4.7/10

Kritik: Joker: Folie à Deux

JOKER 1½

Genres: Comic, Drama, Startdatum: 03.10.2024

Interessante Fakten für…

  • Dies ist das erste Sequel, in dem Joaquin Phoenix spielt.
  • Lady Gaga veröffentlichte ein zum Film zugehöriges Album namens “Harlequin”, welches sie als ihr “sechseinhalbtes” bezeichnet.

Wenn es Todd Philips Ziel war, die Filmwelt vor den Kopf zu stoßen, gelingt es ihm mit diesem inhaltsleeren und selbstverliebten Werk hervorragend. “Folie à Deux” ist eine Fortsetzung, keine Weiterentwicklung.

Avatar-Foto
#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Gotham City hält den Atem an: Der psychisch kranke Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) hat fünf Menschen umgebracht (siehe unsere Kritik zu Joker) und wartet im Arkham Asylum auf den Prozess. Dort muss Fleck, der ein Leben lang misshandelt wurde, lernen, seine dunkle Seite namens Joker zu kontrollieren. Doch sein Alter Ego sorgt auch für Begeisterung. Auf der Straße fordern Menschen die Freilassung von Fleck, der als Symbol des Unterdrückten gegen das System gilt. Auch die Patientin Harleen (Lady Gaga) fühlt sich zu Fleck hingezogen und rät ihm, zum Joker zu stehen. In mehrtägigen Verhandlungen versucht Staatsanwalt Harvey Dent (Harry Lawtey) das Gericht zu überzeugen, dass Arthur und der Joker eins sind und eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen.

Und wieder Harley Quinn

Läuft bei ihr: Lady Gaga hat einen Lauf, während anderen Stars ihrer Generation die Puste ausgeht. Hitsingle, neues Album, Hauptrolle in einem der überraschendsten Sequels des Jahres. Und, endlich, die Chance sich in einer wirklich herausfordernden Rolle zu beweisen. Doch wie soll das gelingen, wenn die Rolle derart wenig Raum bietet? Wäre “respektlos-öde Frauenfigur in Batman-Filmen” ein Wettbewerb, erhielte Harley Quinn mit Folie à Deux wieder eine Nasenspitze Vorsprung vor Catwoman. Weder ist sie im Rahmen einer Origin Story interessant noch irgendwie relevant für das Filmgeschehen. Dialogfragmente lassen Mutmaßungen zu – Ist sie psychisch krank? Oder eine Simulantin mit Geltungsdrang? Oder ein Fan Girl wie Ted Bundy sie hatte, die dem Joker nah sein will?

Als sich zur Mitte des Films Langeweile breit macht (dazu später mehr) schleicht sich ein Verdacht ein – Vielleicht ist Harley Quinn ein Spiegelbild von uns, den Zuschauern! Neugierige Gaffer, die Arthur betrachten, aber den Joker wollen, die sich natürlich für seine psychischen Abgründe interessieren, aber auch sehen wollen, wie er ausbricht und auf die Kacke haut. Das ist doch mal ein faszinierender doppelter Story-Boden. War das so gedacht? Ist Harley Quinn Täterin oder Opfer? Ja, nein, vielleicht – egal! Sie wird nicht erklärt, himmelt den Hauptdarsteller an, wirbelt etwas Staub auf und bringt Sex Appeal auf die Leinwand. Weibliches Beiwerk – mal wieder.

Ich war doch dabei!

Die blasse Figur der Harley Quinn ist nicht nur ärgerlich, sondern ein Teil der Gesamtenttäuschung, die der Film darstellt. Mit Joker versprach Todd Philips eine neue Art von DC-Blockbustern. Dunkel und nachdenklich sollte er sein. Und das gelang gut, wenn auch nicht überragend. Doch wenn der Anspruch ist, eine komplett neue Art von Comic-Verfilmung umzusetzen, wirkt ein Sequel, Comic-Franchise-Hauptsyndrom, wie blanker Hohn. Mit dem alleinstehenden Werk Joker war ein Statement gesetzt – die Fortsetzung hat nun nichts hinzuzufügen. Im Look gibt es mehr vom Alten. Wer den Trailer sieht, hat eine Vorstellung von dem, was der Film zu zeigen hat. Ja, sogar zu der “Bang”-Geste mit zwei Fingern an der Schläfe lässt man sich wieder hinreißen. Super, neues Bildmaterial als Hintergrund für meinen nächsten, edgy “Ich bin nicht wie ihr”-Post auf Instagram!

