Kritik: The Walking Dead – Staffel 7, Teil 1
DIE SERIE ÜBERTRIFFT SICH NUR NOCH MIT TIEFPUNKTEN
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Diese Kritik bezieht sich lediglich auf die erste Hälfte der siebten Staffel! Nachdem alle Folgen ausgestrahlt wurden, werde ich diesen Artikel aktualisieren. Die neuen Folgen beginnen am 20. Februar 2017.
Der Cliffhanger der sechsten Staffel ging wohl als unverschämtestes Staffelfinale aller Zeiten in die Serien-Geschichte ein. Gott sei Dank setzt Staffel 7 aber genau da ein, wo wir zuletzt stehen geblieben sind: Bei Negan (Jeffrey Dean Morgan), der mit seinem personifizierten Baseballschläger namens „Lucille“ ein Mitglied der Gruppe zu Brei schlagen will.
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Gesagt, getan. Wir bekommen einen Staffelauftakt, der den fiesen Cliffhanger bis zum Unerträglichen ausschlachtet. Die Tortur dauert eine Dreiviertelstunde und dreht sich lediglich darum, welcher unserer lieb gewonnenen Charaktere das Gehirn aus dem Kopf geprügelt bekommen. Der Aufbau der Suspense erinnert an das Staffelfinale einer Castingshow – breitgetreten, konstruiert, frech, aber dennoch effektiv und nervenzerreißend. Wer ist denn nun der Sieger von Negan sucht das Superhirn?
Wie viel ist genug? Für The Walking Dead ist das eine überflüssige Frage, denn seitdem „schockierende“ Serien wie Game of Thrones existieren, gibt es kein „genug“. Natürlich dürfen sich die Drehbuchautoren mit ihrem Genre rechtfertigen – eine Zombie-Apokalypse ohne Gewalt ist eben so impotent wie Rosamunde Pilcher ohne Herzschmerz.
Dabei versteht The Walking Dead eines nicht: Schocker lassen sich nicht instrumentalisieren, ohne billig zu wirken. Zwar kann die Folter storytechnisch gerechtfertigt werden, indem Rick Grimes Gruppe psychisch gebrochen werden soll. Doch mittlerweile verlässt sich die Serie zu sehr auf diese Schlaghammer-Szenen, die in einem Intervall von vier bis sechs Episoden eingebaut werden, um in erster Linie die Zuschauer bei der Stange zu halten.
Bei Game of Thrones setzen die Schocker einzelne Akzente auf eine involvierende und durchdachte Handlung, während sie bei TWD lediglich verzweifelte Ausrufezeichen nach mehr Anerkennung sind. Diese bestimmten Momente nennt man „Wasserspender-Szenen“. Am nächsten Tag bei der Arbeit kann man sich nämlich toll mit Kollegen darüber in der Mittagspause unterhalten. „Boah, wie krass war das, als Negan [SPOILER] den Kopf eingeschlagen hat und das Auge rausgesprungen ist?!“
Okay, genug GoT-Vergleiche, auch wenn meine Finger kitzeln, sie niederzuschreiben. Natürlich hat diese Serie ganz andere Ziele und Schwerpunkte. Dann schauen wir uns doch mal an, wie TWD seine „unendliche“ Geschichte aufrollt.
Leider setzt Staffel 7 den Trend fort, der sich schon ab der zweiten Hälfte der vierten Staffel etabliert hat: Eine Geschichte in Form eines Flickenteppichs. Ein bisschen hier, ein bisschen da. Wo bleibt die Spannung zwischen den Episoden, die mich süchtig nach einer Serie macht?
Wir bekommen in der neuen Staffel mindestens fünf verschiedene Handlungsstränge, die lose in der Luft baumeln. Statt das Erzähltempo zu straffen und die verschiedenen Geschichten miteinander zu verknüpfen, bekommen wir pro Episode nur einen einzigen Schauplatz. Hauptcharaktere sind also oft drei bis vier Episoden völlig vergessen, bis sie plötzlich wieder auftauchen. Die Dynamik der Geschichte steht still wie ein abgeschlossener Drahtesel mit einem Platten.
Screenjunkies beschreiben mit ihrem “Honest Trailer” die Probleme von The Walking Dead mit Humor:
Warum werden interessante Handlungslinien wie die von König Ezekiel nur eine Episode lang angerissen? Das wäre grandioser Stoff für eine Staffel gewesen! Stattdessen ist jetzt die Hälfte der Folgen schon vorbei und die Geschichte tappt immer noch dumm im Dunkeln umher wie eine blinde Kuh.
Jeffrey Dean Morgan gibt alles. Natürlich ist er der unterhaltsamste und gleichzeitig furchterregendste Schurke, den The Walking Dead je zu bieten hatte. Mit seinem Charisma spielt er selbst Andrew Lincoln als Rick Grimes locker an die Wand, der in dieser Staffel (bis jetzt) sowieso kaum etwas zu tun hat.
Negan ist ein effektiver aber oberflächlicher Schurke. Mit seiner sarkastisch singenden Stimmlage nagelt er einen One-Liner nach dem anderen an die Stirn seiner Kontrahenten. Und es macht Spaß, ihm dabei zuzuschauen! Leider versucht das Drehbuchteam es mal wieder zu exzessiv: Jeder einzelne Satz aus Negans Mund hört sich überlegen, belustigt und zynisch an, so als ob der Charakter selbst die ganze Zeit schauspielern würde. Ein paar tiefere Charakterebenen dieses „Superschurken“ hätten gut getan und seine Figur interessanter gemacht. Hoffentlich bekommen wir diese in der zweiten Hälfte der Staffel zu sehen.
Man kann TWD nicht vorwerfen, dass es seine Charaktere vernachlässigt. Aber wie bei allem: Das Drehbuch versucht es einfach zu sehr. Wenn Dialog-Time ist, dann ist es das wortwörtlich: Zwei Charaktere sitzen nebeneinander und reden – über Minuten. Sie erklären ihre Gefühle besser als ein Literaturwissenschaftler Faust erklären würde. Es gibt überhaupt keine Subtilität, weil einfach jede Figur in The Walking Dead 1:1 sagt, was sie denkt und was momentan ihre psychologischen Abgründe sind.
So gut die Absichten dahinter sind – Charaktere wirken dadurch eben „nur“ wie Schauspieler, die einen Charakter spielen. Dabei ist das schauspielerische Talent des Casts zum Teil beeindruckend: Keiner kann ein Trauma so authentisch darstellen wie Andrew Lincoln! Auch Lauren Cohen als Maggie liefert eine starke Performance. Leider hat Daryl (Norman Reedus) bis jetzt kaum Dialogzeilen – vielleicht überzeugt er aber gerade deswegen einmal mehr als der beste Charakter der Serie.
Die Serie lernt einfach nichts. Im Gegenteil, alle Schwächen sind in Staffel 7 noch präsenter als zuvor: Keine Handlung, keine Richtung und kein Respekt vor der Fangemeinde. Durch zahllose Nebenhandlungen werden die ersten acht Episoden der Handlung irgendwie gefüllt, ohne danach überhaupt etwas aus Story-Sicht erreicht zu haben. Die talentierten Schauspieler werden in plakative Charaktere gesteckt, die ständig über ihre Gefühle reden müssen, statt sie authentisch zu zeigen. Zum Glück sorgt Negan für die nötige Unterhaltung und wirft etwas Chili in den faden Eintopf von Serie. Die zweite Hälfte der Staffel muss einiges retten.
Artikel vom 22. Dezember 2016
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