Insel-Mystery in Hochglanz-Optik
Das gemächliche Entfalten des Mysteriums, das die Insel umgibt, ist gewohnt gelungen. Flanagan lässt sich Zeit für seine Figuren und Konflikte, setzt Jumpscares sparsam (aber effektiv!) ein und rückt erst nach vier Episoden so richtig mit der Sprache raus. Böse Zungen würden das als slow burner betiteln, doch das fulminante Finale mit der heftigsten Kirchenszene seit Kingsman: The Secret Service liefert den erhofften emotionalen Payoff. Und bis es so weit ist, sorgen genügend Plot-Twists für echte Überraschungen!
Optisch lässt Midnight Mass – Staffel 1 nichts zu wünschen übrig. Die Kamera malt regelrechte Gemälde auf den Homescreen, Farbgebung und Sound Design sind aus einem Guss und der oft auf Kirchenlieder reduzierte Soundtrack von The Newton Brothers sorgt für unheimlich-sakrale Stimmung. Überhaupt gelingt es Flanagan insgesamt wesentlich besser als in seiner durchwachsenen The Shining-Fortsetzung Doctor Sleeps Erwachen, seine Geschichte organisch entfalten zu lassen. Nur einem alten Laster kann er nicht ganz widerstehen…
Monolog-Mike strikes again!
Mehr denn je scheint Mike Flanagan seinen durchaus komplexen Themen und Gedanken nicht vollends zu vertrauen. War der Schluss-Monolog in Spuk in Hill House schon gefährlich nah am Rande zum Kitsch, gibt es in Midnight Mass – Staffel 1 fast keine Folge, die nicht mit einem ellenlangen Monolog auskommt, in der geschliffene Lebensphilosophien abgefeuert werden. Flanagan traut seinem Publikum nicht zu, zwischen den Zeilen zu lesen – weshalb er alles Relevante mit Filzstift auf die Zeilen klatscht.
Dadurch geht bisweilen einiges von dem sorgsam aufgebauten Mysterium verloren, weil alle Hintergründe fast zu Tode erklärt werden. Da können selbst die bewährten Schauspieler:innen, von denen viele zu Flanagans Inventar gehören (darunter der großartige Henry Thomas, Kate Siegel oder Samantha Sloyan), nicht mehr vor der Pathos-Falle retten.
Ein Fest der Figuren
Dass Midnight Mass – Staffel 1 diese Erklär-Bär-Momente überhaupt nicht nötig hat, zeigen die sorgsam gezeichneten Figuren. Jede einzelne wartet mit einem konfliktreichen Background auf, der auch nur nach und nach offenbart wird. Im Gegensatz zu den nervtötenden Monologen sind es deshalb die Dialoge, die einen echten Mehrwert bringen. Einfach, weil jede Figur entsprechend ihrem Hintergrund argumentiert und handelt – und nicht, weil auf Teufel komm raus etwas erklärt werden muss.
Danke für die unermüdliche Arbeit, die ihr leistet.
Liebe Grüße Alisa