Kritik: Moxie. Zeit, zurückzuschlagen
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Vivian (Hadley Robinson) ist eine clevere und zurückhaltende Schülerin. Zusammen mit ihrer Freundin Claudia (Lauren Tsai), die ebenfalls sehr introvertiert ist, versucht sie die High School möglichst unsichtbar hinter sich zu bringen. Als die neue, selbstbewusste Schülerin Lucy (Alycia Pascual-Peña) an der Schule auftaucht, bemerkt Vivian Zustände, die ihr vorher noch nicht aufgefallen sind: Übergriffigkeit, Frauenfeindlichkeit und Sexismus stehen an der Tagesordnung. Vivian ist nicht bereit, dies weiterhin zu dulden und startet kurzerhand eine Revolution.
„Meinen Kopf lasse ich erhoben. Hoch“, sagt Lucy zu Vivian und bildet damit einen starken Kontrast zur verschwiegenen und ignoranten Schulgemeinschaft. Doch Lucys Einstellung stößt auch einen Prozess in Vivians Seelenleben an. Inspiriert von ihrer Mutter (Amy Poehler), die in den 90er Jahren selbst überzeugte feministische Aktivistin war, bastelt Vivian eine anonyme Zeitschrift – genannt “Moxie!” – und legt diese auf den Schultoiletten aus.
So formt sich über Nacht eine Bewegung, der sich immer mehr Schülerinnen anschließen und auf die Missstände der High School aufmerksam machen. “Moxie!” stößt jedoch auf Widerstand durch Lehrer und auch Schüler. Der Antagonist Mitchell (Patrick Schwarzenegger), Footballspieler und Repräsentant toxischer Männlichkeit, ist nicht bereit, seine Vormachtstellung so schnell aufzugeben.
Vivians Situation kommt der ein oder anderen vielleicht erschreckend bekannt vor. Die Mädchen an der Schule werden nach ihrem Aussehen beurteilt, in veröffentlichten Listen degradiert, sie werden im Unterricht von den Jungs unterbrochen und sogar von der Direktorin nach Hause geschickt, weil sie ein Tanktop tragen und somit gegen eine Kleiderordnung verstoßen, die sich hauptsächlich gegen weibliche Schülerinnen richtet.
Regisseurin Amy Poehler versteht den Kern der Problematik, die im Leben vieler Frauen im Vordergrund steht und schafft es, diese pointiert in die Welt der High School einzubauen. Auch die Einstellung der Mädchen vor Vivians Erwachen ist eine realistische Darstellung der Zustände in unserer Gesellschaft, in der es vielen Leuten einfach zu anstrengend ist, Missstände offen zu thematisieren und zu ändern.
Dass sich internalisierter Sexismus über Nacht ausmerzen lässt, ist zwar wünschenswert, jedoch auch idealistisch und fast schon utopisch. Vivian, die sich zuvor – trotz aktivistischer Mutter – mit den Zuständen in der Schule zufrieden gegeben hat, eignet sich über Nacht ein umfangreiches und lückenloses Wissen über Feminismus und Misogynie an. Wünschenswert wäre hier eine intensivere Auseinandersetzung mit ihrer Mutter gewesen, die am Anfang des Films radikal betont: „Als ich sechzehn war, war das einzige Thema, das Patriarchat für immer zu zerschlagen!“
Vivian scheint außerdem aus den Fehlern der Mutter zu lernen, wenn es zum Beispiel um die Intersektionalität der Gruppe geht, leider erfahren wir als Zuschauer nicht genau, aus welchen Quellen Vivian ihr Wissen bezieht. Schnell kommt die Frage auf, warum das Thema zwischen Mutter und Tochter nicht vertieft wird und warum es kein aufklärendes Gespräch zwischen den beiden gibt. Die Entwicklung, die bei den meisten Menschen als langwieriger Prozess stattfindet, passiert bei Vivian zu abrupt.
Das Potenzial der vielseitigen Mutter-Tochter-Beziehung wird leider nicht genutzt. Stattdessen fungiert die Mutter als lahmer Sidekick, der auf dem Sofa Eis isst. Auch Vivians Charakterentwicklung ist nicht ganz nachzuvollziehen. Weder weiß man, woher die Impulse und das Wissen für „Moxie!” wirklich kommen, noch erfährt man, warum sich Vivians Aktivismus zunehmend in Aggression umwandelt, die sich schließlich auch gegen ihren Freund Seth (Nico Hiraga) richtet.
Dass sie Probleme mit dem abwesenden Vater hat, wird nur in einem Nebensatz angedeutet und danach weitgehend außer Acht gelassen. Leider führt das dazu, dass Vivians ursprüngliche Motivation klischeehaft angehaucht wird und der Film an Glaubwürdigkeit einbüßt.
Insgesamt trifft Amy Poehler mit Moxie akkurat den Zeitgeist und kritisiert das Verhalten einer Gesellschaft, die lieber wegschaut als aktiv zu handeln. Mit Vivian wurde hier eine Protagonistin geschaffen, die nicht nur selbst eine Entwicklung durchmacht, sondern in vielen Menschen eine Veränderung in Gang setzt. Auch wenn der Film einige Lücken aufweist und sich mit so manchem Punkt eingehender hätte beschäftigen können, ist Moxie im Großen und Ganzen eine gelungene Einführung in den Feminismus. Außerdem richtet sich hier der Fokus auf Probleme junger Frauen und ist somit gut geeignet, um gerade ein jüngeres Publikum behutsam an Problematiken wie Sexismus und strukturelle Unterdrückung heranzuführen.
Artikel vom 28. März 2021
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