8.8/10

Kritik: BoJack Horseman – Staffel 6

NETFLIX VERABSCHIEDET BESTES PFERD IM STALL

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Genres: Animation, Drama, Komödie, Startdatum: 31.01.2020

Interessante Fakten für…

  • Namhafte Schauspieler*innen leihen der Serie ihre Stimmen. Darunter John Krasinski (The Office), Rami Malek (Bohemian Rhapsody) und J.K. Simmons (Whiplash).
  • Will Arnett sagte über die Figur BoJack Horseman, sie sei die härteste Figur seiner Karriere gewesen. Nicht selten habe er deren Dunkelheit nach Arbeitsschluss mit nach Hause genommen.

Es ist offiziell: die beliebteste Netflix-Cartoonserie ‘BoJack Horseman‘ hat ihre heißersehnte letzte Staffel auf die Plattform gestellt. Die Geschichte um das egomanischste Pferd aller Zeiten ist nun auserzählt. Wie verabschieden sich die Macher von ihrem dickköpfigen Protagonisten und dem liebgewonnenen „Hollywoo“? Erfahrt es in unserer Bewertung und Kritik.

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Darum geht’s

Nichts ist, wie es war. BoJack Horseman (brillant wie immer: Will Arnett) packt sich an den eigenen Zügeln und übernimmt endlich Verantwortung für sein Leben. Zum ersten Mal scheint die Reha wirklich zu fruchten; dem harten Fusel bleibt das Star-Pferd eisern fern. Tatsächlich tauschen sogar zunehmend die Rollen, denn mit seiner neu gewonnenen Abstinenz vermag es BoJack erstmals, seinen Freunden Princess Carolyn (Amy Sedaris), Todd (Aaron Paul, El Camino) und Mr. Peanutbutter (Paul F. Tompkins) halbwegs aufrecht und mit Wohlwollen zu begegnen. Doch ganz so einfach ist das alles natürlich nicht: während es BoJack scheinbar über den Berg seiner Egomanie schafft, brodeln die Sünden seiner Vergangenheit bereits unter der Oberfläche…

Scheinbar mühelose Brillanz

Muss ich in der sechsten Staffel noch ernsthaft über die handwerkliche Brillanz von BoJack Horseman sprechen? Über das unsagbar detailverliebte, quietschbunte, humorvolle und enorm kreative Worldbuilding, dem nur von Rick and Morty das Wasser gereicht wird? Über das feinfühlige, emotionale, wuchtige, pointierte Voice-Acting einer exzellenten Darstellerriege? Über die Wortspiele und Witze, die so geistreich daherkommen, dass man sie zwei-, dreimal anhören muss, um ihre Genialität in vollem Umfang zu verstehen? Nein, das muss ich wirklich nicht. Auch in Staffel 6 wirkt die Cartoonserie formvollendet in fast jedem Gewerk. Was deshalb einmal mehr besonders ins Gewicht fällt, ist die Geschichte – und wie sie ihren Abschluss findet. Hierbei entscheiden sich die Autoren für einige unerwartete Kniffe.

BoJack sitzt auf dem Trockenen

Was ich bereits in meiner Kritik zu BoJack Horseman – Staffel 5 angeprangert habe, findet in der finalen Staffel Gehör: BoJack hört endlich auf, sich um sich selbst zu drehen und übernimmt Verantwortung für sein Leben. Ein Entwicklungsschritt, der bitter notwendig war, um die Serie nicht im Leerlauf enden zu lassen. Was dies zumindest für die erste Hälfte der neuen Staffel für Auswirkungen hat, ist jedoch erst einmal verblüffend. Sorgte BoJack in der Vergangenheit mit seinem unverbesserlichen Charakter für Frustration und allerhand Konflikte, ist nun das Gegenteil der Fall. Das reuende Pferd ist vernünftig, ruhig, bedacht. Und damit ironischerweise auch harmlos.

In Staffel 6 zeigt sich BoJack erwachsen, nüchtern und selbstreflektierend.

BoJack vor einem Badspiegel in einem Szenenbild aus BoJack Horseman Staffel 6

Jetzt ergibt es auch Sinn, warum sich die Macher so lange scheuten, BoJack eine ausschlaggebende Charakterentwicklung zu verpassen: er ist als besoffener Chauvinist einfach viel unterhaltsamer, als mit seinem Hahnenwasser in der PET-Flasche. Zwar sorgen nun die Nebenfiguren für den einen oder anderen Reißaus-Moment, aber bisweilen wirken gerade die ersten acht Folgen der sechsten Staffel reichlich unspektakulär. Das ist aber keineswegs so tragisch, wie das jetzt klingt. BoJack-Fans wissen, was die große Stärke der Serie ist: Realismus und tiefe, im Leben gegründete Wahrheiten. Manchmal heißt das eben auch, die Serie zugunsten der Glaubhaftigkeit ein paar Gänge zurückzufahren.

Ist die Geschichte wirklich schon auserzählt?

