8.7/10

Episodenguide: Better Call Saul – Staffel 4

Alle Folgen in der Kritik

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Genres: Drama, Krimi, Startdatum: 07.08.2018

Interessante Fakten für…

  • Für viele extreme Aufnahmen, wie z. B. “auf dem Boden, gerade nach oben” oder “aus dem Inneren einer Kaffeetasse”, wird eine sehr kompakte Panasonic Lumix DMC-GH4 Kamera verwendet.

Better Call Saul meldet sich mit Staffel 4 zurück und nähert sich der Mutterserie “Breaking Bad” weiter an. Wird der Spagat gelingen? Unsere Episodenkritik zu “Better Call Saul” – Staffel 4 bespricht und bewertet jeden Mittwoch, was die neue Folge zu bieten hat.

Dieser Artikel wurde in Ko-Produktion durch folgende Autoren erstellt:

Kritik: Folge 1 “Rauch”

Original-Titel: Smoke

Erscheinungsdatum: 07. August 2018 (DE)

Kim Wexler und Jimmy McGill auf dem Weg zu Chucks Beerdigung in Better Call Saul Staffel 4 Folge 1

Bis dato widmete sich Better Call Saul der „Sunny Side of Life“: Der unermüdliche Optimismus von Jimmy McGill (Bob Odenkirk), der noch jeden Rückschlag mit raffinierten Einfällen wettzumachen wusste, ist eines der maßgeblichen Elemente der Serie – und wird von Fans gefeiert. Doch wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. Rauch, Folge 1 der vierten Staffel, verzieht sich auf einen Schattenplatz. Schlägt Better Call Saul eine neue Richtung ein? Unsere Episodenkritik weiß eine Antwort. In unserem Podcast, gehen wir zudem noch tiefer auf die Episode ein:

Für einen düsteren, dramatischeren Weg der Serie liefert Rauch eine Handvoll Indizien. Angeführt wird diese Reihe von Hinweisen natürlich mit Chuck McGills (Michael McKean) selbstgewähltem Tod (Staffel 3, Folge 10), den sein Bruder Jimmy in dieser Folge erst einmal verarbeiten muss.

Auch wenn sich die zwei Brüder im Laufe von Staffel 3 endgültig entfremdeten, überrascht es mich, dass der ansonsten überaus empathische Jimmy äußerst wenig Trauer zu empfinden scheint. Zwar schlägt Chucks Tod auch Jimmy aufs Gemüt, der sich ungewohnt deprimiert gibt, doch kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass Jimmy mehr mit seiner eigenen Rolle in Chucks letztem Kapitel beschäftigt ist. Anders gesagt: Jimmy macht sich Vorwürfe. Und das zu Recht: Denn, wie Howard Hamlin (Patrick Fabian) gegenüber Jimmy und Kim (Rhea Seehorn) darlegt, war es Chucks Streit mit seiner Anwaltsversicherung, die ihn in den Tod trieb. Drahtzieher dieser Auseinandersetzung war Jimmy, der in einem niederträchtigen Rachezug die Versicherer seines Bruders über dessen Zustand informierte.

Obendrauf nutzt Jimmy sogar die Trauer Howards aus, um diesen durch sein provozierend gelassenes Verhalten zu verletzen. Ein weiterer Wesenszug, den wir in dieser Intensität bei Jimmy bis dato nicht zu sehen bekamen.

In der Summe macht die Folge Rauch klar, dass Chucks Tod ein einschneidendes Ereignis für die ganze Serie ist. Im wahrsten Sinne des Wortes ist Jimmy altes Leben zu Rauch verpufft. Seine Karriere hängt (vorübergehend) am Nagel, seine Familie ist verschieden, seine finanzielle Sicherheit hinüber. Alles in allem also eine gute Basis für eine dramatische vierte Staffel und einen reiferen Tonfall der ganzen Serie, der uns immer weiter Richtung “Saul Goodman” aus Breaking Bad befördern wird.

Das tatsächliche Highlight der Folge ist jedoch das Schicksal von Gene, wie sich Jimmy McGill nach den Ereignissen von Breaking Bad nennt. Stilsicher und mit einer ordentlichen Portion paranoider Spannung inszeniert, zeichnet sich hier am deutlichsten ab, dass Staffel 4 düsterer wird. Dass wir diese Staffel mehr von Gene sehen werden, wie Bob Odenkirk bestätigt, kann ich nur begrüßen.

Während Jimmys und Genes Handlungsstränge einen gelungenen Auftakt darstellen, sind die Storylines von Mike, Nacho und Gus Fring weniger einprägsam und fühlen sich mehr wie der Nachklang der Ereignisse aus Staffel 3 an.

Besonders mit Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks), den die Fans in unserer Better Call Saul Facebook Fangruppe kürzlich zu ihrem Liebling #2 bestimmten, fällt der Serie enttäuschend wenig ein. Seine investigative Tour durch das Madrigal-Lager ist zwar virtuos geschnitten, ließe sich jedoch auch in deutlich weniger Einstellungen abvespern. Dennoch begrüße ich es grundsätzlich, dass sich Better Call Saul – Staffel 4 offenbar mehr mit dem mysteriösen Konzern Madrigal Automotive auseinandersetzen wird. Warten wir ab, was sich daraus noch ergeben wird.

Fazit: Folge 1 “Rauch”

Mit dem sich andeutenden Richtungswechsel beweisen die Showrunner Vince Gilligan und Peter Gould Mut – beschreiten aber auch die richtige Richtung. Denn nach drei Staffeln wird es Zeit, dass sich die bisher sympathisch dahinplätschernde Serie mehr Drama, mehr Spannung und radikalere Charakterentwicklungen zulegt. Mit der sich immer deutlicher abzeichnenden Stoßrichtung „Breaking Bad“ wird dies sowieso nötig. Dennoch wird es spannend zu sehen sein, ob es der Serie gelingt, den einzigartigen Look and Feel beizubehalten, der Better Call Saul so einzigartig macht.

Kritik: Folge 2 “Atmen”

Original-Titel: Breathe

Erscheinungsdatum: 14. August 2018 (DE)

Jimmy McGill gespielt von Bob Odenkirk auf einem Weg zu einem Bewerbungsgespräch in Better Call Saul Staffel 4 Episode 2 Atmen

Nach einem düsteren Staffelauftakt gönnt sich Folge 2 Atmen im wahrsten Sinne des Wortes eine Verschnaufpause – zumindest, wenn man Jimmys Storyline betrachtet. Denn viel passiert hier nicht. Es sieht so aus, als fiele den Produzenten Vince Gilligan und Peter Gould mit unserem Titelhelden zunehmend weniger ein.

