Kritik: Last Hero Inuyashiki – Staffel 1
EIN SEHR UNSCHEINBARER HELD
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Ichirō Inuyashiki (Fumiyo Kohinata, deutsch: Christian Tramitz) hat kein leichtes Leben. Mit 58-Jahren sieht er bereits aus wie ein alter Mann und ist ebenso gebrechlich. Seine eigene Familie respektiert ihn nicht und weiß seine Aufopferungen nicht zu schätzen. Dann erfährt er auch noch, dass er Krebs hat. Und als er glaubte, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, wird er im Park urplötzlich von einem Alien-Raumschiff zerquetscht.
Was wie das Ende eines sehr traurigen Lebens aussieht, erweist sich jedoch als unerwarteter Neuanfang. Nicht nur erwacht Inuyashiki komplett unversehrt und ohne gesundheitliche Beschwerden – offenbar wurde er von den Aliens in eine Maschine umgewandelt. Anfangs noch bestürzt über sein neues mechanisches Dasein, erkennt Inuyashiki einen neuen Lebenssinn: Er möchte sich seine Menschlichkeit beweisen, in dem er so viele Menschen wie möglich rettet. Ein neuer Held ist geboren!
Doch was er noch nicht weiß: Jemand anderes war in der schicksalhaften Nacht ebenfalls vor Ort. Und dieser jemand ist alles andere als heroisch…
Wir kennen Superhelden-Origins schon zu Genüge: Ein Teenager wird von einer radioaktiven Spinne gebissen, ein junger Wissenschaftler wird Gammastrahlen ausgesetzt und auch tote Eltern können ein Ansporn sein. Ein alter Mann, der kurz mal von Aliens zerquetscht und wieder neu zusammengebaut wird, ist definitiv ungewöhnlich – und das macht es so genial!
Ichirō Inuyashiki passt perfekt in die Rolle als neuer Superheld. Dieser von Leben gezeichnete Mann bringt genug Tiefe ein, die seine Heldenreise so fesselnd macht. Überfordert von dieser Situation und ohne technische Kenntnisse muss er in sein neues Leben hineinwachsen. Es ist eine ruhige und emotionale Darbietung, die Inuyashiki wiedergibt, während er heimlich und unbemerkt Heldentaten vollbringt. Und wenn man bedenkt, dass ihm die deutsche Stimme Christian Tramitz geliehen hat, der vor allem durch Komödien, wie die Bullyparade bekannt ist, ist das umso beeindruckender.
Ein kleiner Dämpfer ist deshalb, dass wir nicht so viel von ihm sehen, wie wir es gern würden. Vor allem in der Mitte des Animes bilden sich weniger interessante Handlungsstränge ein. Zudem wechselt der Anime gelegentlich kurzfristig in die Erzählperspektive der Opfer, die gerettet werden müssen. Das soll zwar Empathie aufbauen, driftet jedoch leicht mal ins Gefühlsdusselige und kann ablenkend wirken. Dabei wär’s schön gewesen, noch mehr über Inuyashiki zu erfahren. Denn spätestens, wenn er den Titelsong von Astro Boy singt, während er versucht zu fliegen, weiß man: Dieser Held ist der Richtige!
„Von jetzt an werde ich möglichst viele Leben retten. So kann ich beweisen, dass ich ein Mensch bin.“
Ichirō Inuyashiki
Ein mächtiger Held braucht einen ebenso großen Schurken und diese Rolle füllt Hiro Shishigami (Nijirō Murakami, deutsch: Tim Schwarzmaier) gerne aus. Während Inuyashiki sich als Mensch fühlt, wenn er Leben rettet, fühlt sich Hiro nur menschlich, wenn er Leben nimmt. Im Gegensatz zum Ersteren hat Hiro schnell die Feinheiten seines neuen Maschinenkörpers gelernt und nutzt diese zum Zeitvertreib und nachts zur Ermordung ganzer Familien. Alles was er dazu braucht ist sein Finger und der telekinetische Schuss, denn dieser abfeuert. Seine unheimliche Gelassenheit dabei machen ihn als Schurken absolut furchteinflößend. Dass er zudem auch kindische Weise Peng-Geräusche macht, während er seine Opfer tatsächlich abschießt, macht es noch verstörender.
Das Unheimliche an Hiro ist, wie verstörend real er sich anfühlt. Kein psychopatisches Genie, kein Superschurke mit einem komplexen Plan. Nur ein Junge mit stark soziopathischen Tendenzen, der zufällig an unbeschreibliche Macht gelangt ist und ihm die meisten Menschen nun noch weniger bedeuten. Sein gutes Aussehen und sein selbstsicheres Auftreten täuschen darüber hinweg, dass er in Wahrheit ziemlich simpel gestrickt ist und meist spontan und zufällig handelt. So überrascht es auch nicht, wenn er ein Mädchen nach ihrem liebsten One Piece Charakter fragt – kurz nach er ihre Familie ausgelöscht hat. Zwar hat er Menschen, die ihm was bedeuten und der Anime gibt ihm genug Tiefe, um nach größerer Bedeutung im Leben zu suchen, doch man vergisst zu keinem Zeitpunkt, dass er ein hochgefährlicher Killer ist, der gestoppt werden muss – und das hoffentlich in einem hochexplosiven Showdown!
