Kritik: The Marvelous Mrs. Maisel – Staffel 1
CHARMANTE SATIRE EINER VERGANGENEN GESELLSCHAFT
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Diese Serie ist so ganz anders als alles, was zur Zeit zur Verfügung steht und brilliert durch den Charme und das Können ihrer Hauptperson Miriam „Midge“ Maisel, dargestellt von der fantastischen Rachel Brosnahan, die mit ihren 27 Jahren schon einiges in Film und TV geleistet hat, aber noch nie als Hauptperson in Erscheinung getreten ist. Die Erfinderin und Produzentin ist Amy Sherman-Palladino, die hauptsächlich durch die sehr erfolgreiche Familienserie Gilmore Girls bekannt geworden ist.
The Marvelous Mrs. Maisel spielt im New York der späten 50er und 60er Jahre, eine offensichtlich schräge und seltsame Epoche, die wir zum Beispiel schon durch Mad Men kennengelernt haben. Sie ist uns in ihrer macho-dominierten und von prä-emanzipierten Weibchen dominierten Struktur so fremd wie das Mittelalter und wir haben zum Glück nun genug Abstand, um uns über diese Gesellschaft wundern und amüsieren zu können.
Eine Pilotfolge muss so konstruiert sein, dass der Zuschauer gleichzeitig interessiert, informiert und gefesselt ist, um weiterschauen zu wollen. The Marvelous Mrs. Maisel wählt als Einstieg die Hochzeitsfeier von Midge, die ca. vier Jahre zurückliegt und beginnt mit ihrer Rede an die versammelten Hochzeitsgäste. Am Mikro steht die Braut selbst, nicht der Brautvater (Tony Shalhoub, bekannt als “Monk”) oder der Bräutigam (Michael Zegen).
Midge mischt die versammelte jüdische, Upper-West-Side Society auf, sie ist charmant und redegewandt, erzählt über sich (filmisch dargestellte Flashbacks) und mockiert sich gleichzeitig über die etablierten Verhaltensregeln, indem sie – ganz unschuldig und nebenbei – fallen lässt, dass die Frühlingsrollen unkoschere Garnelen enthalten, woraufhin die Hälfte der Gesellschaft entrüstet aufsteht und das Fest verlässt. Aha, denkt der Zuschauer, diese Person hat es offensichtlich faustdick hinter den Ohren!
Im Ehealltag sieht dann aber alles ganz anders aus. Midge hat ihr Leben richtig im Griff, organisiert Haushalt und zwei kleine Kinder und hält sich mit Obsession an die vorgeschriebenen und von ihrer Mutter offensichtlich vorgelebten Anweisungen für ihr Eheleben. Auf heutige Frauen wirkt das außerordentlich abstrus. Eine sprechende Szene zeigt Midge, die perfekt geschminkt und frisiert zu ihrem Ehemann ins Bett steigt, kurz wartet, bis dieser eingeschlafen ist, um sich dann im Bad wieder abzuschminken. Am nächsten Morgen wird die ganze Zeremonie natürlich wieder rückwärts aufgewickelt, indem sie früher aufsteht und sich schnell schminkt, bevor der Mann Wind davor bekommt.
Kein Wunder, dass der junge Ehemann von soviel Perfektionismus eher abgeschreckt ist. Er hat mit seiner eigenen Rolle im Leben zu kämpfen. Seine Familie hat ihn mit lukrativem Job und großem Apartment ausgestattet. Er gibt sich deshalb mit großem Engagement seinem Hobby hin, eine Karriere als Stand-up Comedian zu starten und besucht regelmäßig die Kneipe “Gaslight”, wo Susie Myerson (Alex Borstein) als Managerin regiert. Sie hat für seine Comedy-Versuche nur Augenrollen übrig. Als er dann bei einem Auftritt völlig versagt, gerät die Geschichte ins Rollen.