Während der Vorgänger die psychisch kranke Hauptfigur noch in ihrer Umwelt beobachtete, sind die Schauplätze nun das Arkham Asylum und ein Gerichtssaal in Gotham City. Anstatt Arthur Fleck zu erleben, bekommen wir ihn nun in Dialogen erklärt – hurra! Klassischerweise erzählen Gerichtsdramen Geschehnisse, die jenseits des Films passierten, sie erschaffen im Kopf der Zuschauer:innen vielschichte Bilder des Verhandlungsgegenstande. In Folie à deux werden eben jene Taten aufgearbeitet, die Teil des ersten Teils waren. Auf den harten Holzbänken der Gotham’schen Justiz hören wir also langweilige Zeugenaussagen zu Taten, bei denen wir als Kinozuschauer live dabei waren. Was soll so etwas? Lernen wir immerhin etwas Neues über Arthur Fleck?

Good old Arthur

Nein, die Figur macht in den zwei Stunden keinen Schritt über die Linie hinaus, bei der Joker im Jahr 2019 stoppte. Es ist die alte Mär von Jekyll und Hyde, den zwei Herzen in der Brust. Ein Mann kämpft mit seinem Schatten und muss doch eins werden. Seine Freundin will den Bad Boy, seine Anwältin den guten Arthur, er selbst ist zerrissen. Das “System” will ihn hinter Gittern sehen, die Leute an der Spitze des Protestzugs. Der Film hinterlässt den pappigen Beigeschmack schlechter Gesellschaftskritik, in der eine gesichtslose Meute hirnlos für den Underdog jubelt – im Gerichtssaal genauso wie in Block E von Arkham.

An der Oberfläche gibt sich der Film einen neuen Anstrich. Die Schauplätze sind düster, Sonne und Himmel sind gar nicht zu sehen. Bedrückend, funktional, öde. Harleen entlockt Arthur scheinbar Emotionen und gemeinsame Revuenummern sollen den Trott auflockern. Doch der Lack ist schnell ab. Die Musical-Elemente sind wenig mitreißend, Sound und Look völlig undeutlich irgendwo zwischen 60ern und 80ern. Charakterentwicklung findet kaum statt, am Ende kennen wir Joker genau so wenig wie am Ende des ersten Teils. Der Film behandelt das Publikum wie Konsumenten, gibt ihnen mehr vom Bekannten und melkt die Hype-Maschine. Als Krönung des Konzepts “Marketing vor Inhalt” gibt es eine völlig unnötige 70mm-Fassung des Films, die niemand sehen wird.

Fazit

4.7/10
Schwach
Community-Rating:
Handlung 3.5/10
Schauspiel 7/10
Spannung 4/10
Tiefgang 4/10
Charaktere 5/10
Details:
Regisseur: Todd Phillips,
FSK: 16 Filmlänge: 138 Min.
Besetzung: Brendan Gleeson, Catherine Keener, Harry Lawtey, Joaquin Phoenix, Lady Gaga, Steve Coogan, Zazie Beetz,

Im Jahr 2019 trat Joker an, um eine neue Art von Comic-Verfilmung zu schaffen. Mit Joaquin Phoenix konnte ein Ausnahmetalent gewonnen werden, den man unbestritten zu den “Guten” zählen darf, einen, dem man blind vertraut, wenn sein Name auf dem Poster prangt. Mit Folie à Deux leistet er sich einen tiefen Schnitzer in der Karriere. Das Projekt ist vollkommen unnötig, wiederholt bekannte Tropen, dass es peinlich ist, ist in seiner Oberflächlichkeit durchschaubar und streckenweise unentschuldbar langweilig – ein Sequel, das nicht sein sollte.

Artikel vom 8. Oktober 2024

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

4001Reviews.de (V4) – Seit 2015