Kritik: Turn Up Charlie – Staffel 1
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Diese Serie mit acht dreißigminütigen Folgen ist kaum einzuordnen, denn trotz der 11jährigen Gabbi, neben Idris Elba die Hauptperson, ist der Film aufgrund von Sprache und Anzüglichkeiten nicht für Kinder geeignet. Für eine Komödie ist er nicht lustig genug, für eine Charakterdarstellung nicht tiefgründig und für einen Musikserie nicht mitreißend genug. Offensichtlich hat sich Netflix hier einfach mal den beliebten und „sexiest man alive“ Idris Elba geschnappt und ihm freie Hand gegeben für seine beiden Leidenschaften außerhalb Hollywoods – die Musik und London. Und das Gesamtpaket ist ziemlich unterhaltsam.
Wie ein oder mehrere erwachsene Männer, denen es an der nötigen Reife fehlt, durch die unverhoffte Verantwortung für ein Kind plötzlich zu ihrem besseren Selbst finden, hat man schon in zahlreichen Filmen gesehen. Ein positives Beispiel in jüngerer Zeit ist Omar Sy’s Film Plötzlich Papa (Demain tout commence), der eine gute Balance fand zwischen Komödie und Tragödie fand.
Bei der neuen Netflix Serie Turn it up Charlie treffen wir einen nicht mehr jungen Mann, der in einem Zimmer bei seiner Tante lebt und immer noch seinem One-Hit-Wonder nachträumt, das ihn für einen Sommer zum angesagten DJ in der Szene katapultiert hatte.
Hybris, Vergnügungssucht und mangelnde Arbeitsdisziplin sorgten dafür, dass ihm nichts blieb, kein Job, die Frau hat ihn verlassen und seinen Eltern in Afrika heuchelt er per Skypetelefonaten ein erfolgreiches Leben vor. Als sich ein Hollywoodschauspieler und Jugendfreund wieder in London ansiedelt, wird er zur „Nanny“ für die chaotische und frühreife elfjährige Tochter Gabbi (Gabrielle) engagiert. David’s Frau ist praktischerweise auch DJ, sehr bekannt und hat ein Tonstudio im Haus. So kommt es wie es kommen muss, Charlie taugt als Papa mehr als der echte und bekommt die Chance, seine Karriere wieder aufzunehmen.
In seine bisher sehr erfolgreichen Rollen spielte Idris Elba eher düstere und bedrohliche Charaktere. Ikonisch ist seine Darstellung des innerlich zerrissenen Detectives Luther in der gleichnamigen BBC-Serie. Die Intensität seines Schauspiels kann man z.B. hier sehen, falls man die Serie noch nicht kennt:
Elba wäre nicht der erste Schauspieler, der endlich einmal andere Rollen spielen will, doch dass er ein Talent für Komödie hätte, ist aus der Netflix Serie nicht unbedingt zu erkennen. Man nimmt ihm den Charakter trotzdem gerne ab, er spielt ihn mit einer charmanten Naivität und die Szenen, die vom Musikbusiness handeln, sind offensichtlich authentisch. Denn es ist mittlerweile ja hinlänglich bekannt, dass Elba unter dem Namen „Big Driss the Londoner“ eine erfolgreiche Zweitkarriere als DJ aufweisen kann.
Hier spielt er so ganz offensichtlich gegen sein Superhero Image. Eine eindeutige Anspielung darauf ist die Bemerkung von David, der sich an die gemeinsame Jugendzeit erinnert:
„He was my superhero in a hoody.“
David über Charlie
Und tatsächlich trägt Charly am liebsten Hoodies – in rosa!
Auch die Szenen in Tantchens Wohnung, die Dachgärten von London, die Bars und Pups und die Folge, die auf einem Festival spielt, sind liebevoll inszeniert. Das wird auch deutlich in den vielen Außenszenen in London, von Camden Market bis zum London Eye Riesenrad.
Doch leider scheint das alles nicht zu reichen, um die Serie über das Mittelmaß hinauszuheben, es fehlt der Funke, das Besondere, das Witzige oder Herzzerreißende. Man hat ständig das Gefühl, das alles schon einmal so oder so ähnlich woanders gesehen zu haben.
Viele Szenen sind leider so überzeichnet und bar jeder Feinheiten, dass man schon auf die Lachmaschine im Hintergrund wartet, etwa wenn die Mutter aus Afrika der längst entfleuchten Verlobten ein Päckchen mit lebenden Schnecken schickt. „Pets or food?“ „Food of course!“ und Auntie schnappt sich die Kriechtiere, um sie demnächst als Abendessen zu servieren.
Was dagegen ganz gut gelungen ist, ist das Zusammenspiel der Hauptpersonen in einem Liebes- und Verlustkarussell: Die anscheinend harmonische Ehe zwischen dem Schauspieler David und seiner Sara steht dann doch ziemlich wackelig da, Charly freundet sich zuerst zögerlich, dann aber immer mehr mit ihr an und kommt in moralische Konflikte. Zum Glück rettet ihn daraus die sexy Managerin und immer mittendrin die kesse Kleine, die aber zum Glück jemand Gleichgesinnten in der Schule findet. Das ist alles ganz überzeugend beschrieben und gespielt, aber es dümpelt leider auch eher an der Oberfläche, als irgendwo die Tiefen auszuloten.
Man kann sich durchaus diese ca. vier Stunden doch meist vergnügliche Zeit vor dem Bildschirm gönnen, wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat. Der Unterhaltungswert ist einigermaßen hoch, insbesondere durch das kesse Spiel der jungen Hauptdarstellerin Frankie Hervey, die ihre altklugen witzigen Dialoge hervorragend meistert. Auch die Musik kommt nicht zu kurz, wenn ich mir auch etwas mehr Einblicke in die Entstehungsweise eines Tracks gewünscht hätte. Ob ein Titel gut ist oder nicht spiegelt sich hier eher in der Reaktion des Publikums. Viel mehr als eine Musikserie ist Turn Up Charlie eine Drama-Komödie rund ums Thema Selbstfindung. Wem das zu seicht ist, der kann sich die Serie sparen und stattdessen auf Luther umsteigen.
Artikel vom 24. März 2019
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