So komplex war Marvel noch nie
Es muss ausgesprochen werden: Das Avengers-Universum entwickelt sich zu einem der besten Blockbuster-Franchises aller Zeiten. Kommerz hin oder her, so ein komplexes System aus Charakteren und Handlungssträngen, über mehrere Filme verteilt, findet man sonst selten. Mit The Return of the First Avenger, Avengers 2: Age of Ultron und nun Civil War, legen die Produzenten einen derart starken Hattrick hin, dass die Frage nach der Berechtigung des Überflusses an Comicfilmen nun vorerst beantwortet ist. Solange ihr’s so drauf habt, gebt uns ruhig mehr!
Comic-Charaktere sind eindimensional? Von wegen! Über die vielen Filme hinweg haben Robert Downey Jr., Scarlett Johansson und selbst Chris Evans ihre Charaktere so vertieft und geschliffen, dass sie sich neben Ikonen des Blockbuster-Kinos wie Indiana Jones, Han Solo oder Jack Sparrow nicht zu schämen brauchen. Allen voran ist Iron Man so Stark wie nie zuvor. Er verbindet Sympathie, Coolness, Genie, Witz und Dramatik in einer Person, während ab und zu noch seine alte Playboy-Attitüde durchschimmert. Besonders gegen Ende des Films bekommt sein Charakter emotionale Szenen, die man bisher von ihm noch nicht gewöhnt war. Sein Konflikt mit Steve Rogers, der ihrer engen Freundschaft im Weg steht, sorgt für einige intensive Momente.
Die etwas neueren Gesichter des Marvel-Cinematic-Universe überzeugen genauso. Der Geheimfavorit ist Vision (Paul Bettany), die synthetische Intelligenz in Menschenform. Während wir ihn in Age of Ultron noch mit göttlicher Macht und dramatischem Cape durch den Himmel fliegen sahen (er konnte sogar Thors Hammer aufheben!), läuft er hier zum Großteil in Rollkragenpulli und Polohemd durch die Gegend. Während er versucht menschliches Verhalten zu adaptieren, wirkt er durch seine eloquente Ausdrucksweise oft wie ein Sheldon Cooper aus der Serie The Big Bang Theory.
Weitere Volltreffer sind die beiden Bindestrich-Helden Ant-Man (Paul Rudd) und Spider-Man (Tom Holland). Sie werden erst in der zweiten Hälfte des Films rekrutiert, sorgen dort aber mit Abstand für die größten Lacher.
Als wir erfuhren, dass Marvel SCHON WIEDER einen neuen Spider-Man auf die Leinwand bringt, haben wir uns einfach abwinkend umgedreht. Jetzt wissen wir’s besser: Tom Holland passt in die Rolle des Peter Parker mindestens so gut wie Spider-Man in seinen Anzug. Er bekommt zwar eher wenig Screentime, doch jede seiner Szenen nagelt er an die Wand. Er ist weder ein Schönling wie Andrew Garfield, noch fehlt ihm die etwas unangenehme Naivität von Tobey Maguire. Tom Hollands Peter Parker ist ein ganz normaler, und vor allem authentischer, Teenager.
Wie lustig kann Civil War schon sein?
Wir alle wissen was kommt. Die Avengers reißen auseinander, ein Team aus Freunden wird zerstört. Das hört sich alles nach viel mehr Tränen und Dramatik an, als nach Humor. Tatsächlich ist auch die erste Hälfte von The First Avenger: Civil War genauso so unlustig wie ein Bourne-Film. Wenn gerade mal keine raue Actionsequenz auf die Zuschauer einschlägt, dann bekommt man erstaunlich oft politische Konferenzräume zu sehen. Geht’s dir gut, Marvel? Oder bist du einfach erwachsen geworden?