Die besten Dialogzeilen hat zwar noch immer Jimmy (Bob Odenkirk), der sich mit seinem brillanten Verkaufstalent zu vermarkten weiß, doch im Vergleich zur restlichen Episode fällt seine Jobsuche enttäuschend spannungsarm und nichtssagend aus.

Das liegt zunächst daran, dass der Konflikt zwischen Chuck und Jimmy, der die dritte Staffel mit Leben füllte, schmerzlich fehlt. Jimmys Handlungsstrang fühlt sich leer und antriebslos an, da unserem Protagonisten ein Widersacher fehlt. Dass Kim Jimmy vor Howards verdrehter Großzügigkeit bewahrt, ist zwar nett gemeint, nimmt Jimmys Story aber zusätzlich den Wind aus den Segeln. Aber wer weiß, vielleicht erreicht dieser Sturm Jimmy doch noch.

Viel problematischer ist, dass Jimmys Handlungsstrang und Charakterentwicklung lediglich im Schritttempo vorantuckern. Zulange braucht die Folge, um zu wenig zu erzählen. Das einzige, was die Handlung weiterbringt ist die Erkenntnis, dass Jimmy eine wertvolle Porzellanfigur stehlen will. Honestly, AMC? Auf der einen Seite braut sich ein Drogenkrieg zusammen und auf der anderen Seite soll ich „Ohh“ und „Ahh“ sagen, wenn Jimmy Nippes rauben will? Hoffentlich werden die nächsten Folgen dieses Ungleichgewicht der Handlungsstränge in Angriff nehmen.

Während Jimmys Storyline enttäuscht, leben Nacho (Michael Mando) und Gus Fring (Giancarlo Esposito) unter der zusätzlichen Screentime wahrlich auf. Ganz besonders Nacho, dem die Höhepunkte der Folge gehören, entwickelt sich im Eiltempo zum spannendsten und vielversprechendsten Charakter der ganzen Serie.

Denn hin- und hergerissen zwischen Familie und Kartell, Gewalt und Vergebung sowie Kontrolle und Kontrollverlust, macht Nacho wett, was anderen Figuren der Serie fehlt: existenzielle Konflikte. Besonders die berührende Szene mit seinem Vater sowie die Schlussszene mit Gus, bringen eindrucksvoll und atemberaubend auf den Punkt, welche Kräfte an Nacho zerren, was Michael Mando wiederum erstklassig schauspielerisch umzusetzen weiß. Hut ab.

Am meisten im Gedächtnis bleiben wird wohl die letzte Szene der Folge, in der Arturo durch Gus‘ Hand das Zeitliche segnet. Diese unerwartete, rohe Gewalt schockt zutiefst und sorgt für einen erstklassigen Plot Point, der Nachos Handlungsstrang nur umso spannender machen wird. Spätestens jetzt ist klar, dass Staffel 4, wie schon letzte Woche besprochen, einen weitaus düsteren Weg einschlägt, als wir es von Better Caul Saul gewohnt sind. Endlich.

Fazit: Folge 2 “Atmen”

Episode 2 Atmen setzt den düsteren Ton der ersten Folge fort und sorgt im Gus/Nacho-Handlungsstrang für nervenaufreibende Spannung, die in diesem Ausmaß Neuland für Better Call Saul sind. Jimmys Geschichte fällt jedoch weiter ab, da es sowohl an einem Widersacher als auch dramaturgischen Einfällen fehlt. Better Call Saul – Staffel 4 hat noch immer deutlich Luft nach oben.

Kritik: Folge 3 “Was Gutes”

Original-Titel: Something Beautiful

Erscheinungsdatum: 21. August 2018 (DE)

Die Cousins Leonel and Marco Salamanca zielen mit Pistolen in der Wüste vor Albuquerque in Better Call Saul Staffel 4 Folge 3 Etwas Gutes

Folge 3 präsentiert sich gnadenlos und spannungsgeladen, und macht unter anderem so manchen Patzer wett.[/caption]

In Episode 3 der vierten Staffel ist der Name Programm: Denn nach einer Reihe von Patzern zum Staffelauftakt gelingt Better Call Saul mit der neuen Folge tatsächlich nicht nur „was Gutes“, sondern „einiges Gutes“, wie meine Episodenkritik erklärt. In unserem Better Talk About Saul Podcast zur Staffel 4 gehen wir noch weiter ins Detail:

Gutes geschieht vor allem in Jimmys Handlungsstrang, in dem die langatmige erzählerischere Flaute der letzten Folge zwar noch nicht vollends überwunden ist, aber immerhin nimmt die Geschichte unseres Titelhelden langsam wieder Fahrt auf: Das zeigt sich zunächst an den Einbruchsszenen bei Neff Copiers, die gekonnt Slapstick und Spannung verbinden, was gute Unterhaltung garantiert.

Umso wichtiger sind jedoch die potentiellen Auswirkungen auf den Fortgang der Staffel: Denn wie sich spätestens jetzt abzeichnet, hegt Jimmy McGill (Bob Odenkirk) keine großen Ambitionen mehr einen legalen Job anzunehmen. Dass der neue „Karriereweg“ des aktuell suspendierten Anwalts auf kurz oder lang auch seiner Partnerin Kim (Rhea Seehorn) auffallen muss, steht außer Frage. Ebenfalls sicher ist, dass die rechtschaffene und gewissenhafte Kim Jimmys illegalen Machenschaften nicht mittragen wird.

Ein Konflikt scheint also vorprogrammiert. Sollte dieser ausbrechen, dürfen wir auf eine Handlung mit enormer Sprengkraft hoffen – eine Entwicklung, die Jimmys Storyline, die nach Chucks Ableben an Zug verloren hat, wieder zu neuer Spannung verhelfen würde. Denn ohne Kim, die Jimmy sowohl beruflich, freundschaftlich als auch privat Halt gibt, wird aus dem empathischen Jimmy McGill schneller als gedacht der gerissene Saul Goodman.

Auch für Kim gibt es Positives zu vermelden: Nachdem Rhea Seehorn schon in Folge 2 mit einer emotionalen Szene überzeugen durfte, setzt die Darstellerin von Kim Wexler diese Woche noch eins oben drauf. In einer der bewegendsten Szenen der bisherigen Staffel überreicht Kim Jimmy Chucks Abschiedsbrief, der entgegen aller (besonders Kims) Erwartungen versöhnliche Töne anschlägt.

Unterstützt von einem besonders feinfühligen Filmschnitt, sehen wir wie Kims Emotionen einen Chorus von Sorge, Zweifel, Schuld und Mitleid anstimmen, der schließlich in einem Crescendo gipfelt, in dem Erleichterung und Trauer die Tränen heraustreiben. Einsame Spitze!