Wenn man sich die beiden Kontrahenten ansieht, könnte man von einer Metapher für einen Generationskonflikt ausgehen. Und tatsächlich ist es eins der gesellschaftskritischen Themen, die der Anime aufgreift. Ältere Menschen wie Inuyashiki werden respektlos behandelt, während man zu gutaussehenden Jünglingen wie Hiro aufsieht, trotz der sehr offensichtlichen Alarmsignale.
Tatsächlich greift der Anime unerwartet seriöse Themen in dem Robo-SciFi-Setting auf. Seien es Mobbing, Cyberbullying, sinnlose Gewalt oder auch lediglich die harsche Realität in Form einer Krebserkrankung. Was jedoch vor allem hervorsticht, ist die schiere Ignoranz einer sehr behüteten Gesellschaft. Es ist beängstigend wie lange die Menschen heutzutage brauchen, um eine ernsthafte Gefahr zu erkennen. Vor allem eine, die die moderne Technologie gegen diese nutzen kann.
Zwar gehen diese Themen nicht immer in die Tiefe und enden gelegentlich in einer zu offensichtlichen Darstellung von Emotionen, dennoch zeigt der Anime gut, dass Kampfroboter keine Ablenkung von der düsteren Realität sind.
Humanoide Roboter gehören in Animes immer noch zum guten Ton und das ist in Last Hero Inuyashiki auch nicht anders. Erstaunlich anzusehen ist hierbei vor allem, wie detailliert das Maschinendesign ist. Wenn die beiden Hauptfiguren ihre „Haut öffnen“ und die komplexen Maschinerien offenbaren, sieht es einfach beeindruckend aus. Dies tritt auch noch stärker zum Vorschein, weil das Design der Charaktere generell realistischer gehalten wurde. An der Animation gibt es in diesem Sinne kaum etwas zu bemängeln.
Schwieriger wird es jedoch, wenn die Szenen gelegentlich ins CGI umwechseln. Hier funktioniert der Übergang nicht immer, zumal ziemlich schnell zwischen 2D und 3D gewechselt wird. Manchmal funktionierts ziemlich gut, andere Male jedoch wirken die Animationen plastisch, verschwommen und nicht ganz so flüssig. Gelegentliches Uncanny Valley lässt sich auch nicht vermeiden (abgesehen von den Fällen, in denen es absolut beabsichtigt ist.)
Und wer hat das alles im Gang gesetzt? Aliens! Sie crashten ein, machten Ihr Ding und verschwanden wieder so schnell, wie sie gekommen sind. Wer tiefgreifende Erklärungen haben wollte, wird hierbei enttäuscht. Doch das ist nicht das Problem. Die Abwesenheit einer Erklärung trägt sehr gut zum Mysterium bei und fokussiert die Handlung gänzlich auf eine konkrete Prämisse: Die Wiedergeburt zweier übernatürlicher Menschen in einer andernfalls komplett realistischen Welt.
Das Problem ereignet sich am Ende. Bereits die Handlung wirkte gelegentlich nicht fokussiert, doch das ist kein Vergleich zu dem Ende, dass ohne große Zusammenhänge kommt. Es fühlt sich so an, ohne Spoiler zu nennen, als wäre dem Mangaka eingefallen, dass es hier außerirdische Elemente gibt, daher wollte er noch was schnell in diese Richtung machen. Zwar ergibt sich daraus trotzdem ein emotionales und ziemlich befriedigendes Ende, dennoch lässt sich sagen: Das hätte man viel besser lösen können.
Die Geschichte von Ichirō Inuyashiki ist ein Superheldenepos wie kaum ein anderes. In einer kompakten Mini-Serie werden die absurden Elemente von Anime-Robotern mit der harschen Realität der modernen Gesellschaft kombiniert. Vor allem Inuyashiki überzeugt als ungewöhnlicher Held: unscheinbar, bescheiden und erstaunlich menschlich.
Natürlich hat der Anime Schwächen, die man schlecht übersehen kann. Die CGI-Szenen wirken ablenkend, die emotionalen Szenen wechseln gelegentlich ins Gefühlsdusselige und das Ende… hätte man besser lösen können. Dennoch trübt das kaum den emotionalen Impakt, den diese Anime Serie hinterlassen wird.
Eines steht hierbei fest: Auf diesen Helden können Sie bauen!
Artikel vom 21. Februar 2021
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