Kritik: Army of Thieves
SEBASTIAN, DER PANZERKNACKER
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Lang lebe der deutsche Traum: Sebastian Schlencht-Wöhnert (Matthias Schweighöfer, You Are Wanted) fristet sein trauriges Dasein als Bankangestellter und träumt von seinem seltsamen Nischen-Hobby, bei dem er Safes knackt. Durch eines seiner YouTube-Videos, mit denen der Einfaltspinsel viral gehen möchte, gerät er an Gwendoline (Nathalie Emmanuel, Game of Thrones). Diese rekrutiert ihn direkt, mit einem kleinen Team die größten Tresore Europas zu knacken. Ein Unterfangen, dem der Safe-Nerd einfach nicht widerstehen kann…
Das ist die erste Frage, die man sich stellen muss. Matthias Schweighöfer und Produzent Zach Snyder (Justice League) schienen aber schon während Army of the Dead ein solches Vertrauen in ihre humoristische Nebenfigur gehabt zu haben, dass sie gar nicht auf diese Frage warten und direkt Antwort geben. Und sicherlich war Ludwig Dieter als kreischender Vorzeige-Deutscher eines der Highlights in dem überfrachteten Las-Vegas-Gemetzel.
Muss man nun aber wirklich wissen, woher der blondgelockte Tresorknacker kommt? Nicht wirklich. Tut es weh, das zu erfahren? Nein, auch das nicht. Army of Thieves ist ein Prequel, das den Erfolg eines Franchises als Sprungbrett nutzt und jetzt eben einfach da ist. Eine Ausgangslage, die das Überraschungsmoment nicht gerade auf der eigenen Seite hat.
Es ist ganz schön gewagt, einen kompletten Genre-Wechsel hinzulegen. Denn während in den Nachrichten im Hintergrund zwar über die Zombie-Epidemie berichtet wird, bewegt sich Army of Thieves in sicheren europäischen Gefilden. War Army of the Dead ein Heist-Movie mit Zombies, ist das Prequel… nun ja. Ein Heist-Movie mit Heists. Und davon gleich richtig viele.
Ganze drei Safes soll das ungleiche Gauner-Team knacken und dabei gleichzeitig ein paar schöne Ecken Europas für das amerikanische Publikum auffahren: Paris, Prag und das malerische St. Moritz in der Schweiz. Diese Überfälle sind solide inszeniert, ohne übermäßig zu überraschen oder mit außergewöhnlicher Spannung à la The Dark Knight zu glänzen. Aber langweilig sind sie auch nicht.
In der ersten halben Stunde funktioniert Matthias Schweighöfers Sebastian Schlencht-Wöhnert (wie er zum Namen Ludwig Dieter kommt, wird selbstredend erklärt) einwandfrei. Deutsch-korrekt, etwas verpeilt, Vollblut-Nerd und das Herz am rechten Fleck. Gerade beim Aufeinandertreffen des Heist-Teams entfaltet sich kurz das Comedy-Potenzial der Truppe.
“- Irgendwelche Fragen?“ “-Ja, viele. Hunderte.“
Gwendoline und Sebastian in Army of Thieves
Mit fortlaufendem Film nutzen sich seine Hauptmerkmale (kucken, kreischen, knacken) jedoch etwas ab. Als Sidekick funktionierte Sebastian/ Ludwig angesichts einer gewaltbereiten Truppe und gefährlichen Gegnern. In Army of Thieves gerät das alles aufgrund der Light-Variante wesentlich zahmer. Hier führt nun mal kein knochenharter Dave Bautista an und die größten Gegner sind eben nur (langweilige) französische Polizist*innen. Das schmälert den Kontrast und damit das humoristische Potenzial merklich.
Überhaupt sind die Motivationen der Figuren eher albern. Sieht Sebastian im Knacken der Tresore in Anlehnung an den Nibelungen-Zyklus eine Art Lebensaufgabe (ja, ähm, warum eigentlich?), geht es für Gwendoline schlichtweg um die Challenge, während etwa Brad (Stuart Martin) auf die Kohle geiert. Das sorgt für einige dramaturgisch wichtige, obgleich nicht unbedingt nachvollziehbare Konflikte im Team.
Dieses bleibt außerdem über weite Strecken blass. Die Charakterzeichnung reduziert sich auf ein Minimum: Brad mag Ami-Filme und Chauvinismus, Rolph hat einen ulkigen Namen und spachtelt Sandwiches, Korina kann hacken und quirky aussehen und Gwendoline? Die hat so wenig Unterbau, dass es ein Wunder ist, wie Nathalie Emmanuel es schafft, sie dennoch so tough-sympathisch zu porträtieren. Immerhin stimmt die Chemie zwischen ihr und Matthias Schweighöfer, der wie so oft einfach unheimlich charmant und selbstironisch aufspielt!
Apropos: Dass Matthias Schweighöfer für das Prequel auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, soll an dieser Stelle auch Erwähnung finden. Denn bei allen Ungereimtheiten in der Handlung und der Figurenzeichnung ist die Inszenierung doch insgesamt in Ordnung. Die Heists sind knackig, die Settings schick (obwohl eher ausgelutscht) und eine Verfolgungsjagd in Prag wirklich packend inszeniert.
Gelegentlich wagt sich Schweighöfer sogar an Meta-Humor. Etwa, wenn er einen „Bonding-Moment“ oder die Team-Exposition entlarvt, oder den obligatorisch durchgesprochenen Plan des ersten Heists einfordert. Mehr als kurze Schmunzler entlocken diese Szenen nicht, dafür sind sie zu rar gesät und haben zu wenig Auswirkung auf die konventionelle und streckenweise etwas langatmige Handlung.
Army of Thieves ist (leider) genau das, was man nach dem Vorgänger befürchten musste. Matthias Schweighöfer funktioniert als typisch deutscher Safeknacker zwar gut, hat aber zu wenige Gegenpole im austauschbaren Ganoven-Team. Die Story ist irgendwo zwischen hanebüchen und vorhersehbar, aber immerhin sind die Heists und einige witzige Momente gekonnt inszeniert. Ein Film, nach dem niemand gefragt hat, aber immerhin solide Unterhaltung bietet. Nicht mehr, nicht weniger.
Artikel vom 25. November 2021
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