Kritik: Euphoria – Staffel 2
KLEINE POESIE GEGEN GROßE EUPHORIE
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Auf den ersten Blick schien das Happy End für Rue (Zendaya) und Jules (Hunter Schafer) zum Greifen nah. Ein Bahnsteig in der Mitte der Nacht und ein Zug, der beide von ihren alten Leben und komplizierten Vergangenheiten wegbringt – gemeinsam gegen den Rest der Welt. Doch das glattgebügelte Hollywood-Ende soll dem Paar (zumindest noch) nicht vergönnt sein. Denn während Jules kaum eine weitere Sekunde in East Highland verbringen kann, merkt Rue schnell, dass sie noch nicht bereit für einen so großen Schritt ist. So trennt sich das von gegensätzlichen Gefühlen auseinandergerissene Paar schließlich: Jules fährt mit dem Zug davon, während Rue auf dem einsamen Bahnsteig zurückbleibt.
Und natürlich kommt es, wie es kommen muss. Auf das höchste Hoch, welches Rue mit Jules empfand, folgt augenblicklich das tiefste Tief, das sie zurück zu den Drogen greifen lässt. Während sie versucht, ihren Rückfall vor der Welt zu verbergen, entfernt sie sich immer weiter von ihren Mitmenschen und ihr Leben droht Schritt für Schritt, außer Kontrolle zu geraten.
An Euphoria gab es in den letzten Wochen kaum ein Vorbeikommen. Nach anderthalb Jahren bitterer Wartezeit rissen verhungerte Euphoria-Fans die neuen Folgen des Teenie Dramas sprichwörtlich aus den Regalen von HBOs virtueller Streaming-Bibliothek.
Nach einer derartig großartigen Auftaktstaffel, wie die Serie sie 2019 hinlegte, sollte der überschwängliche Hype allerdings niemanden groß wundern. In nur acht Folgen gelang der ersten Staffel eine unverkennbare Handschrift aus traumähnlichen Bildern und mitreißender Musik, für die andere Serien erst Staffeln-lange Findungsphasen bräuchten. In den einzigartigen Look bettete Euphoria die Schicksale verschiedenster Figuren ein, die über die Staffel zu spannenden und nahbaren Charakteren heranwachsen konnten.
Wie haargenau die Serie ihre Figuren versteht, bewies sie schließlich in zwei brillanten Special-Episoden, die in der Form intimer Kammerspiele tief in die Seele von Jules und Rue blicken ließen. Spätestens hier sollte selbst den letzten Zweifler:innen klar gewesen sein, dass Euphoria mehr kann als schöne Bilder und kreative Kamerafahrten und dass man Großes von einer zweiten Staffel erwarten kann.
Und tatsächlich sieht alles in neuen Staffel zunächst genau nach dem Euphoria aus, in das Fans sich verliebt haben. Bereits die Auftaktfolge wirft alle verschiedenen Figuren in ein weiteres exzessives Party-Szenario und spielt dadurch direkt alle großen Stärken der Serie aus: verzwickte Figurenkonstellationen, malerisch-düstere Bilder und außergewöhnliche Kameraspielereien.
Besonders in diesen stilistischen Bereichen fällt direkt auf, dass Staffel 2 nochmal einiges an Kreativität auf den ohnehin schon außergewöhnlichen Vorgänger draufsetzen will. Wo Staffel 1 besonders durch die magische und surreale Farbgebung und auffällt, setzt Staffel 2 noch mehr auf außergewöhnliche Wow-Momente und filmische Spielereien. Ob das wiederholte Brechen der vierten Wand, große Tanzsequenzen oder ganze musikalische Ouvertüren am Anfang einer Folge: Euphoria ist bis zum Rand gefüllt mit filmischer Kreativität, bei der man nie weiß, was einen hinter dem nächsten Folgentitel erwartet.
Leider ist diese Ungewissheit durch Vielfalt gleichzeitig sinnbildlich für das große Problem der zweiten Staffel: Euphoria – Staffel 2 malt ein derartig komplexes Bild von zahllosen verschiedenen Figuren, Geschichten und Stilelementen, in dem sich zwischendurch kaum noch ein schlüssiger roter Faden herauslesen lässt.
Rückblickend fällt bei der ersten Staffel direkt auf, wie klar diese strukturiert war. Jede Episode begann mit einer um die zehn Minuten langen Rückblende, die die Hintergrundgeschichte einer bestimmten Figur darstellte. Dieser Charakter spielte in der jeweiligen Episode eine größere Rolle, während die zentrale Beziehung von Rue und Jules parallel weiterentwickelt wurde. Dadurch gelang der Serie die perfekte Balance aller Figuren und ihrer Konflikte, ohne dabei eine kohärente Geschichte einzubüßen.
Auch Staffel 2 hat wieder einige unerwartete Rückblenden in der Hinterhand, die für wirklich überraschende Charakterentwicklungen sorgen. So gehört ein Handlungsstrang rund um Nates Vater Cal beispielsweise zu den stärksten Elementen der ganzen Serie. Doch es lassen sich nicht unendlich viele Rückblenden um immer dieselben Figuren erzählen und so steht die Staffel schnell vor der Frage: “Was tue ich mit meinen Charakteren, nachdem sie alle etabliert sind”.