Dass die Serienmacher in dieser Staffel mit Kim offensichtlich einiges vorhaben, freut mich umso mehr, da komplexe weibliche Charaktere in der Männer-dominierten Serie de facto nicht zu finden sind. Ein Manko, dass Seehorn, wie sie gerade eindrucksvoll bewiesen hat, berichtigen kann – wenn man sie lässt.

Während Jimmys Story noch am Warmlaufen ist, ist Nachos (Michael Mando) Schicksal in voller Fahrt – Richtung Endstation. Als Bauernopfer in Frings perfidem Spiel, scheint er seinem Ziel auszusteigen so weit entfernt wie je. In der letzten Folge von Gus Fring (Giancarlo Esposito) als „Doppelagent“ zwangsrekrutiert, inszenieren seine Handlanger nun einen Vorwand, damit die Organisation des Fast-Food-Managers ein eigenes Drogenlabor aufbauen kann.

Diese virtuos inszenierte Eröffnungsszene, erzeugt sowohl durch die visuelle Gestaltung als auch durch die schockierende Gewalt einen düsteren Sog, der sich bereits in der letzten Folge abzeichnete. Spannung und Drama werden hier greifbar, wie nur selten bisher in Better Call Saul. Weiter so!

Zudem wird das übergeordnete Storytelling der Staffel vielschichtiger, was ebenfalls zu begrüßen ist. Denn durch Frings strategisches Händchen, in dem er Juan Bolsa, den Mittelsmann zum mexikanischen Kartell, die Entscheidung treffen lässt, die sich Fring selbst wünscht, ergeben sich vielfältige neue dramaturgische Optionen, die für weitere Spannung sorgen werden.

Ebenfalls erfreulich ist, dass es der Folge trotz zunehmender Dramatik gelingt die absurde Einzigartigkeit, sozusagen den Spleen, von Better Call Saul beizubehalten, was sich besonders in der Laborszene zwischen Gus und Gale Boetticher zeigt, den wir bereits als Frings Meth-Koch aus Breaking Bad kennen.

Fazit: Folge 3 “Was Gutes”

Episode 3 Was Gutes stellt die Weichen für die restliche Staffel, die in allen Handlungssträngen eine ordentliche Portion an Drama zulegen kann. Besonders hervorstechend ist Rhea Seehorns vielfältiges Schauspiel und eine einfallsreiche und virtuos inszenierte Eröffnungsszene, die eindeutig die Handschrift von Breaking Bad trägt.

Kritik: Folge 4 “Reden”

Original-Titel: Talk

Erscheinungsdatum: 28. August 2018 (DE)

Einer der Salamanca Cousins zielt mit einer Pistole in Better Call Saul Staffel 4 Episode 4 Reden

In Episode 4 Reden wird nicht viel gequatscht, sondern viel geschossen. Dennoch bleibt die vierte Staffel Better Call Saul in der Vorbereitungsphase. Lässt sich die Serie endgültig zu viel Zeit oder dient alles nur des unterschwelligen Spannungsaufbaus? Schließlich ist schon beinahe Staffel-Halbzeit. Ob der gnadenlose „Slow-Burn“ immer noch aufgeht oder jetzt langsam mal Butter bei die Fische kommen muss, erfahrt ihr in dieser Episodenkritik. Noch mehr in die Materie eintauchen, kannst du mit unserem Podcast:

Reden startet mit einer Szenencollage, die Mikes Sohn Mathew, aka „Matty“, als Kind zeigt. Das Intro wirkt mit seinen Homevideo-Überblendungen und dudelnder Hintergrundmusik ungewohnt, fast schon aus einer 90er-Jahre Sitcom geklaut. Ein harter Cut leitet über zu einem seelentot dreinschauenden Mike, gefangen im Stuhlkreis der Gruppentherapie. Auch die nüchterne Beobachterinszenierung, die schon lange das Markenzeichen von Better Call Saul ist, soll für den Rest der Episode nicht mehr solchen Experimenten weichen.

Die vierte Folge zählt zu den tristesten Kapiteln der Serie. Das liegt vor allem daran, dass Jimmy (vorerst) zu einer Nebenfigur degradiert wird und die düsteren Handlungsstränge um Mike und Nacho in den Vordergrund rücken.

Tatsächlich ist Jimmys Odysee zu Saul Goodman in eine Flaute geraten. Der eigentliche Hauptcharakter scheint plan- und ziellos zu sein. Gerade hat er noch eine Porzellanfigur stibitzt, jetzt schlägt er die Zeit als Handy-Verkäufer mit einem Flummi tot. Auch wenn diese Szenen im Kontext der Serie ihre Daseinsberechtigung verteidigen könnten, sind sie vorerst belanglos. Es fehlt der Drive, das Pay-Off – vor allem fehlt Chuck.

Ohne einen echten Gegenspieler ächzt Jimmys Geschichte nach Drama und Momentum. Die Beziehung zwischen den Brüdern McGill war das Herz der Serie. Diese Leere konnte bis jetzt nicht gefüllt werden. Spätestens ab der nächste Folge muss Jimmys Plot eine klare Richtung einschlagen und die Charakterzüge des angehenden Saul Goodman schärfer zeichnen.

Umso spannender wird der Weg von Nacho. Im Gegensatz zu Jimmy befindet sich Mr. Varga in einem echten Dilemma. Hin- und hergerissen zwischen den Salamancas, Gus Fring und seinem Vater, schwebt der Charakter ohne Breaking Bad-Hintergrund in einer zerbrechlichen Blase, die ihn vor dem baldigen Serien-Tod bewahrt. Die Suspense erreicht zwar bei weitem nicht das Niveau des Duells Heisenberg vs. Fring, entwickelt sich aber hervorragend.

Der Shoot-Out der Salamanca-Brüder, die mit dem Massaker unwissend die Konkurrenz von Gus Fring eliminieren, gehört zu den größten „Action-Szenen“ der Serie. Die Inszenierung ist authentisch und dezent, so wie es sich für Better Call Saul gehört. Aber wieder der Vergleich: Gegen die letzte Schießerei der Cousins aus Breaking Bad-Folge 03×07 gegen Hank Schrader, verblasst das gebotene Geballer auf allen Ebenen.

