Gewalt, Schock, Enttäuschung – geil!
Wie viel ist genug? Für The Walking Dead ist das eine überflüssige Frage, denn seitdem „schockierende“ Serien wie Game of Thrones existieren, gibt es kein „genug“. Natürlich dürfen sich die Drehbuchautoren mit ihrem Genre rechtfertigen – eine Zombie-Apokalypse ohne Gewalt ist eben so impotent wie Rosamunde Pilcher ohne Herzschmerz.
Dabei versteht The Walking Dead eines nicht: Schocker lassen sich nicht instrumentalisieren, ohne billig zu wirken. Zwar kann die Folter storytechnisch gerechtfertigt werden, indem Rick Grimes Gruppe psychisch gebrochen werden soll. Doch mittlerweile verlässt sich die Serie zu sehr auf diese Schlaghammer-Szenen, die in einem Intervall von vier bis sechs Episoden eingebaut werden, um in erster Linie die Zuschauer bei der Stange zu halten.
Was sind „Wasserspender-Szenen“?
Bei Game of Thrones setzen die Schocker einzelne Akzente auf eine involvierende und durchdachte Handlung, während sie bei TWD lediglich verzweifelte Ausrufezeichen nach mehr Anerkennung sind. Diese bestimmten Momente nennt man „Wasserspender-Szenen“. Am nächsten Tag bei der Arbeit kann man sich nämlich toll mit Kollegen darüber in der Mittagspause unterhalten. „Boah, wie krass war das, als Negan [SPOILER] den Kopf eingeschlagen hat und das Auge rausgesprungen ist?!“
Nebenhandlungen, Nebencharaktere, Nebenschauplätze
Okay, genug GoT-Vergleiche, auch wenn meine Finger kitzeln, sie niederzuschreiben. Natürlich hat diese Serie ganz andere Ziele und Schwerpunkte. Dann schauen wir uns doch mal an, wie TWD seine „unendliche“ Geschichte aufrollt.
Leider setzt Staffel 7 den Trend fort, der sich schon ab der zweiten Hälfte der vierten Staffel etabliert hat: Eine Geschichte in Form eines Flickenteppichs. Ein bisschen hier, ein bisschen da. Wo bleibt die Spannung zwischen den Episoden, die mich süchtig nach einer Serie macht?
Wir bekommen in der neuen Staffel mindestens fünf verschiedene Handlungsstränge, die lose in der Luft baumeln. Statt das Erzähltempo zu straffen und die verschiedenen Geschichten miteinander zu verknüpfen, bekommen wir pro Episode nur einen einzigen Schauplatz. Hauptcharaktere sind also oft drei bis vier Episoden völlig vergessen, bis sie plötzlich wieder auftauchen. Die Dynamik der Geschichte steht still wie ein abgeschlossener Drahtesel mit einem Platten.
Screenjunkies beschreiben mit ihrem “Honest Trailer” die Probleme von The Walking Dead mit Humor:
Ezekiel vs. Negan – Warum gebt ihr uns das nicht??
Warum werden interessante Handlungslinien wie die von König Ezekiel nur eine Episode lang angerissen? Das wäre grandioser Stoff für eine Staffel gewesen! Stattdessen ist jetzt die Hälfte der Folgen schon vorbei und die Geschichte tappt immer noch dumm im Dunkeln umher wie eine blinde Kuh.
Stattdessen gibt’s Stand-up-Comedy von Negan
Jeffrey Dean Morgan gibt alles. Natürlich ist er der unterhaltsamste und gleichzeitig furchterregendste Schurke, den The Walking Dead je zu bieten hatte. Mit seinem Charisma spielt er selbst Andrew Lincoln als Rick Grimes locker an die Wand, der in dieser Staffel (bis jetzt) sowieso kaum etwas zu tun hat.
Negan ist ein effektiver aber oberflächlicher Schurke. Mit seiner sarkastisch singenden Stimmlage nagelt er einen One-Liner nach dem anderen an die Stirn seiner Kontrahenten. Und es macht Spaß, ihm dabei zuzuschauen! Leider versucht das Drehbuchteam es mal wieder zu exzessiv: Jeder einzelne Satz aus Negans Mund hört sich überlegen, belustigt und zynisch an, so als ob der Charakter selbst die ganze Zeit schauspielern würde. Ein paar tiefere Charakterebenen dieses „Superschurken“ hätten gut getan und seine Figur interessanter gemacht. Hoffentlich bekommen wir diese in der zweiten Hälfte der Staffel zu sehen.
„Hey, wir sollten jetzt über unsere Gefühle reden.“
Man kann TWD nicht vorwerfen, dass es seine Charaktere vernachlässigt. Aber wie bei allem: Das Drehbuch versucht es einfach zu sehr. Wenn Dialog-Time ist, dann ist es das wortwörtlich: Zwei Charaktere sitzen nebeneinander und reden – über Minuten. Sie erklären ihre Gefühle besser als ein Literaturwissenschaftler Faust erklären würde. Es gibt überhaupt keine Subtilität, weil einfach jede Figur in The Walking Dead 1:1 sagt, was sie denkt und was momentan ihre psychologischen Abgründe sind.
So gut die Absichten dahinter sind – Charaktere wirken dadurch eben „nur“ wie Schauspieler, die einen Charakter spielen. Dabei ist das schauspielerische Talent des Casts zum Teil beeindruckend: Keiner kann ein Trauma so authentisch darstellen wie Andrew Lincoln! Auch Lauren Cohen als Maggie liefert eine starke Performance. Leider hat Daryl (Norman Reedus) bis jetzt kaum Dialogzeilen – vielleicht überzeugt er aber gerade deswegen einmal mehr als der beste Charakter der Serie.
Was müssen die nächsten acht Folgen besser machen?
- Führt endlich die Nebenplots zusammen
- Keine isolierten „Flaschen-Episoden“ mehr
- Mehr von König Ezekiel
- Krieg der Clans muss beginnen
- Rick Grimes muss wieder präsenter werden
- Mehr Charaktertiefe von Negan aufbauen
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