5.3/10

Kritik: Caveman

Tanz der Hormone

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Genres: Komödie, Startdatum: 26.01.2023

Interessante Fakten für…

  • Moritz Bleibtreu und Wotan Wilke Möhring waren bereits in Lammbock zusammen zu sehen, damals teilte Bleibtreu die Couch aber noch unvergessen mit Lucas Gregorowicz.
  • Martina Hill arbeitet vor allem für Fernsehformate, dies ist erst ihr dritter Ausflug ins Kino.
  • Das gleichnamige Theaterstück wurde bereits von mehr als 8 Millionen Menschen gesehen.

Mit Klischees ist es wie mit Religionen: Die einen schwören auf ihren Wahrheitsgehalt, andere versuchen sie zu entzaubern, häufig kracht es. Jede:r kennt Klischees über Frauen und Männer. Dieser Film will sie erkunden, trägt zur Gender-Debatte aber so viel bei wie die One Love-Binde.

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#Kinogänger #Klassiker #Trashfan

Darum geht’s

Die Liebe ist ein Zeitvertreib – dann vertreibt die Zeit die Liebe. Bei Bobby (Moritz Bleibtreu) und Claudia (Laura Tonke) ist die Luft raus. Wenn er vorm Fernseher abschalten will, erzählt sie von Erlebnissen auf der Arbeit. Bobby findet sich in einem Klischee-Albtraum wieder und zweifelt, ob Männer und Frauen wirklich füreinander gemacht sind. Doch dann gelingt es ihm, sich mit seinem Vorfahren, dem „Caveman“ zu verbinden. Dieser erklärt ihm, warum er als moderner Mann so unzufrieden ist und wie sich Männer und Frauen grundlegend unterscheiden. Bobby ist begeistert von dieser Theorie von „Jägern und Sammlerinnen“. Doch selbstverständlich stößt das in seinem Umfeld auf wenig Verständnis. Als Stand-Up-Comedian lässt Bobby die Welt an seiner Misere teilhaben.

Update nach 30 Jahren Spielzeit?

Seit dem Jahr 1991 ist viel passiert, doch manche Dinge verändern sich nie. Millionen von Menschen sind nach wie vor fasziniert von der scheinbaren Unvereinbarkeit von Mann und Frau, der Erforschung von Mars und Venus, und so zieht seit mehr als 30 Jahren die Theater-One-Man-Show Caveman die Massen an. Denn Theater, das sind nicht nur nackte Menschen, die auf leeren Bühnen Obszönitäten schreien, nein, Theater kann auch leichte Unterhaltung sein, die im Schutzraum der Kunst die Fragen stellt, welche das Publikum wirklich bewegt: Warum gucken Männer gerne Tierdokus und haben Frauen soviel Kram in ihren Handtaschen?

Nun wäre es leicht, Caveman als stupide Halb-Kultur abzutun und im Ordner mit Herrenwitzen und Büro-Humor abzuheften. Zunächst einmal ist der Erfolg unbestrittener Beleg dafür, dass das Thema nach wie vor Bedeutung hat. Zusätzlich entwickelt der Stoff, ausgehend von zugegeben platten Prämissen, dann doch eine solide Grundlage mit kontroversen Fragestellungen. Schnell wird klar, dass Autor, Regie und Schauspieler:innen über naheliegende Klischees hinausdenken. Gerade der Hauptfigur Bobby steht die Dringlichkeit ins Gesicht geschrieben, der Frage, warum seine Frau und er nicht mehr zueinanderfinden, ernsthaft nachzugehen. Doch führt diese Suche Bobby in manches Fettnäpfchen und der Film folgt munter hintendrein. Im Jahr 2023 müssen Klischees nicht zwangsläufig über Bord geworfen werden, ein spielerischer Umgang kann die benötigte Würze verleihen. Doch hat man das Gefühl, dass das Drehbuch von Caveman so nah am dreißigjährigen Ausgangsmaterial ist, dass es peinlich berührt.

Festival der Vorurteile

Klischee-Kostprobe gefällig? Männer hassen Shopping, Frauen dafür umso mehr. Männer drücken sich vor Hausarbeit, sitzen lieber auf der Couch und spielen Playstation. Frauen verbringen ihre Zeit mit Lästereien und kurieren Herzschmerz mit Wein und Snacks. Soweit die harmloseren Vorurteile. Besonders verletzend ist das nicht, jedoch grob dämlich und Witz-Material aus dem letzten Jahrhundert. Leider bleibt es nicht bei den vorhersehbar-harmlosen Klischees, bald werden schwerere Geschütze aufgefahren: Frauen sind manipulativ und während ihrer Tage überemotional, Männer sind etwas beschränkt und nicht zu Emotionen fähig (außer natürlich im Stadion).