Mike Ehrmantraut ist die interessanteste Figur in Reden. Nicht nur redet der verbitterte Mike mehr als sonst, er durchlebt auch eine subtile Charakterentwicklung, die seine moralischen Prinzipien aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Seine eiskalte Offenbarung eines Schwindlers aus der Selbsthilfegruppe scheint der Auslöser für eine Abwärts-Spirale zu sein, die „Opa-Mike“ in „Gus’ Mann für’s Grobe“ verwandelt. Welchen Auftrag hat Gus für Mike? Die Ermordung von Nacho Varga? Wir werden sehen…

Fazit: Folge 4 “Reden”

Jimmys Transformation zu Saul Goodman hängt immer noch in der Warteschleife fest. Langsam wird’s echt Zeit! Dieser Einbruch der Dramaturgie wird aber übertüncht von Nacho- und Mike-Szenen, die es in sich haben. Die beiden Nebencharaktere hängen nun endgültig im Netz der schwarzen Witwe namens Gus Fring, ein guter Schub für die Spannung dieser Nebenplots. Tatsächlich entwickelt sich Better Call Saul immer mehr zu Breaking Bad. Diese Entwicklung wollen wir nun aber auch für den Handlungsstrang von Jimmy sehen.

Kritik: Folge 5 “Eine Wilde Fahrt”

Original-Titel: Quite a Ride

Erscheinungsdatum: 04. September 2018 (DE)

Jimmy McGill verkauft Handys an eine Rockerbande in Better Call Saul Staffel 4 Episode 5

Eine Wilde Fahrt war die vierte Staffel bisher nicht unbedingt – mehr ein gemütlicher Spaziergang. Doch zur Staffelhälfte zieht das Tempo endlich an. Vor allem Jimmys Story holt die verlorene Zeit der letzten vier Folgen auf. Was Eine Wilde Fahrt so besonders macht, erfahrt ihr in dieser Kritik. Unser Episodenpodcast geht zudem noch mehr ins Detail.

Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Während der Plot um Mike und Nacho immer interessanter wurde, schien die Hauptfigur im Limbus verloren zu sein. Vier Folgen lang bekam Jimmy so gut wie nichts zu tun. Doch damit ist jetzt Schluss. Diese Folge ist der letzte Startschuss für Jimmys Sprint zu Saul Goodman. Tatsächlich ist der titelgebende Alias in dieser Folge auch das erste Mal zu sehen!

Wie nie zu vor bricht Better Call Saul mit seiner eigenen Erzählstruktur. Das Intro von Eine Wilde Fahrt zeigt einen verzweifelt Saul, kurz vor Ende der Breaking Bad-Ära, in dringlicher Aufbruchsstimmung. Saul bestellt einen „Staubfilter“ und beantragt damit das Verschwinde-Programm, das Saul zu Gene machen soll. Diese Szene spielt nur wenige Stunden vor Staffel 5, Folge 15 Granite State. Die Intro ist energetisch und spannungsgeladen, ein echter Wachrüttler.

Besonders köstlich ist Francescas kalte und gleichgültige Art, die im krassen Gegensatz zur „alten“ Francesca aus Better Call Saul – Staffel 3 steht. Kaum vorstellbar, was für Entwicklungen Jimmy und seine Sekretärin noch hinlegen müssen.

Dass Better Call Saul nicht mehr viel Zeit bis Breaking Bad bleibt, scheint der Serie nun schlagartig bewusst geworden zu sein. Endlich sehen wir die Flamme in Jimmy auflodern und sein Talent, aus schlechten Situationen mit allen Mitteln das Beste herauszuholen. Jimmy verkauft nun Wegwerf-Handys an kriminelle Kunden… auf der Straße. Endlich besitzt sein Handlungsstrang wieder die altbekannte Absurdität.

Natürlich war uns klar, dass „Slippin’ Jimmy“ aus dieser langweiligen Situation ausbrechen wird. Doch umso erstaunlicher ist es, dass Kim eine ähnliche Entwicklung durchzumachen scheint. Auch sie fühlt sich in ihrem aktuellen Job fehl am Platz und sucht sich eine Beschäftigung, in der sie wirklich aufgehen kann. Nun sehen wir Kim als Anwältin für Kleinkriminelle, und nicht Jimmy. Ein unerwarteter Einschlag, der aber umso willkommener ist. Und jetzt mal Hand aufs Herz, uns hat Mesa Verde auch gelangweilt.

Der Mike-Plot beginnt mit einer Szene, der es komplett an Kontext fehlt. Die Drehbuchautoren scheinen dieses Stilmittel zu lieben. Erst Take für Take stellt sich heraus, dass die unbekannte Person das Opfer von Mikes paranoiden Sicherheitsvorkehrungen ist. Die Szene ist urkomisch und mit Jump-Cuts und POV-Perspektiven versehen. Hier zeigt Better Call Saul erneut seine Qualität, aus stillen Situation das Maximum an Spannung und Komik zu kitzeln.

Endlich stellt sich das leichte Bauchkribbeln ein, dieses Gefühl, etwas heimliches und verbotenes zu tun, das Breaking Bad so auszeichnete. Das Undercover-Bewerbungsgespräch mit einem lauschenden Gus im Hinterzimmer läutet die interessante Phase des organisierten Verbrechens ein, obwohl sich der Plot immer noch etwas zu sehr nach Exposition für Breaking Bad anfühlt. Kandidat Nr. 2 namens Werner Ziegler (Rainer Bock) erinnert mit seinem Präzisionsdenken und seiner leicht schrulligen Art an den frühen Walter White. Am Ende ist sogar Gus von Zieglers Kompetenz beeindruckt und ringt sich ein paar deutsche Worte ab, die in der deutschen Synchro natürlich unentdeckt bleiben.

Fazit: Folge 5 “Eine Wilde Fahrt”

Staffel 4 hat endlich seine Richtung gefunden. Letzte Woche habe ich mich noch gefragt, was eigentlich der geschichtliche Aufhänger dieser Staffel sein wird. Nun steht fest: Alle Hauptcharaktere, also Jimmy, Kim, Nacho, Gus und Mike, wollen aus ihrer aktuellen Welt ausbrechen und sich ein neues Business erschaffen. Die Charaktere scheinen endlich ihre Richtung zu finden, wodurch auch die Geschichte endlich spannender und stringenter wird. Better Call Saul scheint die Makel der letzten Folgen wieder wett zu machen – schneller, als wir alle dachten. Und jetzt bitte mit Vollgas ins Ziel!

