9.4/10

Kritik: BoJack Horseman – Staffel 4

SO UNWITZIG UND SO GUT WIE NIE

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Genres: Animation, Drama, Komödie, Startdatum: 08.09.2017

Interessante Fakten für…

  • Namhafte Schauspieler*innen leihen der Serie ihre Stimmen. Darunter John Krasinski (The Office), Rami Malek (Bohemian Rhapsody) und J.K. Simmons (Whiplash).
  • Will Arnett sagte über die Figur BoJack Horseman, sie sei die härteste Figur seiner Karriere gewesen. Nicht selten habe er deren Dunkelheit nach Arbeitsschluss mit nach Hause genommen.

Das Netflix Original ‘BoJack Horseman’ hat eine steile Karriere hinter sich. Startete sie zunächst noch als halbgarer Cartoon-Abklatsch mit ein paar originellen und satirischen Ideen, entwickelte sich die eigensinnige Show über die letzten drei Staffeln zu einer der bissigsten und psychologischsten Charakterstudien, die es in der Zeichentrick- und Serienlandschaft jemals gegeben hat. Staffel 4 ist da keine Ausnahme.

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#NetflixAndChill #Meta #AdvocatusDiaboli

Darum geht’s

BoJack Horseman (Will Arnett, Hot Rod) war in den 90er Jahren einer der erfolgreichsten Serienstars. Dadurch kam er in den obersten Rängen Hollywoods (das ganz selbstverständlich von Mensch und Tier bevölkert wird) an. Seit seiner Blütezeit hat der in die Jahre gekommene Egozentriker allerdings keine nennenswerten Erfolge mehr feiern können. Ein Zustand, den BoJack durch exzessiven Drogenkonsum, Bettgeschichten und Selbstbeweihräucherung zu kompensieren versucht.

Auch seine Ex-Managerin Princess Carolyn (Amy Sedaris), sein ehemals bester Kumpel Todd (Aaron Paul, Breaking Bad), die Autorin und fast-Liebschaft Diane (Alison Brie) mit ihrem Ehemann Mr. Peanutbutter (Paul F. Tompkins) können dem gebeutelten Jammerlappen nicht mehr helfen.

Während in Hollywood alles weiter seinen normalen Weg geht und sich Promis im Rampenlicht der glitzernden Scheinwelt aalen, begibt sich BoJack schließlich fernab auf eine Reise in seine Vergangenheit. Im zerfallenen Haus seiner Großeltern wird er mit der schockierenden Wucht der eigenen Biografie konfrontiert. Doch ändert das etwas an dem zutiefst verletzt und kalt agierenden Superstar?

Gebrochene Figuren auf der Suche nach dem Sinn ihres Daseins

Wenn man BoJack Horseman objektiv betrachtet, ist es eine Darstellung von Figuren, die versuchen, sich einen Reim aus ihrem Dasein zu machen. Manche finden ihre Erfüllung darin, einfach naiv im Moment zu leben (Mr. Peanutbutter), andere suchen Daseinsberechtigung in ihrem Job (Princess Carolyn), andere hangeln sich von einer Goldgräberstimmung zur nächsten (Todd) und andere füllen ihre Sinnleere mit allem, was die schöne Welt der Stars und Sternchen so zu bieten hat (Bojack).

Schon in den letzten drei Staffeln gingen die Writer an die wirklich tiefen, oftmals sehr philosophischen Themen. Und obwohl hier eine absolut überzogene Welt dargestellt wird, berühren die essenziellen Fragen der Serie den Zuschauer. Es ist die Nahbarkeit zu den verletzten Protagonisten, die uns so mitfiebern lässt. Und in der Fülle verschiedenster Figuren und Motivationen fühlt es sich oft so an, als würde man in einen Spiegel blicken.

„You’re a real stupid piece of shit. But I know I’m a piece of shit. That at least makes me better than all the pieces of shit that don’t know they’re pieces of shit. Or is it worse?“

BoJack Horseman in BoJack Horseman

Der Kloß im Hals bleibt Dauerbegleiter

In BoJack Horseman – Staffel 4 gehen die Showrunner noch einen Schritt weiter. Zum ersten Mal wird die Biografie des Protagonisten ausführlich offengelegt. Und die tut weh. Mit einer erschreckenden Präzision wird aufgezeigt, wie aus BoJack Horseman der selbstbemitleidende und gleichzeitig narzisstische Antiheld geworden ist, der sich so oft in seinem Elend suhlt.

