemetzel beginnt.
Winnie the Pooh kennen wohl die meisten als pummeligen, gutmütigen und honigliebenden gelben Bären aus dem Disney-Franchise. Der britische Autor A.A. Milne dachte sich Winnie the Pooh jedoch schon 1926 für seinen Sohn Chistopher Robin aus, Vorlage war dessen Kuscheltier. Viele andere Tier-Figuren wie Ferkel, I-Ah und Tigger dichtete Milne hinzu, sie waren in seiner Geschichte mit Pooh und Christopher Robin, der literarischen Figur, befreundet. Der echte Christopher Robin, Milnes Sohn, ist 1996 verstorben. So viel vorweg: Gut für ihn in diesem Fall, denn zumindest musste er dann nicht mit ansehen, wie die Schöpfung seines Vaters und sein eigener Name in einem so schrecklichen Film wie Winnie the Pooh: Blood and Honey fast noch schlimmer geschändet werden als die etlichen austauschbaren Frauenfiguren in diesem Film.
Warum diese Freundinnengruppe überhaupt in den Hundert-Morgen-Wald fährt, obwohl am Anfang immer wieder Nachrichten von „verstümmelten Leichen“ zu hören ist, bleibt völlig offen. Die Therapeutin der Protagonistin, rät ihr, mal allein abzuschalten, denn sie leidet an den psychischen Nachwirkungen eines Stalking-Vorfalls. Statt allein, fährt sie mit vier Freundinnen in den Hundert-Morgen-Wald. Aber auch das ist eigentlich völlig egal, der Film ignoriert irgendwann völlig, dass die einzelnen Mordopfer mal als eigenständige Charaktere eingeführt wurden und degradiert sie relativ schnell zu reinem Fleisch – sei es im Bikini im Whirlpool, nackt in den gelben Händen Winnie Poohs oder in einer der vielen sinnlos brutalen Mordszenen. Es wirkt so, als wäre Regisseur Rhys Frake-Waterfield mit den 86 Minuten Laufzeit überfordert gewesen, sodass er dringend noch etwas Füllmaterial brauchte. Der Film wirkt stellenweise zufällig zusammengestellt, viel Schnitte machen keinen Sinn.
Blood and Honeys Ideenlosigkeit ist fast schon die eigentliche Überraschung am Film. Die ersten beiden Minuten sind ganz interessant. In einer gezeichneten Geschichte wird das Szenario vorgestellt. Frake-Waterfields Pooh- und Ferkel-Monster haben dann aber weder viel mit der anfänglichen Geschichte noch mit dem Kinderbuch zu tun. Es sind einfach zwei hässliche Gestalten, die im Wrong Turn-Stil durch irgendeinen Wald laufen und Menschen umbringen. Wären dann wenigstens die Morde interessant, oder selbstironisch, oder logisch, oder mit tollen oder kreativen praktischen Effekten oder Kameraeinstellungen inszeniert, dann wäre der Film wenigstens aus Trash- oder Genre-Liebe sehenswert. So reicht es für die Zuschauenden völlig zu wissen: Irgendein Regisseur hat einen Slasher- und Splatter-Film mit Winnie the Pooh als Bösewicht gemacht. Das ist der einzig auch nur im Ansatz witzige oder spannenden Gedanke bei diesem Film.
Wer sich dennoch auf Blood and Honey einlässt, sieht einen der hässlichsten Filme aller Zeiten. Die Produktionen von den Asylum oder Splendid-Studios haben wenigstens noch die Selbstironie und das damit zusammenhängende Selbstbewusstsein, die eigene Hässlichkeit als witzige Stärke zu verkaufen. Winnie the Pooh stapft hier nur durch ein hässliches Bild nach dem anderen, mit schrecklicher Wackelkamera, die während der Actionszenen für Kopfschmerzen sorgt und seltsamen Nebeleffekten sowie viel zu dunklen und verschwommenen Bildern. Der Film lässt kaum Lacher zu, nur Ekel und Abscheu – es bleibt keine Sympathie für das Szenario, denn Blood and Honey ist nur ein seelen- und herzloser Griff in den Geldbeutel der zahlenden Zuschauer, die dafür bestraft werden, die Idee witzig zu finden. Ein böser Film durch und durch, nicht nur wegen der sinnlosen übertriebenen Gewalt, die kaschieren soll, dass hier überhaupt nichts stimmt, sondern auch wegen dieser Schamlosigkeit.
Der Film ist so billig produziert, dass schon während der Produktion angekündigt werden kann, dass noch ein zweiter Teil kommen wird. Kein Wunder, denn Blood and Honey hat wegen seiner dreist dummen Grundidee einen kleinen Internethype ausgelöst und wurde wegen der interessanten rechtlichen Fragen rund um die Winnie the Pooh-Lizenz überproportional viel diskutiert. Wenn man dann eine Rechnung anstellt: Die billigsten Prothesen und Masken für Pooh und Ferkel plus Szenenbilder aus Holz, die jeder Grundschüler besser basteln kann plus das Geld für die schlechtesten Schauspieler der Welt, denen ihre Karriere offensichtlich egal ist plus etliche Liter Kunstblut – dann ist der Film sicherlich problemlos ein finanzieller Erfolg. Wie gesagt: Dieser Film ist faul, dumm und böse.
Dass man aus komplett bescheuerten Ideen zumindest solide kurzweilige Unterhaltung machen kann, hat Cocaine Bear erst vor Kurzem bewiesen. Dass man Blut, Splatter und Gore-Effekte nicht nur zum reinen Selbstzweck verwenden muss, ist seit Texas Chain Saw Massacre klar. Dass ein kleines Budget kein Grund ist, ausschließlich generische Elemente wahllos aneinanderzureihen, sondern trotzdem immer Raum für Kreativität bleibt, hat Sam Raimi schon vor Jahrzehnten mit dem ersten Evil Dead gezeigt. Und dass, wenn man ganz auf die Trash-Karte setzen will, selbst völlig hirnbefreite Selbstironie mehr Spaß macht als jede Szene aus Blood and Honey, zeigen die Billigproduktionen von Splendid Films oder die Schlefaz-Freitagabende auf Tele5 immer wieder. Es gibt also keine Ausrede für diesen Film, so schlecht zu sein. Wer ihn trotz allem schauen will: Wartet auf das Heimkino, und „genießt“ ihn dann mit einigen alkoholischen Getränken. Aber geht lieber für etwas anderes ins Kino.
Winnie the Pooh: Blood and Honey ist ein hassenswertes Werk, dessen Existenz A.A.Milne und Christopher Robin definitiv in ihrer wohlverdienten Grabesruhe stören wird. Ich würde mich tierisch aufregen, wenn mein Lebenswerk so schamlos missbraucht würde für einen schlechten und hässlichen Film, der dennoch genug zahlende Kunden findet. Keine einzige eigene Idee, keine Kreativität im Umgang mit der Quelle, kein ernsthaftes Interesse an Figuren, Geschichte oder Genre. Dafür viele blutige Morde, die allesamt aus anderen Slashern und Splatter-Filmen geklaut sind. Finger weg von diesem Honig!
Artikel vom 24. Mai 2023
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!