Kritik: Folge 6 “Piñata”

Original-Titel: Piñata

Erscheinungsdatum: 11. September 2018 (DE)

Bob Odenkirk als Jimmy McGill bedroht Jugendliche Kriminelle, die zwischen Piñatas kopfüber von der Decke hängen in Better Call Saul Staffel 4 Episode 6 Piñata

Jimmy träumt vom Leben als „Criminal Lawyer“ – oder doch als „criminal Lawyer“? Folge 6 Piñata macht aus Jimmy einen echten Kriminellen. Die Uhr steht kurz vor Zwölf und Saul Goodman mit einem Bein in der Tür. Weshalb sich die Serie nun auf dem exakt richtigen Kurs befindet, erfahrt ihr in der Kritik. Noch mehr Details gibt’s in unserem Podcast:

Die Bilder der Eröffnungsszene wirken leicht unterkühlt. Wie uns Better Call Saul bereits gelehrt hat, spielen diese Szenen in der Vergangenheit. Mit ein wenig Recherche kann man anhand des Oscar-Tippspiels auch ableiten, dass der Flashback aus dem Jahr 1993 stammt. Aber was soll uns diese Szene sagen? Außer natürlich, dass der Oscar-Film „Howards End“ ein nicht gerade subtiles Foreshadowing für Howard Hamlins Schicksal ist und Chuck sein versprochenes Cameo bekommt.

Jimmy scheint in Kim heimlich verliebt gewesen zu sein und reagiert neidisch auf ihre Fangirl-Attacke über Chuck. Das kongeniale, dialoglose Storytelling der Serienmacher spricht für sich, als Jimmy kurz darauf die Bibliothek besucht: Baut Jimmys Karriere als Anwalt darauf auf, dass er Kim imponieren wollte?

Diese kleinen Details des visuellen Storytellings, die mehr aussagen als zehn Dialogzeilen, zeigen sich in der Folge noch öfter. Als zum Beispiel Kim heimlich Jimmys Namenvorschläge für „Wexler & McGill“ anschaut, sehen wir Jimmys innere Zerstreutheit: Während er Kim durchgehend als Expertin für Bankrecht ausführt, wechselt seine Spezifikation in jedem der Vorschläge – egal was, Hauptsache mit Kim zusammen. Umso mehr Gewicht bekommt Jimmys kleine Panikattacke im Restaurant, als er von Kims Zukunftsplänen mit Schweikart & Cogley erfährt.

Trotz dieser kleinen Details ist Piñata keine Folge, die nur kleine Schritte geht. Für Better Call Saul-Verhältnisse bewegt sich Jimmys Storyline sogar in Lichtgeschwindigkeit. Nach den langsamen ersten vier Folgen, ist dieser Sprint unerwartet und umso willkommener. Jimmys Tatendrang ist für uns Zuschauer ansteckend und unterhaltsam. Wir sehen ihn zwar immer noch nicht in Anwalts-Action, doch der Umweg als krimineller Handyverkäufer ist derart abstrus, dass nur das Drehbuchteam um Vince Gilligan damit umgehen kann.

Die Rückkehr von Mrs. Ngyuens Nagelstudio lässt die komödiantischen Vibes der ersten Staffel wieder aufflackern und heitert die bisher eher düstere vierte Staffel etwas auf. Allerdings ist Jimmys darauffolgende Szene ein echter Schocker. In bester Heisenberg-Manier verdient sich Jimmy den Respekt der Straße, indem mit Kleinganoven „Piñata“ spielt. Die desorientierte Inszenierung der Szene ist nicht nur gruselig, sondern beinahe schon grotesk. Wir können davon ausgehen, dass Jimmy endgültig das moralische Grund-Level eines Saul Goodman erreicht hat. Jetzt fehlt nur noch der Name.

Auch bei Mike und Gus hat sich viel getan. Während der lange und bedeutungsschwangere Monolog von Gus vor Hectors Bett zwar exzellent gespielt ist aber etwas über sein Ziel hinausschießt, bleibt das Bauprojekt von Werner Ziegler weiterhin spannend. Hier erschaffen die Drehbuchautoren eine clevere Situation, die dramaturgisch hervorragend ausgeschlachtet werden kann: Was passiert mit den deutschen Arbeitern, die sich zehn Monate in komplette Isolation begeben, um Gus Frings Superlabor zu bauen? Wir haben hier eine echte Big Brother-Situation, die ordentlich explodieren kann.

Fazit: Folge 6 “Piñata”

Die Serienmacher haben ihr Versprechen eingehalten. Tatsächlich fühlt sich Staffel 4 mehr nach Breaking Bad an als alle Staffeln zuvor. Das höhere Erzähltempo, das mit Folge 5 aufgefahren wurde und immer noch nicht abbaut, tut der Serie unglaublich gut. Zwar ist es schade, dass Nacho für zwei Folgen die Bühne verlassen musste, doch wird seine Abwesenheit mit Jimmys Side-Business und FringsBig Brother-Show bestens kompensiert. Zusammen mit Eine Wilde Fahrt ist Piñata die beste Folge der vierten Staffel!

Kritik: Folge 7 “Something Stupid”

Original-Titel: Something Stupid

Erscheinungsdatum: 18. September 2018 (DE)

Wir allen wussten, dass er kommt: Der große Zeitsprung, der die zehnmonatige Anwalts-Abstinenz von Jimmy McGill überbrücken soll. Something Stupid ist eben diese Vorspul-Folge, die direkt zu den interessanten Sachen springt und dabei kaum Zeit verliert. Better Call Saul lässt den Anwalt Saul Goodman zwar immer noch nicht aus dem Schrank, doch die unberechenbaren Irrwege der Hauptcharaktere sind ohnehin interessanter – so interessant, dass Folge 7 die bisher packendste Dreiviertelstunde der vierten Staffel ist. Mehr in der Kritik und im Podcast:

Something Stupid beginnt mit der besten Szenencollage der Serie – und das heißt was, denn Better Call Saul beherrscht das Rezept eines Szenen-Eintopfs wie nur wenige andere Formate. Statt lieblos aneinandergereihter Takes, erzählen die ersten Minuten der Folge mühelos das Auseinanderdriften von Jimmy und Kim, ohne dabei auch nur ein Wort zu verlieren. Jeder Filmstudent sollte während dieses Paradebeispiel des visuellen Storytellings fleißig mitgeschrieben haben. Nicht nur ist diese Szenencollage ein effektiver Zeitraffer, sie pointiert auch die schon beinahe platonische „Kimmy“-Romanze so elegant wie möglich.

Die darauffolgenden Szenen machen klar, dass die Lethargie der ersten Folgen komplett überwunden wurde. Die Dialoge sind hitziger und die Schnitte schneller. Jimmys alkoholinduzierte Abrechnung mit Schweikart auf einer Firmenparty gehört ebenfalls zu den Highlights der Folge. Noch angriffslustiger wird Jimmy bei einem Cop, der ihn „höflich bittet“, sein unmoralisches Handy-Business zu überdenken, bis er schließlich von Leibwächter Huell ausgeknockt wird. Plötzlich wirkt Better Call Saul weniger ausgeglichen und deeskalierend als sonst; die neugewonnene Aggressivität tut der Handlung durchaus gut.

