Kritik: Der Denkwürdige Fall des Mr. Poe
Weniger erinnerungswürdig
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Es ist das Jahr 1830: An einer amerikanischen Militärakademie wird ein toter Kadett aufgefunden, der mutmaßlich auf brutale Weise ermordet wurde. Besonders verstörend: dem Mann wurde das Herz herausgerissen. Doch wo Detektiv Landor (Christian Bale) nur rohe Gewalt sieht, findet der junge Autor Edgar A. Poe eine gewisse Poesie. Gemeinsam macht sich das ungleiche Duo auf die Suche nach dem Mörder und seiner geheimen Botschaft.
Das Werk von Edgar Allan Poe prägte die Literatur für immer. Von seinen Zeitgenossen verpönt, erlangten seine Geschichten aber erst viel später den Ruhm, den sie verdienten. Düster und surreal, doch mit dem Herzen eines Romantikers, begeisterten seine Schriftstücke Generationen. Ebenso düster und romantisch ist die Tonalität, die Regisseur Scott Cooper für seinen Film gewählt hat.
Die malerischen Bilder sind ebenso naturell und unerschütterlich wie Gemälde aus der Epoche der Romantik. Weitläufige, ruhige Aufnahmen tauchen den Film in Atmosphäre und entschleunigen das Erzähltempo. Dem Zuschauer fällt es leicht, in die Welt des 19. Jahrhunderts einzutauchen und die Winterkälte der Szenerie auf der Haut zu spüren.
Herz des Films ist die Dynamik der beiden Hauptcharaktere, die stark an die Freundschaft eines Sherlock Holmes und Dr. Watsons erinnert. Nur, dass in diesem Fall der Detektiv, der grobe Augustus Landor, eher die Rolle von Watson einnimmt, jene Rolle, die versucht, das Genie eines Poe zu dechiffrieren und seinen Geist in der Wirklichkeit zu erden. Christian Bale und Harry Melling ergänzen sich gut, doch spürt man die Anziehungskraft dieser beiden unterschiedlich gepolten Menschen nicht so stark, wie man es erwarten würde. Dafür fehlt es dem Skript hin und wieder an Subtext.
Die Dialoge erscheinen oftmals zu hochgestochen und erinnern dann stärker an Shakespeare als an Poe; vor allem, wenn Mr. Poe Freiraum für anschwellende Monologe gelassen wird. Mehr Subtilität hätte dem Charakter gut getan.
Von einem Mystery-Krimi mit Edgar Allan Poe als eine zentrale Figur würde man erwarten, den guten, alten Gothic-Horror wieder zu spüren zu bekommen. Doch die Romanvorlage von Louis Bayard und auch diese Verfilmung konzentrieren sich stattdessen mehr auf das Gefühl der Schwermut, das vor allem den gebrochenen Mann Landor umgibt.
Das Ergebnis ist eine – zumindest für den modernen Zuschauer – etwas irreführende Prämisse. Denn Der Denkwürdige Fall des Mr. Poe ist mehr Drama als Thriller und bietet kaum Momente echten Horrors. Trauer zieht sich als Motiv durch die komplette Laufzeit, wie sie die Denkweise der Charaktere leitet oder die Poesie des Mr. Poe beflügelt, der nicht nur Gedichte von seiner toten Mutter diktiert bekommt, sondern auch den Friedhof als Ort eines ersten Dates auswählt.
Dabei stellt der Film folgende Frage: Wie gehen zwei durchweg unterschiedliche Menschen mit ihrer Schwermut um? Während der eine Erlösung in Alkohol und Gewalt sucht, nutzt der andere die Poesie als Ventil. Doch Poes Einfluss scheint auf Landor abzufärben; ebenso scheint aber auch der ruhige und kauzige Poe kein Unschuldslamm zu sein, wie es sich zu Landors Überraschung herausstellen wird.
Wie es sich für jede gute Kriminalgeschichte gehört, wartet am Ende ein Twist, der die gesamte Handlung in einem anderen Licht darstellen möchte. Als Zuschauer wartet man auf eben diesen Twist, da die Geschichte keinen wirklichen Höhepunkt zu finden scheint. Sobald er jedoch eintrifft, fragt man sich, ob diese Enthüllung nun wirklich der Geschichte schmeichelt oder sie ins Absurde zieht.
Der Denkwürdige Fall des Mr. Poe ist ein stimmiges Gemälde, das den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts und die düstere Literatur eines Edgar Allan Poe einfängt, jedoch nicht vertieft. Grusel sollte man nicht erwarten, ebenso wenig eine spannungsgeladene Geschichte. Viel mehr ist der Film ein Drama im historischen Gewand, das sich Trauer als Motiv ausgesucht hat, dieses aber nicht vertieft. Die interessante Dynamik zwischen Bale und Melling trägt den Film über zwei Stunden, doch am Ende wird der in sich sehr stimmige Gesamtbild durch einen fragwürdigen Plot-Twist versalzen.
Artikel vom 21. Januar 2023
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