Kritik: Game of Thrones – Staffel 1
ZWIETRACHT, ZWERGE, ZOMBIES. KANN DAS WIRKLICH GUT GEHEN?
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Auf dem Eisernen Thron des vereinten Reichs der Sieben Königslande sitzt der hurrende Trunkenbold Robert Baratheon (Mark Addy). Keine guten Voraussetzungen also. Als dieser seinen Freund und Waffenbruder Eddard „Ned“ Stark (Sean Bean) zu seinem Stellvertreter, der „Hand des Königs“, erklärt, übergeht er das reiche Adelshaus seiner Ehegattin Cersei Lennister (Lena Headey). Die machthungrigen Lennisters fühlen sich vor den Kopf gestoßen.
In seiner neuen Position als Hand des Königs zieht der rechtschaffende Ned Stark in der Hauptstadt Königsmund neue Sitten auf. Dass er der Ursache des mysteriösen Todes seines Vorgängers Jon Arryn auf den Grund geht, verschafft ihm jedoch keinen Frieden. Die Geheimnisse, die er bei seinen Untersuchungen aufdeckt, sorgen für Zwist und Streit unter den Adelshäusern der Sieben Königslande. Der Königsfrieden, der in Westeros seit der Unterwerfung des letzten Königs aus dem Hause Targaryen besteht, ist in Gefahr.
Nicht verpassen: unsere Zusammenfassung von Game of Thrones
Und das nicht nur durch Mächte aus Westeros selbst. Jenseits der Meerenge, im östlichen Kontinent Essos, plant der letzte männliche Targaryen seine Rückkehr nach Westeros. Was Viserys Targaryen (Harry Lloyd) jedoch fehlt, sind Männer. Was er hat, ist seine wunderschöne Schwester Daenerys Targaryen (Emilia Clarke). Sein Plan: Daenerys mit Khal Drogo (Jason Momoa), dem barbarischen Muskelkoloss und Führer des nomadisierenden Reitervolks der Dothraki, zu vermählen. Was er davon hat? 40 000 der besten Reiter der Welt und eine gute Chance den Eisernen Thron zurückzuerobern. Soweit zumindest sein Plan.
Auch aus dem hohen Norden, nördlich der Mauer, einem gigantischen Bauwerk aus reinem Eis, dass die Königslande seit Jahrtausenden gegen Barbarenstämme der ewig verschneiten Wildnis abschirmt, kommt böse Kunde. Das Freie Volk scheint sich unter einem Banner zu vereinen. Die Angriffe gegen die Mauer häufen sich.
Der Nachricht, dass Weiße Wanderer, untote Kreaturen mit eisblauen Augen, die seit Jahrtausenden nicht mehr gesehen wurden, nördlich der Mauer ihr Unwesen treiben, will jedoch kaum einer glauben. Alles Ammengeschichten, Gruselstories aus Märchenbüchern, so heißt es. Mal sehen, wer Recht behält.
Der Hauptcast der Fantasyserie umfasst um die 20 Rollen zuzüglich einer Fülle an Nebendarstellern. Wirkliche Ausfälle gibt es nicht, doch können nicht alle Nebendarsteller, bspw. Charles Dance als Tywin Lennister, restlos überzeugen. Bis auf Sean Bean (Boromir in Herr der Ringe) in der Rolle des Eddard Stark gibt es keine echten Stars.
Eddard Stark alias Ned, Lord des Hauses Stark und Wächter des Nordens, ist der moralische Fels in der Brandung. Um ihn herum: ein Meer aus Lug, Betrug, Intrige und Verrat. Der Höfling Petyr Baelish alias Kleinfinger hat Recht, als er Eddard Stark wissen lässt, dass er nicht der richtige Mann für die Politik Westeros‘ sei, wenn er sich nicht auch die Hände schmutzig machen wolle. Doch er will nicht. Selber Schuld.
Mit der Rolle des ehrenhaften Moralapostels Ned Stark, der sogar nicht in die Welt von Game of Thrones – Staffel 1 passt, setzt die Serie die Stimmung für die kommenden Staffeln des Westeros-Epos. Die Moral davon: Regieren kann in Westeros nur der, der auch bereit ist hart durchzugreifen. Moralische Bedenkenträger haben nicht den Hauch einer Chance. Ein bittere Message der Autoren. Grundsatz der Serie: Regieren ist ein schmutziges Geschäft. Mit Macht kommt nicht nur Verantwortung, sondern auch Gier, Egomanie und Verblendung. Manchmal sogar Wahnsinn.