Kim hat mit Huell eventuell ihren hollywoodreifen The Verdict-Fall gefunden. Wie genau sie den Taschendieb vor einer Gefängnisstrafe bewahren will wissen wir noch nicht, doch der Plan beinhaltet viel Papier und eine Menge bunter Stifte. Möchte Kim eventuell einen Protest entfachen, da Huell nur aufgrund seiner Hautfarbe eine längere Haftstrafe bekäme als üblich? Ob die Serienmacher diese Möglichkeit nutzen und eventuell das erste Mal ein politisches Statement machen, bleibt abzuwarten. Vielleicht ist diese Theorie auch nur ein Fall von Überinterpretation…

Apropos Interpretation: Mark Margolis zeigt endlich wieder seine fiese Schnute als verkrüppelter Hector Salamanca, die von Gus Fring penibel gedeutet wird. Wir erfahren dann, dass Gus die Behandlung von Hector absichtlich beendet, um den alten Drogenboss in genau diesem Zustand zu behalten: Wach, gelähmt, entwürdigt. Das zurückgehaltene Grinsen, dass Giancarlo Esposito über sein Gesicht zucken lässt, während er das Videotape von Hector begutachtet, gehört zu den verstörendsten Gus-Momenten.

Wie erwartet, droht die Situation in Gus’ Arbeitsunterkünften zu eskalieren. Zwar sehen wir in dieser Folge nicht das große, dramatische Build-Up eines Das Experiments, doch der Handlungsstrang bleibt weiterhin spannend. Werden die Arbeiter jemals nach Deutschland zurückkehren, oder doch von Mike in der Wüste verscharrt?

Fazit: Folge 7 “Something Stupid”

Auch wenn Something Stupid wieder mehr eine Build-Up-Folge ist und Nacho immer noch vermisst wird, ist Staffel 4 momentan stärker denn je. Das liegt vor allem an Jimmy, der sich endlich nicht mehr langweilt und eine erkennbare Entwicklung durchlebt. Regisseurin Deborah Chow reichert ihre Folge mit ungewöhnlich viel Musik und visuellen Spielereien an, was Something Stupid zu den eigenwilligeren Folgen der Serie macht.

Kritik: Folge 8 “Coushatta”

Original-Titel: Coushatta

Erscheinungsdatum: 25. September 2018 (DE)

Bob Odenkirk und Rhea Seahorn in einer Szene in Better Call Saul Staffel 4 Episode 8 Coushatta

Vince Gilligan versteht ganz genau, wie man die Erwartungen der Zuschauer in die Irre führt. In der achten Folge Coushatta passiert vieles, was Fan-Theoretiker (z.B. uns *hust*) die Haare raufen lässt. Ist es ausgerechnet Werner, der das Bauprojekt gefährdet? Und was passiert eigentlich mit Kim? Das Ausmaß der Genialität dieser Folge erfahrt ihr in der Episodenkritik, während unser Podcast mit ein paar Insider-Einsichten aufwarten kann:

Schon wieder startet eine Better Call Saul-Folge mit einem Cold Open. Jimmy sitzt in einem Fernbus und lässt fremde Fahrgäste Briefe schreiben – und wir verstehen überhaupt nichts. Erst Szene für Szene dämmert uns der Kontext dieser abstrusen Eröffnungssequenz… sobald es dann endlich „Klick“ gemacht hat, kann man sich vor Vorfreude kaum noch im Sitz halten.

Was darauf folgt, gehört zu den lustigsten und einfallsreichsten Story-Einfällen der Serie. Um Huell vor dem Knast zu bewahren, zieht das Team Kim und Jimmy alle Register. Besonders im Originalton ist Jimmys Darbietung als Pastor mit Southern Accent himmlisch, geht in der deutschen Synchro aber total verloren. Nichtsdestotrotz ist der Huell-Coup genau das, was wir von einem Saul Goodman erwarten – nur, dass er von Kim kommt.

Ja, was ist eigentlich mit Kim los? Wir alle haben Kim fälschlicherweise als Jimmys Stimme der Vernunft angesehen, die früher oder später wegen seiner kriminellen Karriere die Reißleine ziehen würde. Doch nun ist Kim der fiese Winkeladvokat und unsere Zukunftsvision geplatzt. Das Meeting mit MesaVerde, das von Kim schnell ab gefrühstückt wird, sagt schon alles.

Wird sich Kim selbst ins Unglück reiten? Vermutlich werden wir nichtmal eine gewollte Trennung zwischen den beiden sehen, sondern eine durch das Schicksal erzwungene. Um Kim steht es nicht gut und Better Call Saul lässt uns das wissen, wenn auch auf subtile Art und Weise. Schließlich hat Jimmy seinen engsten Kreis aus Marco und Chuck ebenfalls ins Unglück getrieben – sogar bis in den Tod.

Mike zieht eine gequältere Miene als jemals zuvor. Ausgerechnet der deutsche Vollprofi Werner Ziegler plaudert nämlich bei ein bis zwei „Hefeweizen“ mit wildfremden Bargästen über den Bau des Geheimlabors. Undercover-Cops wären für Vince Gilligan zwar zu offensichtlich, doch die Truppe wird schon bald von Ärger heimgesucht werden.

Fazit: Folge 8 “Coushatta”

Kim ist in Gefahr, ebenso wie Werner Ziegler und seine Jungs. Better Call Saul hatte wohl noch nie einen so hohen Einsatz. Wenn Folge 9 und 10 auch nur ansatzweise das Niveau von Coushatta halten können, ist Staffel 4 womöglich doch die stärkste der Serie. Hier stimmt das Pacing, das Build-Up, der Humor und vor allem die unerwarteten Charakterentwicklungen, die sich gegen jede Fan-Theorie sträuben und das Geschehen kurz vor Schluss noch einmal auf den Kopf stellen. Das macht Coushatta zu einer der besten Folgen der Serie.

Kritik: Folge 9 “Wiedersehen”

Original-Titel: Wiedersehen

Erscheinungsdatum: 02. Oktober 2018 (DE)

Bob Odenkirk mit Surfershirt und Softdrink in einer Szene in Better Call Saul Staffel 4 Episode 9 Wiedersehen

Nummer Neun muss krachen. Diese Regel gibt es nicht nur in Better Call Saul, sondern auch in Formaten wie Game of Thrones. Zwar erwartet uns in Wiedersehen keine „Red Wedding“, doch das vorletzte Kapitel der vierten Staffel liefert dennoch ein Highlight nach dem anderen. Warum diese Folge ein kleines Meisterwerk ist, erfahrt ihr in der Episodenkritik. Theorien und Co. gibt’s im Episoden-Podcast:

Diese Episode macht etwas ganz besonderes: Normalerweise ist Better Call Saul auf den Kontext von Breaking Bad angewiesen – unser altes Hintergrundwissen bereichert nämlich die Erfahrung, dieses Spin-Off zu schauen. Doch nun bereichert Better Call Saul seine Mutterserie und liefert uns eine astreine Origin-Story zum ohnehin schon populärsten Gegenstand des Breaking Bad-Universums: Hector Salamancas Klingel.