In der vorletzten Folge der neuen Staffel werden alle Register gezogen – in einem generationenübergreifenden Flashback wird erzählt, wie der Stein der Selbst- und Fremdablehnung überhaupt ins Rollen kam. Ohne zu viel zu verraten: diese Episode zieht den Zuschauer in ein schier bodenloses Loch. Die dargstellten Konflikte und Situationen sind so glaubhaft und verstörend, dass man von der ersten Minute an einen Kloß im Hals hat – und der geht auch nicht mehr weg. Diese Folge ist schlichtweg bahnbrechend und zutiefst berührend (nicht umsonst hat sie bei Redaktionsschluss ein imdb-Rating von 9,7!).

BoJack (gesprochen von Will Arnett) ist ein vergessener Hollywood-Star, der den Weg zurück zum Glück sucht.

Bojack Horseman steht mit Anzug und Fliege vor einem Kino

Und was ist mit Humor?

Obwohl in BoJack Horseman – Staffel 4 vor allem die menschlichen, tiefgründigen Themen klar im Fokus stehen, wird nicht mit brillanten Einfällen gegeizt. Der Humor hat dabei aber – vor allem im Vergleich zu den vorigen Staffeln – nicht denselben Stellenwert. Das macht aber überhaupt nichts aus: die Verschiebung hin zu einer doch sehr viel ernsteren Staffel ist absolut folgerichtig. Während sich die meisten Cartoonserien Staffel um Staffel selbst wieder aufwärmen, werden hier ganz neue erzählerische Wege beschritten. Ein Alleinstellungsmerkmal in dem oft sehr einheitlich geprägten Zeichentrick-Sumpf (lassen wir Rick and Morty mal außen vor).

Viel Liebe zum Detail

Aber natürlich ist es nach wie vor eine Freude, die vielseitigen Charaktere durch die Glamourwelt von Hollywood stapfen zu sehen. Fast jedes Bild ist bestückt mit unzähligen kleinen Details oder Nebenhandlungen. Die Dialoge sind nach wie vor exzellent geschrieben und spiegeln dabei stets akkurat-überzogen die wahre Welt wider.

Ein humoristisches Highlight ist sicherlich die Folge, in der das Haus von Mr. Peanutbutter während einer Party in einer metertiefen Baugrube versinkt, weil er als Gouverneursanwärter erlaubt hat, im eigenen Garten Fracking zu betreiben. Die im Erdreich eingeschlossenen Gäste (u.a. Jessica Biel und Zach Braff in wunderbar selbstironischen Kurzauftritten) erschaffen daraufhin eine kleine Subkultur, in denen auch menschliche Brandopfer wieder an der Tagesordnung stehen. Eine heftige Kritik am populistischen Zeitgeist – und wahnsinnig witzig noch dazu.

Die Serie überbietet sich selbst

Wer hätte gedacht, dass die eigensinnige Netflix-Serie ihre Startschwierigkeiten so bravurös überwinden und sich mit jeder Staffel überbieten könnte? Mit BoJack Horseman – Staffel 4 setzen sich die Serienschöpfer ein eigenes Denkmal. Die Show wagt sich in psychologische und philosophische Gefilde, in denen selten eine Serie unterwegs war.

Nicht nur ist jeder Dialog, jede Szene, jeder kritische Seitenhieb perfekt platziert, auch die tiefgründige Backstory ist stimmig in die Geschichte integriert. Dieser Spagat funktioniert auch deshalb, weil die Synchronsprecher (allen voran Will Arnett als wunderbar zynischer BoJack) einmal mehr ganze Arbeit leisten und den großartig ausgearbeiteten Figuren tatsächlich glaubhafte Tiefe verleihen. Das ist ganz großes (Heim-)Kino!

Fazit

9.4/10
Meisterwerk
Community-Rating: (5 Votes)
Handlung 9/10
Dialoge 9.5/10
Tiefgang 10/10
Humor 9/10
Charaktere 9.5/10
Details:
Showrunner: Raphael Bob-Waksberg,
FSK: 12 Epiosden: 12
Besetzung: Aaron Paul, Alison Brie, Amy Sedaris, Paul F. Tompkins, Will Arnett,

Mit der vierten Staffel erreicht BoJack Horseman die Spitze seines Daseins und setzt einen neuen Standard für alle Serien was die Kombination aus Storytelling, Humor und Tiefe angeht. Die geschliffenen Dialoge, die überzogene und dennoch glaubhafte Serienwelt, die fein nuancierte Arbeit der Synchronsprecher und der berührend-heftige Ausflug in die psychologischen Abgründe ihrer Protagonisten macht die Serie zum neuen Benchmark der Netflix-Originale. Bitte mehr davon!

Artikel vom 13. Oktober 2017

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