Die Frage nach einer Aufgabe für jede der vielen Figuren ist es schließlich, was Euphoria Staffel 2 so enttäuschend macht. Jules, Kat oder Ethan sind zwar immer noch dieselben interessanten Charaktere, doch die Serie scheint bei vielen von ihnen keinen Ansatz zu haben, um ihre Geschichten weiterzuerzählen. So bekommen Handlungselemente wie die taufrische Beziehung zwischen Kat und Ethan über die gesamte Staffel kaum mehr als fünf Szenen spendiert – gerade genug, um den Handlungsstrang noch über der Sparflamme lauwarm zu halten.
Noch härter von der Figurenkürzung betroffen, ist allerdings Jules. Die vielleicht beste Figur aus der ersten Staffel, die wir sogar auf eine einstündige Reise durch ihre Gedanken begleiten konnten, ist in Staffel 2 kaum mehr als ein Spielball fremden Figuren und Handlungen. Das dabei verlorene Potenzial für die Serie ist gigantisch.
Ein großer Teil des freigewordenen Spotlights geht auf Cassies (Sydney Sweeney) Konto. Ihr Handlungsstrang sei hier natürlich nicht gespoilert, doch die Art und Weise, wie er erzählt wird, ist stellvertretend für die große Zwickmühle von Euphoria Staffel 2.
Einerseits zeigt ihre Geschichte über die acht Folgen das tragische Bild einer Figur voller Selbstzweifel und Unsicherheiten. So findet die Serie wieder viele einzigartige Charakter-Momente, die erneut beweisen, dass Euphoria sie sich näher an die unschönen Orte des Teenie-Lebens heranwagt als jede vergleichbare Serie.
Andererseits fühlt sich kaum einer dieser Momente wirklich verdient an. Staffel 2 erweckt den Anschein, als hätten die Showrunner im Vorfeld ausgelost, welche Figur im Vordergrund stehen soll und anschließend das Drehbuch danach ausgerichtet. Cassies Konflikt fehlt an jeder Ecke das notwendige Set-Up, sodass ihr Handlungsstrang weit unter seinem Potenzial bleibt und an den entscheidenden Stellen kaltlässt.
Wir erinnern uns an die Jahrmarkt Folge (Staffel 1 – Folge 4). Über drei Episoden säte das Drehbuch viele kleine und große Konflikte, die in Folge vier in einem buchstäblichen Feuerwerk des Storytellings ihren Höhepunkt erreichten. Staffel 2 fehlt es zwar nicht an dramatischen Höhepunkten, doch der Weg dahin fühlt sich oft zu plötzlich an. Es scheint, als wäre das Drehbuch an möglichst vielen verschiedenen Highlight- oder Schockmomenten interessiert, doch nicht daran, wie man sich diese sinnvoll aufbaut.
Die chaotische Story-Struktur fällt besonders dadurch auf, dass Euphoria Staffel 2 zwischendurch auch ganz andere Seiten zeigt. Der Handlungsstrang rund um Rue und ihren Rückfall funktioniert größtenteils unabhängig vom Rest der Staffel und sorgt für Highlight Momente, die zu den besten der ganzen Serie gehören. Dabei beweist besonders eine ausschließlich auf Rue konzentrierte Folge in der Staffelmitte, wie atemberaubend gut Euphoria immer noch sein kann. In Form eines 60-minütigen Adrenalinrausches trägt Zendaya hier eine unfassbar intensive Folge, die erbarmungslos an den Bildschirm fesselt.
Euphoria Staffel 2 ist eben immer noch weit entfernt davon, eine schlechte Staffel zu sein. Dafür sind die Charaktere zu gut, der Look zu stylish und einzelne Episoden zu fantastisch. Es ist die unglaublich hohe Messlatte der ersten Staffel, die die Serie in der zweiten Runde zum Stolpern bringt und die Zuschauer:innen mit einem ernüchternden Gefühl der Enttäuschung zurücklässt. Für eine weitere Staffel sollten sich die Showrunner wieder auf die wesentlichen Stärken zurückbesinnen und weniger auf konstruierte Höhepunkte setzen – auch wenn diese noch so vor Kreativität strotzen.
„Selbst wenn ich heute clean würde, würde niemand das Trauma aus der Zeit vergessen, in der ich nicht clean war.“
Rue in Euphoria
Euphoria Staffel 2 zeigt, wie unabdingbar ein übergeordneter Plan für eine Serie ist. Während Staffel 1 noch eine fokussierte und fesselnde Geschichte voller spannender Figuren erzählte, weiß Staffel 2 stellenweise nicht wo die Handlung hingehen gehen soll. Wichtige Charaktere rücken in den Hintergrund, während sich zahllose neue Ideen und Plots in das Spotlight drängen. Diese Konflikte sorgen zwar für spannende Momente, doch viele von ihnen fühlen sich nicht wie eine natürliche Entwicklung aus Staffel 1 an, wodurch einige großartige Szenen an Gewicht verlieren. Dennoch ist Euphoria Staffel 2 bei weitem keine schlechte Staffel. Rues Handlungsstrang ist fesselnd, manche Episoden sind atemberaubend gut und die Serie ist stylisher denn je. Im Kontrast zum Genie von Staffel 1 lassen die neuen Folgen allerdings enttäuscht zurück – Daumen drücken für Staffel 3!
Artikel vom 9. März 2022
Euphoria? rumheulende und Drogen/Alkohol vernichtende gören, Charaktäre so unsympathisch und uninteressant wie sonst was! wer kann sich da mit irgend jemandem von denen identifizieren? ausser vlt. mit Jules (Hunter Schafer) der einzige Lichtblick, kann aber diese völlig überdrehte Serie nicht retten! zendaya wäre wohl gerne wie Denzel Washington? seine Mimik hat sie wohl studiert aber Charisma abzugucken? schwer!