Der wortgewandte Lalo (Tony Dalton) füllt die Lücke des charismatischen Superschurken, die Tuco Salamanca zurückgelassen hat, mühelos. Lalos diabolisches Lachen, das von Hectors Sturmklingeln übertönt wird, jagt jedem Breaking Bad-Fan einen wohligen Schauer über den Rücken. Ding-ding-ding-ding!

Doch Wiedersehen war aus ganz anderen Gründen unsere meist erwartete Folge der vierten Staffel. Nicht nur ist der deutsche Episodentitel mysteriös und unheilvoll, Meister Vince Gilligan höchstpersönlich führte auch noch Regie.

Die titelgebende Szene auf der Baustelle gehört zu den atmosphärischsten und spannendsten Momenten der Serie – beinahe hätten wir Werner auf Wiedersehen sagen müssen. Doch Kai hat geregelt. Der Junge hat doch was auf dem Kasten! Wieder hat uns Gilligan mit einem seiner typischen „Fake-Outs“ an der Nase herumgeführt. Der wahre Deserteur ist nämlich in der Tat Werner.

Warum will Werner wirklich weglaufen? Wegen Margarethe? Das würden wir ihm fast abkaufen, wenn sein Darsteller Rainer Bock die Panikattacke kurz vor der Felssprengung nicht so authentisch rübergebracht hätte. Werner hat eindeutig Nervenflattern und manipuliert den ungewohnt gutmütigen und naiven Mike dahingehend, ihm die ein oder andere Schwäche durchgehen zu lassen. Blind vor Bro-Liebe, entwischt ihm Werner sogar direkt unter der Nase.

Wir können ahnen, wohin diese Geschichte führen wird: Mike wird Werner seinen Schalldämpfer an die Schläfe drücken und sagen „I werned you, Werner.“ Schade, denn der deutsche Ingenieur gehört zu den interessantesten und vielschichtigsten Original-Charakteren, die Better Call Saul bisher zu bieten hatte. Doch vielleicht schafft es die Serie, uns erneut zu überraschen und den sicheren Tod von Werner zu umgehen. Schließlich schlägt auch Wiedersehen einige verblüffende Haken, die wir nicht kommen sehen haben…

Dazu gehört zum Beispiel die nicht zurückgewonnene Anwaltslizenz von Jimmy. Die zwölfmonatige Suspension war aus Story-Sicht schon mutig genug, doch jetzt immer noch dem Hauptcharakter sein Hauptgeschäft zu verweigern, ist kühn und gerissen. Hier zeigt sich die dramaturgische Weisheit der Better Call Saul-Autoren, die ihre Story stets aus Situationen und Charaktermotivationen weiterspinnen und nicht aus dramaturgischen Formvorlagen. Bestimmt hätte die Serie einen aufregenderen Weg einschlagen können, doch letztendlich zählt, wie aufregend die gegebenen Situationen dargestellt werden. Wenn man aus einem Verfahren um eine Anwaltslizenz ein hochspannendes Psychospielchen inszenieren kann, beherrscht man wahrlich sein Handwerk.

Zur Intensität der Folge trägt vor allem Bob Odenkirk bei. Schauspielern ist schwer, doch ein Schauspiel zu schauspielern ist noch schwerer. Der unangenehm überdrehte und einstudierte Monolog von Jimmy vor einer Wand von Anwälten, der einerseits Jimmys Scheinheiligkeit durchleuchtet, doch andererseits auch die Tragik seines Werdegangs unterstreicht, löst beim Zuschauer ebenso gemischte Gefühle aus, wie beim Komitee. Umso bitterer und frustrierender ist das Urteil – und der Effekt wäre nur halb so groß, wenn wir nicht in jeder noch so langatmigen Szene mit Jimmy gewartet und gelitten hätten.

Durch diese Herangehensweise wirkt auch der Streit zwischen Jimmy und Kim verheerender, als er wirklich ist. Jimmys Frust findet endlich ein Ventil und Kims messerscharfe Argumente treffen endlich ihr Ziel. Obwohl keiner zu Schaden kommt, tut dieses Wortgefecht unglaublich weh, einfach nur, weil wir beide Charaktere mittlerweile so gut verstehen wie uns selbst.

Während Staffel 3 die Fehde der McGills abhandelte, steht Staffel 4 ganz im Zeichen der Beziehung „Kimmy“. Für die letzte Folge Winner erwarten wir eine chemische Reaktion, welche die Liebesgeschichte in einen neuen Aggregatzustand versetzt.

Fazit: Folge 9 “Wiedersehen”

Auch wenn es in der vorletzten Folge der Staffel keine Toten gibt, reiht sich ein Pay-off an das andere. Jede Szene aus Wiedersehen bringt die Geschichte zwei Schritte vorwärts und beweist zudem eine großartige Charakterführung. Unterstützt werden die packenden Dialoge von den sensationell starken Leads Bob Odenkirk und Rhea Seehorn, die eine ihrer besten Performances der Serie abliefern. Was im Finale passieren wird? Woher sollen wir das wissen. Staffel 4 ist so unberechenbar wie eh und je, und wir lieben es.

Kritik: Folge 10 “Winner”

Original-Titel: Winner

Erscheinungsdatum: 09. Oktober 2018 (DE)

Bob Odenkirk als Jimmy McGill und Rhea Seahorn als Kim Wexler freuen sich zusammen in Better Call Saul Staffel 4 Episode 10

Genau eine Stunde läuft das Finale der vierten Staffel. Doch die bis dato längste Folge der Serie ist gleichzeitig die kurzweiligste. So viel Tempo, Spannung und Emotionen sind wir lethargischen Saul-Fans überhaupt nicht gewohnt! Warum Gewinner ein echter Sieg für Better Call Saul ist und sogar den legendären Staffelfinalen aus Breaking Bad die Stirn bieten kann, erfahrt ihr in der Episodenkritik. Mehr zur Folge gibts wie immer in unserem Episoden-Podcast:

Jimmy und Chuck singen gemeinsam Karaoke. Wer hätte gedacht, dass wir so etwas überhaupt jemals in Better Call Saul sehen werden? Was sich anhört wie eine sentimentale Fan-Fiction, ist tatsächlich eine der rührendsten und menschlichsten Szenen der ganzen Serie. Das Timing ist perfekt. Wir alle erwarten nämlich, dass es im Staffelfinale einen emotionalen Pay-Off der Chuck-Geschichte geben wird. Ein großer Gefühlsausbruch, der Jimmys unterdrückte Trauer aufspült. Oder, vielleicht auch nicht.