Wenn Ned Stark die Moral verkörpert, dann steht Daenerys „Sturmtochter“ Targaryen – zumindest in Staffel 1 – für die Schönheit. Am anderen Ende der Welt sucht die Exil-Prinzessin ihren Platz in der Welt. Zu Beginn der Staffel ist die schauspielerische Leistung von Emilia Clarke in der Rolle der Daenerys blass, sodass sie vor allem aufgrund ihrer silber-blonden Haare auffällt. Nur langsam, von Folge zu Folge findet die an die Dothraki „verkaufte“ puppenhafte Prinzessin, zu neuem Selbstbewusstsein. So geht es auch Emilia Clarke, die Zeit braucht um in ihre Rolle hineinzufinden. Spätestens mit der epischen Schlusszene der Staffel schlägt sie einen jedoch in ihren Bann.
Hoch im Norden an der Reichsgrenze der Königslande tritt Jon Schnee (Kit Harrington) seinen Dienst in der Bruderschaft der Nachtwache an. Er und seine neuen Brüder sind mit der undankbaren Aufgabe betraut die eisige Mauer zu bemannen und die “unzivilisierten” Wildlinge des Nordens vom Reich fernzuhalten.
Im moralischen Wirrwarr der Serie ist der nach Gerechtigkeit strebende Jon Schnee eine Rarität. Er schlägt seinem Vater Ned Stark nach. Indem sich der Bastard, der von seinem Vater zwar geliebt aber nie öffentlich anerkannt wurde, für Schwächere einsetzt und seinen selbstlosen Dienst am Reich tut, kann er schnell die Herzen des Publikums gewinnen. Das liegt nicht nur an der Rolle selbst, sondern auch an Kit Harrington, der seiner Figur die notwendige Tiefe verleiht.
Anfangs ist der neunmalkluge und weltfremde Bastard Jon Schnee aber auch anstrengend. Naivität und Vehemenz, mit der er sein Pflicht- und Ehrgefühl ausfüllt, lassen ihn wie ein Streber wirken. Jon Schnee möchte unbedingt aller Welt zeigen, dass er bei den Lektionen seines geschätzten Vaters besonders gut aufgepasst hat. Ein bisschen spießig ist das schon.
Außerdem ist der Griesgram Jon, dem nie ein Lächeln über die Lippen huscht, geprägt von Komplexen. Mit der Schnappsidee sich einer Strafkompanie von verurteilten Verbrechern anzuschließen erhofft sich der Bastard beweisen. Ob das gut geht?
Eine wahre Entdeckung und ein definitiver Grund die Serie zu schauen, ist Peter Dinklage. Seine Rolle des Tyrion Lennisters spielt er mit verblüffender Vielseitigkeit. Tyrion, Sohn Tywin Lennisters, dem reichsten Lord der Sieben Königslande, ist kleinwüchsig auf die Welt gekommen. Der Zwerg, wie er unter anderem boshaft verspottet wird, hat sich über die Jahre eine Rüstung aus Sarkasmus angelegt. Umso lustiger für das Publikum. Auch wenn Tyrion in Game of Thrones – Staffel 1 noch wenig Screentime hat, ist er das Highlight der Serie. Dinklage Version des Tyrion ist zynisch, gerissen, sensibel und brutal. Er schafft es glaubhaft verschiedenste Aspekte und Emotionen in einem Charakter zu vereinen. Eine Meisterleistung.
Game of Thrones ist eine Fernsehserie. Traditionell sind Fernsehserien Fließbandware. Wenig Aufwand, wenig Neuerung, viele Folgen. Der Produktionsaufwand wird gering gehalten. Ganz anders bei Filmen. Die sind sozusagen Handarbeit. Game of Thrones – Staffel 1 schmeißt dieses alte Weltbild jedoch über Bord. Bemerkbar macht sich das vor allem in Szenenbild und Kostüm, die in puncto Aufwand und Originalität in der Serienwelt eine ganz neue Liga eröffnen.
Dennoch gibt es was zu Meckern. Was nicht funktioniert, sind bspw. Ausstattung und Kostüm des Handlungsstrang jenseits der Meerenge. Daenerys sieht in ihren bunten Kleidern aus wie eine Barbie-Puppe in einem billigen mittelalterlichen Karnevalskostüm. Das die zerbrechliche Schönheit an den wortkargen Oben-Ohne-Muskelprotz Khal Drogo verschachert wird, macht das Ganze noch peinlicher. Nebeneinander sehen die beiden einfach albern aus. Die Schöne und das Biest.
Anders jedoch der Handlungsstrang im Norden Westeros. Durch seine dreckige und verschlissene Garderobe sowie sein heruntergekommenes Szenenbild illustriert dieser Teil der Geschichte stimmungsvoll die Entbehrungen des harten Lebens an der bedrohten Grenze im eisigen Norden und wirken authentisch. Die Reiterlager der Dothraki erinnern jedoch mehr an die lieblos-gestaltete Ausstellungsfläche eines Neandertaler-Museums. Einfach unecht. Die Kultur der Dothraki, die an die Steppenreiter der Mongolen (siehe Marco Polo) angelehnt ist, wirkt wenig durchdacht und ktischig.