Frustriert und enttäuscht erzählt er Midge, dass er sie verlassen will. Außerdem gesteht er eine Affäre mit seiner Sekretärin. Der Zuschauer versteht, dass es sich hier um eine Art spätpubertäre Rebellion handelt. Natürlich kann die doofe Sekretärin keinem Vergleich mit Midge standhalten. Diese ist natürlich geschockt und besäuft sich umgehend. In diesem Zustand fallen alle ihre gesellschaftlichen Restriktion ab, sie landet in Mantel und Nachthemd im Gaslight und Susie, die mit scharfem Auge erkennt, was sich hier anbahnt, überlässt ihr die Bühne. Nun zieht Midge vom Leder was das Zeug hält. Sie ist vulgär und gleichzeitig saukomisch, spricht das Publikum direkt an und sagt endlich, was wirklich Sache ist. Als Höhepunkt präsentiert sie ihren nackten Busen mit der Frage, warum ihr Ehemann „das hier“ verlassen hat – nur um sofort von einer Polizeistreife verhaftet zu werden und im Gefängnis zu landen.
Natürlich sind die 60er keine ideale Zeit für weibliche Comedians, die die Gesellschaft ins Lächerliche ziehen und die Regeln in Frage stellen. Midge muss feststellen, dass sie nur gut ist, wenn sie entweder alkoholisiert oder nervlich am Zusammenbruch ist. Dann fallen die Schranken, sorgfältig konstruierte und vorbereitete Jokes hingegen fallen platt in sich zusammen. Sie versucht sich deshalb auch als Verkäuferin in der Kosmetikabteilung eines großen Kaufhauses, ein Job, den sie mit links absolviert. Doch reicht das? Ist sie nicht zu Größerem geboren? Kneipenmanagerin Susie erweist sich als wahre Freundin, die nie die Genialität der wirklichen Midge vergisst und versucht, ihrer Karriere einen Weg zu bereiten.
Die Maisels und Weissmans sind schon ein Fall für sich. Entsprechend der amerikanischen Comedy-Tradition, sind sie alle exzentrische Quasselstrippen, die sich gegenseitig unablässig auf die Nerven gehen, aber sie sind auch unverwechselbare Persönlichkeiten, die man allesamt gleich in die eigene Familie adoptieren möchte. Sie bilden einen sozialen Rahmen an Nebenfiguren, die alle wichtig, lustig und interessant sind und vor deren Hintergrund sich die beiden Hauptdarsteller Midge und Joel richtig entfalten können.
Es gibt hier nicht wirklich unsympathische Gegenspieler. Die eigentlichen “Hassfiguren”, wie die erfolgreiche Comedian, die Midge später als „Mentorin“ kennenlernt und die Bosse der Unterhaltungsindustrie, die versuchen, Miriam in das Mainstream-Korsett zu spannen, sind nicht wirklich wichtig und nehmen keine große Rolle ein. Deshalb ist der dramatische Bogen relativ flach gespannt, es geht hier offensichtlich mehr um Spaß und Unterhaltung, als um große Konflikte. Doch sind diese durchaus vorhanden, denn die Perspektive des heutigen Zuschauers auf die gesellschaftlichen Regeln der vergangenen Zeit sind das eigentliche Thema im Hintergrund. Das hätte man noch etwas schärfer herausarbeiten können, um die jeweilige Fallhöhe und das wieder Nach-oben-Kämpfen ausdrucksvoller darstellen zu können.
In einem Satz: Wer Geschmack finden kann an einer professionell geschriebenen und produzierten „American period comedy-drama“ Serie, die einen weiblichen Charakter in den Vordergrund stellt und dessen Nebenfiguren allesamt einer typisch amerikanisch-jüdischen High- Society Klasse entstammen, die pausenlos quatschen, ohne dass ihnen jemand zuhört und sich dabei selbst entlarven; die in Nebensätzen so unglaublich schräge Lebenswahrheiten präsentieren und einer Kameraführung, die immer dann richtig draufhält, wenn es Szenen gibt, die eine untergegangene Gesellschaft persiflieren; der ist bei The Marvelous Mrs. Maisel genau richtig.
Artikel vom 12. März 2018
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