Schon wieder geht Better Call Saul den unerwarteten, aber richtigen Weg. Nach einem Jahr steht Jimmy erstmals am Grab seines Bruders und schauspielert seinen Kummer vor Chucks Angehörigen, ohne Reue und Scham. Vielleicht ist Jimmy wirklich nicht von Trauer geplagt. Vielleicht haben wir zu viel Gutes in Jimmys Charakter hinein interpretiert. Wir trauern nicht mit Jimmy, sondern um Jimmy. Denn anscheinend ist der moralische Verfall von Jimmy zu Saul schon beendet und wir haben ihn bloß übersehen.

Ebenso versteckt, wenn auch kohärent, verlief die Metamorphose von Walter White zu Heisenberg. Plötzlich fanden wir uns als Zuschauer an einem Punkt, an dem wir uns vom Protagonisten distanzieren mussten. Die Drehbuchautoren gaben uns alle Hinweise und dennoch wollten wir sie übersehen. Das ist Storytelling der ersten Güteklasse. Es ist nun schon beinahe offiziell, dass kein anderes Serienformat Charakterentwicklung so gut versteht wie das Breaking Bad-Universum von Vince Gilligan.

Spätestens nach der Motivationsrede, die Jimmy für eine durchgerasselte Stipendiums-Kandidatin, aber in Wirklichkeit für sich selbst, hält, sehen wir einen Egomanen, der sich nicht um den Ruf und Respekt seiner Mitmenschen schert. Wir kennen diesen verschmitzten Gesichtsausdruck, diese wilden Gestikulationen und diesen zynischen Unterton nur zu gut aus Breaking Bad. Doch der unmoralische Saul hat ein Argument, dass ganz im Zeichen der Moral von Better Call Saul steht: Die Gesellschaft steckt uns in Schubladen. Unser Leben besteht nicht aus zweiten Chancen.

Auch Werner bekommt keine zweite Chance. Die doppelte Verfolgungsjagd zwischen Werner, Mike und Lalo bringt ordentlich Fahrt in die Episode und erinnert an die großartige Suspense aus Breaking Bad.

Mit Lalo hat der Salamanca-Clan einen weiteren ikonischen und herrlich überdrehten Charakter in seinen Reihen. Doch der urplötzliche Spiderman-Moment, der Lalo Wände hochlaufen lässt, wirkt wie ein Fremdkörper. Das ist nicht unbedingt die Art von Action, die wir in Better Call Saul sehen müssen. Dennoch hat Tony Dalton in seiner Rolle sichtbar Spaß. Mehr Lalo für Staffel 5!

Neben dem wilden Zick-Zack-Kurs der vierten Staffel gibt es dann doch einen Moment, den wir alle kommen sehen haben und nun tatsächlich eingetreten ist: Mike erschießt Werner in der Wüste und es ist noch aufwühlender als erwartet. Werners letztes Telefonat mit seiner Herzallerliebsten Margerethe ist herzzerreißend und bringt selbst den abgestumpften Mike an seine Grenzen. Die Spannung ist beinahe unerträglich und die Emotionen so kraftvoll, da wir Mitleid mit beiden Charakteren haben.

Jimmys emotionaler Höhepunkt im Parkhaus von HHM ist wie das Todesröcheln des „guten“ James McGill. Heul-Szenen sind beim besten Willen nicht Odenkirks Stärke, doch die vertrackte Inszenierung umgeht gekonnt eine unfreiwillig komische Konnotation und schafft stattdessen einen eindrucksvollen Moment der absoluten Hoffnungslosigkeit.

Wie sich eine Entfremdung von Jimmy anfühlt, erfährt Kim am eigenen Leib. In einer fantastischen Schlussszene, die Bob Odenkirk und Rhea Seehorn schauspielerisch alles abverlangt, schaltet James McGill innerhalb von Sekunden zu Saul Goodman. Das erste Mal scheint der „gute“ Jimmy eine Maskerade des „bösen“ Saul gewesen zu sein, und nicht umgekehrt. Der „Affe mit Maschinengewehr“ hat seine Anwaltslizenz zurück. Kims verdutzter Blick und der kurz darauf folgende Fade-to-black nageln das Serienfinale an die Wand. Jimmy ist tot, Saul lebt – und irgendwie sind wir nach vier Staffeln doch noch nicht bereit.

Fazit: Folge 10 “Gewinner”

Das Finale Gewinnerist der krönende Abschluss einer faszinierenden Staffel, die Better Call Saul auf das nächste Level hievt. Es gibt Tränen, Tote und echte Verluste. Jeder Moment, sei er noch so klein, steckt voller Dramatik und Emotionen, die über zehn Folgen langsam und behutsam aufgebaut wurden und jetzt abgerissen werden. Zu den zahlreichen Highlights gehört das herzzerreißende Ende von Werner Ziegler und Jimmys wendungsreicher Schlussmonolog, der wie aus dem Nichts Saul Goodman aus dem Hut zaubert. Auch wenn der ein oder andere Subplot einfach ignoriert wurde (Nacho) ist das Staffelfinale ein abrundendes, befriedigendes und vor allem hochspannendes Charakterdrama, das zu einer der besten Stunden des Better Call Saul-/Breaking Bad-Universums gehört.

Fazit

8.7/10
Sehr gut
Community-Rating: (1 Votes)
Rauch 7.9/10
Atmen 7.7/10
Etwas Gutes 8.3/10
Reden 8.1/10
Eine Wilde Fahrt 8.9/10
Pinata 8.8/10
Something Stupid 8.8/10
Coushatta 9.2/10
Wiedersehen 9.3/10
Gewinner 9.5/10
Details:

Nach kleinen Startschwierigkeiten hebt Staffel 4 mit den späteren Folgen richtig ab und hievt die Serie auf ein neues Level bezüglich Action, Einsatz und Dramatik. Damit lebt diese Staffel alle Stärken und Schwächen der Serie aus, geboostet in die jeweiligen Gegensätze. Glücklicherweise gewinnt ganz klar das Positive. Better Call Saul ist hochwertiges Fernsehen, das andere Dramaserien vor Neid grün werden lässt.

Artikel vom 11. Oktober 2018

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