6.9/10

Kritik: Cuckoo

HETZJAGD IM MÄRCHENWALD

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Genres: Horror, Startdatum: 29.08.2024

Interessante Fakten für…

  • Für Hunter Schafer war Cuckoo der erste Filmdreh, auch, wenn Werke wie Die Tribute von Panem – The Ballad of Songbirds & Snakes und Kinds of Kindness früher in den Kinos erschienen.

Der deutsche Horror-Regisseur Tilman Singer betritt mit ‚Cuckoo‘ die internationale Bühne und lässt Bodyhorror, Psychothriller, Familiendrama und klassische Märchen miteinander verschmelzen. Ob diese Mischung geglückt ist, erfahrt ihr in der Bewertung und Kritik.

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Darum geht’s

Familienurlaub wider Willen! Die 17-jährige Gretchen (Hunter Schafer, Euphoria) muss mit ihrem Vater Luis (Marton Csokas), dessen neuer Frau Beth (Jessica Henwick) und ihrer Halbschwester Alma (Mila Lieu) die Ferien verbringen. Das Reiseziel ist ein in der Zeit stehengebliebenes Alpenresort, in dem früh klar wird: hier stimmt etwas nicht.

Sich übergebende Gäste, finstere Gestalten bei Nacht und der schmierige Resortbesitzer Herr König (Dan Stevens, Ich bin dein Mensch) lassen bei Gretchen alle Alarmglocken läuten. Doch die Flucht aus dem (auch emotionalen) Gefängnis gestaltet sich mehr als schwierig.

Werden die Horror-Karten neu gemischt?

Cuckoo ist, und das wird früh klar, ein wildes Gemisch aus bekannten und unbekannten Komponenten, die sich hier in einem äußerst atmosphärischen Film zusammenfinden. Der Schauplatz erinnert an ein eingedeutschtes The Shining, das früh gezeigte Monster an einen Zombie à la The Sadness und die Einflüsse des im Vorfeld oft damit in Zusammenhang gebrachte David Cronenberg lassen sich auch schwer wegdiskutieren, obwohl der Bodyhorror verhältnismäßig doch sehr zahm ausfällt.

Tilman Singer fügt zusätzlich einige Elemente aus klassischen deutschen Märchen hinzu, die zumindest hierzulande für Schmunzeln sorgen dürften: Hänsel und Gretel, der egozentrische König, der finstere Märchenwald und sogar die Rattenfänger von Hameln-Gedächtnisflöte. Schon früh stellt man sich die Frage, wie trashig-humorvoll Cuckoo eigentlich gemeint ist. Doch diese Frage lässt sich ehrlicherweise nur schwer beantworten.

Auf der Flucht vor dem Bösen: Gretchen (Hunter Schafer).

Overacting vs. Hunter Schafer

Denn spätestens, wenn in der Exposition Dan Stevens auftaucht, müssen sich die Zuschauenden entscheiden, ob sie sein gnadenloses Overacting als stereotypen Bösewicht-Trope oder als Unvermögen einordnen. Doch je mehr Figuren etabliert werden, desto deutlicher wird: in diesem Film sind fast alle Charaktere ziemlich drüber.

Und dann ist da noch Hunter Schafer. Sie ist der emotionale Dreh- und Angelpunkt der Geschichte und trägt Cuckoo mit Bravour: zwischen reserviert, zerbrechlich, aufbrausend und bad ass wird die gesamte Palette abgefeuert – und das funktioniert auch tadellos. Gerade in der Interaktion mit den anderen Figuren wird das Gefälle zwischen ambivalenter Hauptfigur und stereotypem Beiwerk doch sehr offensichtlich und schadet einigen Szenen merklich. Denn wenn in diesem bunten Gemisch eines ernstgenommen werden sollte, dann ist es die komplexe Innenwelt seiner Protagonistin.

Dan Stevens alias “Der Rattenfänger von Hameln”

Was möchte der Film denn eigentlich sein?

Ist es Trash? Ist es Psychothriller? Ist es Horror oder doch ein Familiendrama? Singer entscheidet sich für alles, was Cuckoo insgesamt abwechslungsreich, aber auch etwas zerfasert dastehen lässt. Dabei ist die Geschichte im Kern doch sehr konsequent erzählt: das Thema der Abnabelung, der Veränderung und der Spannung innerhalb eines Familienkonstrukts ist omnipräsent und an sich gelungen.

Ganz im Geiste von Ari Asters Hereditary geht der Horror sogar einher mit dem emotionalen Befinden von Gretchen. Viele Erzählebenen spiegeln letztlich das wider, womit die Protagonistin kämpft: sei es das parasitäre Monster oder der titelgebende Kuckuck, die alle erschreckend viel mit Gretchens ungewollt neuer Familie zu tun haben. Das muss allerdings im Laufe der knackigen 102 Minuten Laufzeit selbst herausdestilliert werden und wird leider immer wieder von den trashigen Elementen unterwandert.

Frischer Wind in der Inszenierung

Die handwerkliche Ebene wiederum ist ein Fest fürs Auge und Ohr. Tilman Singer findet für das Genre unkonventionelle Kamerawinkel und Suspense-Kniffe, die durch die knalligen Farben des 35mm-Films und die stimmige Sound-Ebene noch verstärkt werden. Auf billige Jumpscares wartet man Gott sei Dank vergebens, der Horror findet gerade in der ersten Filmhälfte überwiegend im Kopf statt.

Gerade das mysteriöse Monster ist deshalb so unheilvoll effektiv, weil es durch einen Kehlkopf-Ton die Menschen um sich herum in einer temporären Zeitschleife gefangen hält, aus der es praktisch kein Entrinnen gibt. Immer dann, wenn sich die Szenen ganz nebensächlich und anfänglich unbemerkt wiederholen, bahnt sich die eigentliche Gefahr an. Das ist innovativ und entfaltet in seiner traumartigkeit bis zum Ende spürbaren Terror.

Fazit

Ganz okay

6.9/10
Community-Rating:
Handlung 6/10
Schauspiel 7.5/10
Horror 6/10
Spannung 7/10
Atmosphäre 8/10
Details:
Regisseur: Tilman Singer,
FSK: 16 Filmlänge: 102 Min.
Besetzung: Dan Stevens, Hunter Schafer, Jan Bluthardt, Jessica Henwick, Marton Csokas, Mila Lieu,

Cuckoo bringt frischen Wind in die abgenutzte deutsche Genre-Landschaft, möchte aber insgesamt doch etwas zu viel auf einmal. Der Spagat zwischen Familiendrama, Psychothriller und Trash-Horror gelingt nicht durchgängig, sorgt dafür aber für eine einzigartige Atmosphäre, in der man sich nie sicher sein kann, was als nächstes geschieht. Die großartige Hunter Schafer ist es aber zuletzt, die den Film in all seinen bunten Ideen zusammenhält und Cuckoo für Genrefans somit insgesamt sehenswert macht.

Artikel vom 30. August 2024

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