Kostüm und Szenenbild des Lebens am Hofe des Königs in Königsmund sind wiederum sehr märchenhaft und verspielt. Die Sonne scheint, die Rosen blühen, das Meer plätschert, die Ritter tragen weiße Mäntel, die Wache goldene Rüstung, die Frauen Kleider in schillernden Farben. Kann man machen. Doch fühlen sich Kostüm und des Öfteren auch das Szenenbild nicht echt an. Rapunzel, Rapunzel lass dein Haar herunter.
Nichtsdestotrotz ist Game of Thrones – Staffel 1 alleine in puncto Aufwand eine visuelle Großtat und setzt, wie schon die HBO-Serie Rom, neue Standards in der Serienwelt.
Ausschlaggebende Alleinstellungsmerkmale der ersten Staffel Game of Thrones sind jedoch andere.
In Game of Thrones – Staffel 1 gibt es kein Schwarz und kein Weiß. Okay, ich korrigiere mich, es gibt die Nachtwache, die traditionell schwarze Kluft trägt, und die Königsgarde mit ihren makellos weißen Mänteln. Das klassische Konzept von „Gut“ und „Böse“, wie man es zum Beispiel schon zu oft in einseitigen Comicverfilmungen gesehen hat, gibt es bei Game of Thrones jedoch nicht.
Um den heiß umkämpften Eisernen Thron zu ergattern, oder schlichtweg um zu Überleben, müssen alle Charaktere der Serie schwere Entscheidungen treffen. Sie verraten, verstümmeln und vernichten sowohl Feind als auch Freund. Manchen fällt das schwerer als anderen. Einige haben daran aber besondere Freude.
Die Unmoral, die sich als blutroter Faden durch die Serie zieht, ist meiner Meinung nach, eine wahre Offenbarung. Nicht zu wissen, ob man Charaktere der Serie wirklich mögen soll, oder ob man sie überhaupt mögen darf, macht einen besonderen Reiz des Westeros-Epos aus.
Ein weiteres wichtiges Element von Game of Thrones – Staffel 1 ist die Sexualität. Selten hat eine US-amerikanische Film- oder Fernsehproduktion so freimütig nackte Haut gezeigt. Das ist ein Glück, denn Sexualität ist ein zentrales Element der Buchreihe von George R. R. Martin. Sex aber auch Gewalt stehen im Zentrum der Gedankenwelt vieler Charaktere. Durch verklemmtes Ausklammern solcher Szenen, hätte die Serie gelitten. Denn tatsächlich spielen entscheidende Ereignisse der Handlung gerade dort. Dadurch, dass George Martin, aber auch die Showrunner David Benioff und D.B. Weiss, ganz bewusst Schlüsselszenen in Schlafzimmern oder Bordellen spielen lassen, zeigen sie einmal mehr, wie moralisch kaputt die Elite Westeros ist. In Game of Thrones sind Leid, Lust und Laster die Leidenschaften der Lords und Ladys. Die Macher der Serie halten uns den Spiegel vor und bringen einen ins Grübel. Sind wir “modernen” Menschen von dieser Welt soweit entfernt?
Game of Thrones – Staffel 1 ist ein düsteres und äußerst raffiniertes packendes Fantasyspektakel, dass Ritterturnieren, Wer-Wölfe, Eismonstern und Burgfräuleins unter einem Hut vereinen kann, ohne dass es dabei peinlich wird. Kostüm und Szenenbild können noch nicht auf voller breite überzeugen, sind aber im ganzen auf dem richtigen Weg. Um eine Fantasywelt, die die Tiefe und Wahrhaftigkeit des Herrn der Ringe oder der Harry Potter-Trilogie, handelt es sich bei Game of Thrones aber nicht. Was Fans freuen dürfte ist, dass die erste Staffel sehr nah an der Buchvorlage ist. Abweichungen zum ersten Band von Das Lied von Eis und Feuer gibt es nahezu keine. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die erste Staffel der Serie nur wenig Neues birgt. Dafür wird sie aber der Vorlage gerecht und hat mittlerweile Kultstatus erreicht und die Fernsehwelt verändert. Seit die erste Staffel ihren Kreuzzug in Sachen neuer Erzählkonzepte begann, hat sich bei Fernsehserien viel getan. Das beste Beispiel: House of Cards. Der gewissenlose Machtpolitiker Frank Underwood darf als Erbe oder modernes Upgrade eines Charakters aus Game of Thrones verstanden werden. In Westeros, hätte King Frank Underwood, erster seines Namens, König der Andalen und der ersten Menschen, Herr der sieben Königslande und Beschützer des Reichs, sicherlich einen festen Platz gehabt: nämlich auf dem Eisernen Thron. Mal sehen, wer das “Spiel der Throne” in den nächsten Staffeln für sich behaupten kann.
Artikel vom 12. April 2016