Im letzten Jahr gab Creator Raphael Bob-Waksberg immer wieder leise zu verlauten, dass er nach BoJack Horseman – Staffel 6 noch gerne weiter gemacht hätte. Und kein Zweifel: solange im echten Hollywood die Messer gewetzt werden, gibt es genügend Stoff für BoJack und seine Freunde, genau diese Happenings genüsslich durch den Kakao zu ziehen und an den Pranger zu stellen. Seien es Machtstrukturen, Drogenmissbrauch, Vetternwirtschaft der Branche oder die allgegenwärtige Ich-Bezogenheit der Stars und Sternchen. Nein, solange es derart viel Futter gibt, könnte BoJack Horseman noch ewig sein Unwesen treiben.

Doch die Geschichte von BoJack selbst ist nun mal auserzählt. Und findet in seinem Timing auch einen guten, befriedigenden Abschluss. Dabei machen es sich die Autoren nicht leicht und führen die Zuschauer ständig an der Nase herum. Gerade in der zweiten, wesentlich stärkeren Staffelhälfte, wird dem Protagonisten mit aller Boshaftigkeit Stück für Stück die Existenzgrundlage geraubt – und damit seine Angst, Selbstzweifel und Unsicherheit umso mehr gefüttert. In Folge 15 („The View from Halfway Down“) weiß der treue BoJack-Fan dann überhaupt nicht mehr, was er fühlen soll. Der surreale Trip treibt abwechselnd Klöße in den Hals und Tränen in die Augen. Momentan hat diese Folge ein sagenhaftes 10-Sterne Rating auf imdb. Und das Zurecht!

Keine einfachen Antworten

Weiter in die Details der finalen Staffel von BoJack Horseman zu gehen, würde das Seh-Erlebnis massiv schmälern. Umso spannender ist es nachzufühlen, was die Serie im Zuschauer auslöst. Schon in der Vergangenheit haben die Macher bewiesen, dass sie keine einfachen Antworten auf ihre durchaus komplexen Fragen geben. Die Wahrheit liegt eben irgendwo zwischen schwarz und weiß. Diese Spannung auszuhalten – dazu zwingen uns die Autoren förmlich in ihrem spektakulär-unspektakulären Finale. Mit Genuss widerstehen diese der Versuchung, der Pferdegeschichte einen fulminanten, explosiven, alles in den Schatten stellenden Abschluss zu geben – sondern sie entscheiden sich für die realistische Variante. Diese mag beim ersten Schauen zwar lange nicht so befriedigend wirken, hallt dafür aber noch einige Tage nach Serienschluss nach. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

„- Life’s a bitch and then you die, right?
– Sometimes. Sometimes life’s a bitch and then you keep living.“

Diane Nguyen & BoJack Horseman in BoJack Horseman

Farewell, BoJack!

Innerhalb weniger Staffeln schaffte es BoJack Horseman von einem halbwegs satirischen Cartoon für Erwachsene zu einer der realistischsten, tiefgreifendsten und aufrüttelndsten Serien der modernen TV-Landschaft zu werden. Der schonungslose Spiegel, der nicht nur der Traumfabrik, sondern auch jedem einzelnen von uns vorgehalten wurde, lässt verdammt tief in unsere Gesellschaft und Psyche blicken. Dass dies einem alkoholkranken Pferd, einer Workaholic-Katze, einem ADHS-Hund und einem bärtigen Stoner so viel besser gelingt, als fast allen Serien der Jetztzeit, ist ein kleines Wunder. Mit Staffel 6 verabschiedet sich ein Serien-Gigant von der Bildfläche: konfrontierend, ehrlich, witzig und irgendwie doch unheimlich unspektakulär. Ein passenderes Ende könnte es für BoJack Horseman nicht geben.

Fazit

8.8/10
Sehr gut
Community-Rating:
Handlung 8.5/10
Dialoge 9.5/10
Tiefgang 9/10
Humor 8/10
Charaktere 9/10
Details:
Showrunner: Raphael Bob-Waksberg,
FSK: 16 Epiosden: 16
Besetzung: Aaron Paul, Alison Brie, Amy Sedaris, Paul F. Tompkins, Will Arnett,

Die finale Staffel von BoJack Horseman löst ein eher untypisches Gefühl aus. Ist die erste Staffelhälfte noch bewusst zahm und wenig konfliktreich gestaltet, zieht sich die Schlinge in Hälfte zwei zunehmend zu. Dabei wird jeder BoJack-Fan vermutlich die eine oder andere Träne wegdrücken müssen, denn zimperlich wird mit dem beliebten Gaul sicherlich nicht umgegangen. In all seiner technischen, handwerklichen und kreativen Brillanz besticht BoJack Horseman – Staffel 6 mit einem ganz neu gewonnenen Realismus, der unerwartet hart ins Mark trifft. Zwar zündet die Serie in der vorletzten Folge ein regelrechtes Emotionsfeuerwerk, doch die Stärke sitzt diesmal erneut in den ruhigen, bedachten und weisen Tönen. BoJack Horseman findet sein Ende – und das tatsächlich ganz anders, als man es vermutet hätte. Goodbye, BoJack! Wir werden dich vermissen.

Artikel vom 9. März 2020

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