Diese Stereotypen-Parade ist ärgerlich, nicht etwa weil sie beleidigt, dafür bleibt es dann doch zu zahnlos, nein, die geschlechterspezifischen Witze in Caveman sind einfach langweilig und ausgelutscht. Einem jahrzehntealten Geschlechterbild anhängend versucht der Film ernsthaft zu erzählen, dass der Kauf eines Hemdes für einen Mann oder das Bedienen einer Bohrmaschine für eine Frau eine komische Situation sei. Die Albernheiten sind vorhersehbar wie Sketch-Comedy, man wartet nur auf die Szene, in der Bobby einen Yogakurs besuchen muss, denn Yoga, das ist ja wirklich so unmännlich und dem ungehobelten Alphamännchen entwischt dann mitten im herabschauenden Hund ein Furz und alle Mädels gucken angewidert – au ja, das wird spassig. Quasi als Verteidigungsmechanismus schickt der Film eine Selbstgeißelung vorweg, in der Bobby bekennt, ein „Arschloch“ zu sein. Damit macht der Film den Mann zur Zielscheibe und gibt ihn zum Abschuss frei. Völlig selbstsicher zieht der Film dann gegen Männer und ihre Macken zu Felde, schließlich attackiert man ja das „starke Geschlecht“, sie werden es schon verkraften. Und dann wird einem Mann auf der Bühne vor versammeltem Haus der Klassiker an den Kopf geworfen, dass er im Oralsex versage – ist das fair? Sieht so Humor aus, der gesellschaftliche Diskussionen provoziert, entlarvt, voranbringt?

Guter Auftakt

Der Großteil des Filmes lässt seine stereotypen Figuren altbekanntes wiederholen, das ist nicht, wie man heutzutage so gerne sagt „problematic“ sondern allenfalls einfallslos. Doch einige male flackern wirklich interessante Momente auf. Gerade der Beginn der Beziehung von Bobby und Claudia ist ein früher Höhepunkt des Films, der eigentlich hoffnungsvoll stimmt. Bobby, vom Vater zum Mannsein gezwungen, ist scheinbar beziehungsunfähig. War für Partnerinnen mal zu hart, zu weich, nicht ambitioniert genug, zu karrierefixiert. Überfordert mit den an sein Geschlecht gestellten Ansprüchen trifft er auf Claudia, die ebenfalls gerade sitzen gelassen wurde. Zwei moderne Figuren, die versuchen, jenseits ihrer vorgegebenen Geschlechterrollen Liebe zu finden. Gemeinsam schwören sie: „Lass uns niemals Mann und Frau werden!“ – bis dann der Pastor am Heiratstag bedeutungsschwer deklariert: „Ich erkläre euch hiermit zu Mann und Frau“. Ein kulturwissenschaftliches Kleinst-Drama.

Doch können diese wenigen gelungenen Momente nicht die schlechten ausstechen. Man spürt dem Stoff an vielen Enden Alterserscheinungen an und den fehlenden Mut oder Unvermögen, eine Adaption auf Höhe der Zeit zu schreiben. Denn: Geschlechterbilder wandeln sich, ihre Wahrnehmung in der Gesellschaft auch, kaum ein Thema wird hitziger diskutiert. Da wäre viel zu holen gewesen. Stattdessen wird die alte Platte von Schuhregalen (♀) und Kellerregalen (♂) aufgelegt. Auf jeden guten Witz folgen vier schlechte und ein recycelter. Moritz Bleibtreu war zurecht nie als Witzeerzähler erfolgreich, dafür ist sein Schauspiel jedoch sehr auf den Punkt und in den richtigen Momenten so emotional, dass es mitnimmt. Doch durch die zahlreichen Längen im Film ist er kein guter Fährmann. Er wird eins mit der Filmfigur Bobby, er müht sich ab, den Sinn hinter all dem zu ergründen, die Grenzen zu überwinden und kommt doch nur zu dem nichtssagenden, quasi direkt aus einem Adam-Sandler-Film geklauten Fazit: „Wir haben unsere Unterschiede, ich bin ein Idiot, kannst du mich trotzdem lieben?“ Ein versöhnliches Ende für jeden Pärchen-Filmabend. Man hört sie schon auf dem Kino-Parkplatz streiten: „Hast du echt schon wieder vergessen, wo der Autoschlüssel ist?“, „Was weiß ich, vermutlich irgendwo in deiner riesigen Handtasche!!!“…

Fazit

5.3/10
Enttäuschend
Community-Rating: (2 Votes)
Handlung 5/10
Humor 6/10
Tiefgang 5.5/10
Emotionen 6/10
Charaktere 4/10
Details:
Regisseur: Laura Lackmann,
FSK: 12 Filmlänge: 100 Min.
Besetzung: Jürgen Vogel, Laura Tonke, Martina Hill, Moritz Bleibtreu, Wotan Wilke Möhring,

Der Film startet mit mutigem Ausgangsmaterial, verliert sich jedoch in einer Ansammlung von Sketchen. Unterm Strich ist die Tour durch Geschlechterklischees nicht beleidigend oder nervig, sie wirkt nur etwas aus der Zeit gefallen, kann jedoch auch nicht wirklich aufregen. Weder werden Stereotypen gebrochen, noch wird bis in letzte Konsequenz verfolgt, was es denn wirklich bedeutet, wenn sie wahr sind. Von seichten Witzen umgeben, läuft Caveman auf die Geschichte eines Mannes hinaus, der einsieht, ein Idiot zu sein und nun um seine Frau kämpfen muss. Gender-Diskussionen müssen nicht immer die Gemüter erhitzen, sie können auch einfach langweilen.

Artikel vom 29. Januar 2023

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